Am 19. Juni fand anlässlich des 10. Bildrausch Filmfest Basel die Schweizer Premiere von Fabian oder Der Gang vor die Hunde statt. Dabei handelt es sich um eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Erich Kästner aus dem Jahre 1931. Seit gestern läuft der Film in den Kinos der Schweiz, ab dem 5. August ist er in Deutschland und Österreich zu sehen. Wir haben uns den Streifen nicht nur ansehen, sondern auch ein spannendes Video-Interview mit den Hauptdarstellern Tom Schilling und Albrecht Schuch führen können. Mit einem Klick auf die Namen gelangt ihr zu den Videos.
Es war einmal in der Weimarer Republik…
Jakob Fabian ist Reklametexter in der Werbeabteilung einer Zigarettenfabrik. Deutschland und insbesondere Berlin sind im Jahre 1931 stark von Unruhen geprägt, hervorgerufen durch die Politik der Weimarer Republik. Fabian ist Moralist und hält von den politischen Ereignissen wenig. Mit seinem besten Freund, dem Millionärssohn Labude, zieht er dafür nachts durch Kneipen, Bordelle und Künstlerateliers. Labude ist Kommunist, träumt von einer Klassen-Revolution und engagiert sich aktiv dafür – im Gegensatz zu Fabian. Er schreibt lieber gesellschaftskritische Texte und Gedanken in sein Notizbuch.
Als Labude von seiner Verlobten verlassen wird und sich von einer Affäre in die nächste stürzt, trifft Fabian in einem Kabarett auf Cornelia Battenberg. Die selbstbewusste Justiziarin (Rechtsberaterin) einer Filmproduktionsfirma träumt von einer Schauspielkarriere und verdreht Fabian dank ihrer besonderen Art den Kopf. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die vor allem Fabian guttut: Er schafft es, dank Cornelia seinen Pessimismus gegenüber der deutschen Politik abzulegen. Die beiden verbringen fortan auch viel Zeit mit Labude, feiern Partys und verstehen sich bestens. Allerdings ändert sich Fabians Leben schlagartig, als er von seinem Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen entlassen wird. Um seine Beziehung nicht zu gefährden, erzählt er seiner neuen Liebe zunächst nichts davon.
Währenddessen verstärkt sich Cornelias Wunsch, Schauspielerin zu werden und sie erhält tatsächlich die Chance für eine solche Karriere, muss dafür aber über ihren moralischen Schatten springen. Dies führt dazu, dass es zur Beziehungskrise zwischen ihr und Fabian kommt. Als dann noch Labude eine Entscheidung trifft, mit der niemand gerechnet hat, droht Fabians Leben vollends aus den Fugen zu geraten.
Eine ungewöhnliche Romanverfilmung mit tollem Schauspiel
Die Geschichte ist fiktiv und stammt aus der Feder von Erich Kästner, der für zahlreiche Romane wie Das fliegende Klassenzimmer, Das doppelte Lottchen oder Drei Männer im Schnee bekannt ist. Der ursprüngliche Roman namens Fabian: Die Geschichte eines Moralisten war zum Erscheinungszeitpunkt umstritten, wurde von den Nazis als «Entartete Kunst» bezeichnet und verbrannt. Unter anderem spielten die sehr freizügigen Szenen eine der grössten Rolle für diesen Entscheid.
Beim Film von Dominik Graf handelt es sich bereits um die zweite Umsetzung der Geschichte. Er schrieb mit Constantin Lieb auch das Drehbuch zum knapp 3-stündigen Film. Wer jetzt von der Dauer abgeschreckt sein mag, der irrt sich. Im Gegensatz zu Filmen wie Once Upon a Time in Hollywood oder anderen Werken von Quentin Tarantino mit ausschweifenden Dialogen und langen Kamerafahrten, ist das neue Werk von Graf sehr kurzweilig und schön inszeniert. Das liegt unter anderem am exzellenten Schauspiel von Tom Schilling, Albrecht Schuch und Saskia Rosendahl. Die drei Hauptdarsteller harmonieren gut miteinander und wissen, wie sie Freud, Leid und Schmerz am besten vermitteln können. Schilling sticht unter den drei hervor und leistet in allen erdenklichen Situationen eine nuancierte Mimik.
Interessant ist, dass hier der Fokus ausschliesslich auf der Geschichte dieser Figuren liegt. Historische Ereignisse wie zum Beispiel Nazi-Märsche kommen nicht vor, was den Zuschauer verleitet, nur die Figuren im Auge zu behalten. Während des Streifens schaltet sich zudem eine Art auktorialer Erzähler in die Handlung ein und unterstützt sehr passend deren Ablauf.
Ein Augenschmaus für Kinofans
Fabian oder Der Gang vor die Hunde bietet eine spezielle Kameraführung, ausgeführt von Hanno Lentz. Dazu zählt die Wahl des Formats 4:3, in dem der komplette Film gedreht worden ist. Bis 2008 war es das klassische Format für TV-Geräte und wurde dann durch das Breitbildformat abgelöst.
Dieses Format, welches dem klassischen 35-mm-Film entspricht, ist heutzutage jedoch untypisch für Kinoproduktionen, zuletzt wurde der Schweizer Film Sami, Joe und Ich so in Szene gesetzt. Durch das spezielle Format gelingt es dem Zuschauer, die Figuren und ihre Handlungen noch besser wahrzunehmen, da man sich nicht durch andere Elemente im Bild ablenken lassen kann. Bei Fabian oder Der Gang vor die Hunde gibt es zwischendurch auch Collagen zu sehen. So sind dann beispielsweise vier Filme in einem Bild zu sehen, meistens aus alten Schwarzweiss-Aufnahmen zusammengesetzt. Des Weiteren kamen für manche Aufnahmen alte Super-8-Kameras zum Einsatz. Dies wertet den Film zusätzlich auf, da das grobkörnige Bildrauschen die Dreh-Epoche dem Zuschauer noch näher bringt.
Zudem wurde nicht auf eine ruhige und stabile Kameraführung gesetzt, die Aufnahmen scheinen von Hand gefilmt worden zu sein. Die Kameraführung als hervorstechendes Stilelement einzusetzen, empfand ich als eine gute Wahl. Ich bin mir sicher, dass eine gewöhnliche und ruhige Kameraführung dem Film geschadet hätte. Auch beim Schnitt hat man sich nicht die Ruhe zum Motto gesetzt, sondern ordentlich Tempo eingefügt. Das hilft dem 3-stündigen Film enorm, ihn kurzweilig zu erzählen. Es gibt zudem einige sehr intime Szenen, die als Rückblenden eingesetzt werden. Auch diese wirken nicht billig, sondern gekonnt in Szene gesetzt. Der Gesamt-Look ist definitiv ein Grund, sich den Film anzusehen. Zeitweise erinnerte er mich stilmässig an The Grand Budapest-Hotel von Wes Anderson.
Mein Fazit zu Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Obwohl es meiner Meinung nach etwa eine halbe Stunde dauert, bis man in die Geschichte vollkommen eintauchen und den roten Faden erkennen kann, finde ich, dass die Umsetzung des Romans gut gelungen ist. Die Handlung ist spannend, kurzweilig und bietet einen guten Einblick in den damaligen Zeitgeist. Einen Abzug gebe ich bei der Set-Ausstattung. An manchen Stellen ist zu erkennen, dass einige Gegenstände nicht akkurat zu den dargestellten 30er-Jahren sind. So sehen die Schuhsohlen der Darsteller ziemlich modern aus. Vermutlich wurde hier Plastik und nicht Leder benutzt. Dies ist aber nicht weiter schlimm und macht die Magie des Films nicht kaputt.
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