Am 26. Oktober feierte Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste Premiere in den Schweizer Kinos. Regie führte Margarethe von Trotta, die mit diesem Film erneut ein Biopic über eine schillernde Frauenfigur realisierte. Wie am Titel unschwer erkennbar, geht es um die radikale Lyrikerin aus Österreich: Ingeborg Bachmann war eine der bedeutendsten Stimmen der deutschen Literaturszene des 20. Jahrhunderts und fasziniert bis heute. Ihre vierjährige Beziehung zu Max Frisch gilt als ikonisch, deren Ende ein Wendepunkt in Bachmanns Leben markierte. Dieser Lebensabschnitt und die darauffolgende Reise nach Ägypten stehen auch im Fokus des Films. Wie gut bewältigt der Film die Darstellung von der schwer fassbaren Ingeborg Bachmann?
Im Rahmen der Schweizer Premiere von Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste am 19. Zurich Film Festival 2023 durften wir spannende Interviews mit Regisseurin Margarethe von Trotta und Hauptdarstellerin Vicky Krieps führen. Diese sind auf unserem YouTube-Kanal abrufbar.
Von der Beziehung in die Hitze
Ingeborg Bachmann, gespielt von Vicky Krieps, befindet sich am Tiefpunkt. Der Film beginnt mit einem ihrer Albträume: In einem dunklen Raum fragt sie per Telefon, wann die Person am anderen Ende zurückkäme – beantwortet wird ihre Frage nur mit dem Gelächter eines Mannes. Von diesem Albtraum scheint sie jedoch auch nicht im schlaflosen Zustand aufzuwachen. Es wird schnell klar, dass dieser Mann am anderen Ende niemand anderer ist als Max Frisch. Das Ende ihrer Beziehung zu ihm schwächt Ingeborg Bachmann körperlich und mental, sie muss deshalb mehrmals ins Krankenhaus. In diesem Zustand wird sie auch den Zuschauern vorgestellt: Sie wacht in einem Patientenzimmer auf, greift sofort nach der Zigarette. Ihrem Psychiater erzählt sie, dass ein Hund namens Max sie in ihren Träumen plagt.
Es erfolgt ein Perspektivenwechsel: Ingeborg Bachmann befindet sich nun in der ägyptischen Wüste. Ihre Reise dorthin fand auch nach dem Beziehungsende zu Max Frisch statt und agierte quasi als Therapie, wenn auch nicht als eine von Dauer. Bachmann ist jedoch nicht alleine, sondern reist zusammen mit dem jungen Adolf Opel (Tobias Resch), dem sie von ihrer Zeit mit Max Frisch erzählt. In Rückblenden, die Bachmanns Zeit in Ägypten immer wieder durchbrechen, erzählt der Film von der Beziehung des Literatenpaares. Gegen Ende des Filmes fliessen auch beide Zeiträume zusammen, als Adolf Opel und Ingeborg Bachmann das erste Mal aufeinandertreffen.
Wie eine Beziehung verblasst…
Die Rückblenden selber sind chronologisch geordnet, und beginnen beim ersten Treffen Ingeborg Bachmanns auf Max Frisch, der von Ronald Zehrfeld dargestellt wird. Ihre erste Begegnung ist von Respekt und gegenseitiger Wertschätzung ihrer Werke geprägt. Im Laufe der Beziehung verblasst dies jedoch allmählich. Das Wohnen in Zürich bei Max Frisch stellt sich als Herausforderung dar: Ständig plagen Bachmann die Töne seiner Schreibmaschine, sie kann nicht mehr arbeiten. Zunehmend bekommt sie auch seinen eifersüchtigen Charakter zu spüren – verbal wie auch körperlich. Die anfängliche Euphorie Bachmanns zerbricht. Der endgültige Versuch, ihre Beziehung in ihrem geliebten Rom zu retten, scheitert. Der Film schliesst seinen Kreis wieder in der Wüste – ihrer sanften Vorhölle, ihrer Erlösung wie Bachmann liebevoll schrieb.
Warum diese Ingeborg Bachmann?
Es ist unglücklich, dass der Film sich so stark auf die Beziehung Ingeborg Bachmanns zu Max Frisch konzentriert. Biografische Filme zu weiblichen Persönlichkeiten machen nicht selten den gleichen «Fehler»: Sie stellen das Lebenswerk der Protagonistin in den Schatten und betrachten sie im Kontext ihrer Beziehung zu einem Mann. So wie beispielsweise Elizabeth mit Cate Blanchett. Bei von Trottas Film geschieht genau dies: Literarische Erfolge und Werke Bachmanns werden nur am Rande (oder gar nicht) thematisiert, wohingegen Max Frisch ihre gesamte Gedanken- und Aussenwelt einnimmt. Auch bei seiner visuellen Abwesenheit wird Max Frisch konstant evoziert. Es ist deswegen nicht überraschend, dass ein früherer Titel des Filmes Bachmann & Frisch gewesen ist.
Jedoch ist es verwunderlich, dass von Trotta diesen Fokus gewählt hatte, verweigerte doch der Suhrkamp Verlag die Einsicht in den Briefwechsel zwischen Bachmann und Frisch (das Buch zum Briefwechsel kam erst nach Vollendung des Filmes raus). Für die gewählte Thematik wäre er die wichtigste Quelle gewesen, jedoch blieb diese aus. Von Trotta selbst weiss, dass ein Biopic nie eine komplexe Persönlichkeit vollumfänglich erfassen kann, und beschreibt ihre Filme als «Annäherung» – leider entfernt sich diese Annäherung diesmal von Bachmanns schriftstellerischer und feministischer Seite. Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste lebt vorallem durch das Darstellen einer seelisch zutiefst verletzten Protagonistin in puppenhafter Kleidung. Somit kippt der Film ab und an in eine klischierte Darstellung der Geschlechter – Max Frisch als beängstigender und biederer Patriarch, der die erfolgreiche und anfänglich lebenslustige Bachmann zu zerreiben droht.
Die Erlösung: Darstellungen und Bilder mit Tiefgang
Obwohl der Fokus des Drehbuches meiner Meinung nach nicht ganz geschickt gewählt wurde, erbrachten die Schauspieler grossartige Leistungen. Insbesondere Vicky Krieps konnte durch ihre Darstellung die Vielschichtigkeit von Bachmanns Charakter in der Krise herausarbeiten, auch wenn die rebellische Seite der Protagonistin im Drehbuch nicht sehr zum Vorschein kommt. Ronald Zehrfeld stellt Max Frisch verletzlich dar, auch in seinen Machtmomenten über Bachmann. Diese Darstellung von Max Frisch ist wohl auch einer der Glanzpunkte des Drehbuchs, da es auf eine idealisierte Version verzichtet, und die privaten Seiten des berühmten Schweizer Literaten aufdeckt.
Ein weiterer Glanzpunkt sind überdies einige Totalen, insbesondere die Aufnahmen der Wüstenszenen. Gedreht wurde im Wadi Rum in Jordanien, welches sich als guter Ersatz herausstellte, da ursprünglich Marokko als Drehort geplant war.
Mein Fazit zu Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
«Ingeborg Bachmann war eine Vorreiterin, in einer Zeit, in der sich noch niemand gross den Kopf zerbrach über Emanzipation, Beziehungen, Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern.» So fasst Bady Minck, die als Produzentin am Film mitgearbeitet hatte, die Protagonistin zusammen. Und ich stimme zu – wieso wurde dann diese Seite von Bachmann in den Hintergrund gedrängt? Sie scheint sich nie richtig gegenüber Max Frisch zu emanzipieren, lässt sich seine Machtspielchen in den Dialogen des Films zu lange gefallen. Und ja, diese Seite Bachmanns würde ihren komplexen Charakter unterstreichen; jedoch kam ihre emanzipierte Seite nur zaghaft bis gar nicht zum Vorschein. Es ist diesbezüglich eine etwas einseitige filmische Darstellung Ingeborg Bachmanns, über ihr Schaffen und Wirken erfährt man nicht viel.
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