Emma Stadler aus Hydrangeas Blood am Bern Film Club Festival 2024

Bern Film Club Festival: Das war die erste Ausgabe des neuen Kurzfilmfestivals…

Am Sonntag, dem 27. Oktober fand im Berner Kinokomplex Pathé Westside das erste Bern Film Club Festival statt. Organisiert wurde es vom Verein Mindmaze Pictures, einer jungen Künstlergruppe aus Bern. Zu sehen gab es 15 Kurzfilme aus der ganzen Welt sowie einen Langspielfilm. Wir haben den Event besucht und teilen hier gerne unsere Eindrücke des Mini-Festivals.

15 Kurzfilme und eine Eigenproduktion

Der Saal 10 des Pathé Westside in Bern füllt sich. Das Organisationsteam hat keine Kosten und Mühen gescheut und den Saal mit den bequemen VIP-Sesseln gemietet. Denn für die stolze Dauer von 7 Stunden ist schliesslich viel Sitzfleisch gefragt. Das erste Bern Film Club Festival zeigt nicht nur den 110-minütigen Film Hydrangeas Blood, eine Eigenproduktion von Mindmaze Pictures, sondern auch 15 Kurzfilme. Letzteres ist in zwei Kategorien unterteilt: 10 Long Shorts (15-30 min) und 5 Shorts (unter 10 min), eingereicht von Filmteams aus der ganzen Welt. 

Nach einer kurzen Anmoderation von Felipe und Aran gehts auch schon los. Hydrangeas Blood ist ein Langspielfilm, der von der 20-jährigen Frau Laura handelt, die in schwierigen familiären Verhältnissen aufwächst. So wird sie seit ihrer Kindheit vom Vater geschlagen und ist geprägt von Konfrontationen mit der alkoholkranken Mutter. Das alles wirkt sich auch auf ihre Arbeit als angehende Floristin aus und sie arbeitet unkonzentriert. Als sie im Unterricht auf die schöne aber giftige Hortensien-Pflanze stösst, beginnen ihre Gedanken zu kreisen…

Die Schauspieler Leyla Chykulina und Todd Grim am Bern Film Club Festival 2024
Sogar eine Fotowand wurde am Festival für Cast & Crew von Hydrangeas Blood aufgestellt. | Bild: Whatthefilm.ch (Marcel Schmid)

Kurzfilme begeistern mit Vielfalt und Kreativität

Nach dem etwas langwierig geratenen Eröffnungsfilm kamen nun die Kurzfilme an die Reihe. Hier bewies das Team ein gutes Händchen bei der Auswahl der Streifen. So gab es Produktionen aus Italien, Spanien, Frankreich, Brasilien, Argentinien, Österreich, Albanien und der Schweiz zu sehen. Diese Werke waren auf einem hohen Niveau, was Storytelling, Kameraführung und Sound anbelangte. Vom Look her waren manche nicht weit von einer Hollywood-Produktion entfernt. Der nationale Humor der unterschiedlichen Kulturen war deutlich spürbar.

Javier Drolas in Superdulce
Der Gewinner des Clubs Choice Awards: Superdulce von Guido Villaclara. | Bild: FAINÁ Cine / Instituto Nacional de Cine y Artes Audiovisuales (INCAA) / Mil Grullas Cine

So erzählt Superdulce aus Argentinien die Geschichte eines Mannes, der dank einem Joghurt ein besseres Selbstwertgefühl bekam. Die österreichische Produktion Vienna is Calling von Alexander Bruckner schildert einen Juwelenraub, ausgeführt von einer Frauengruppe, die sogar dem Team von Danny Ocean aus Ocean’s Eleven Konkurrenz machen könnte. Im italienischen ll Dito e La Luna hadert ein junger Mann mit seinen Gefühlen und träumt von einer Modedesigner-Karriere, ob das seiner konservativen Mutter wohl gefallen wird? Der Schweizer Kurzfilm A Last Wish thematisiert den Unfalltod einer jungen Frau, mit der ihr Freund nun umgehen und wieder zu sich selbst finden muss. In Wo ist Noah? (ebenfalls Schweiz) wird das Eheleben von zwei Menschen durch das Verschwinden eines Familienmitgliedes gehörig durchgerüttelt.

Sandra Hartlauer aus Vienna is Calling
Einer unserer Favoriten: Vienna is Calling von Alexander Bruckner. | Bild: GrunerFilms / Live Free / Live Film Productions / Sagra Productions

Auch die 5 Shorts präsentierten unterschiedliche Geschichten und wurden auf einem hohen Niveau gedreht. Des petites pierres von der Westschweizerin Anne Thorens kommt beispielsweise gänzlich ohne Worte aus und es zeigte sich einmal mehr, dass es nicht immer einen riesigen Aufwand benötigt, um das Kinopublikum mitfiebern zu lassen. Packend und fesselnd war auch If Only there were more Men Like You aus Portugal. Dieser basierte auf wahren Begebenheiten und schilderte die Gewalt an Frauen, die Männer auf Portugals Strassen ausübten. Auffallend war, dass sich die Menge der Zuschauer des Bern Film Club Festival nach dem Eröffnungsfilm stark reduzierte. Vereinzelt verliessen Zuschauer den Saal. Ob es am teils harten Filmstoff lag oder der Dauer des Events ist unbekannt.

Paulina De Matteis Severino Negri Joachim Aeschlimann Plakat Wo ist Noah von Philippe Weber
Der Gewinner des Audience-Choice Awards: Wo ist Noah? von Philippe Weber. | Bild: philproduction / Vianty GmbH

Diese Filme sind die Sieger vom ersten Bern Film Club Festival

Zu einem Filmfestival gehören natürlich auch Preise. Die Sieger wurden gegen 23 Uhr verkündet. Bei den beiden Kategorien Long Short und Short war die Meinung des Publikums gefragt. Anhand von Stimmzetteln, die am Schluss des Events gesammelt wurden, durfte je eine Stimme abgegeben werden. Als Gewinner des Audience-Choice Awards ging Wo ist Noah? von Regisseur Philippe Weber hervor. Moderator Aran kommentierte den Film mit den Worten: «Wir können von diesem Film eine wichtige Botschaft mitnehmen: Stay loyal to your partner». If Only There were more Men Like You von Amy Silvia siegte in der Kategorie Best Concept Mini. Der Club selbst vergab noch zwei Preise. In der Kategorie Best Performance siegte Midori Dumermuth für ihre Darstellung in Hydrangeas Blood, während sich das Team von Superdulce über den Clubs Choice Award freuen durfte.

Filmstill von If Only There were more Men Like You
Der Gewinner des Best Concept Mini-Awards: If Only There were more Men Like You von Amy Silvia. | Bild: Amy Silvia

Ein holpriger Anfang

Obwohl das Organisationsteam bei der Auswahl der Filme ein gutes Händchen bewiesen hatte, war die erste Ausgabe des Festivals von technischen und dramaturgischen Fehlern geprägt. So wurden die ersten paar Minuten der abgespielten Filme ohne Ton präsentiert. Erst nach mehreren Anläufen funktionierte die Projektion einwandfrei. Die Moderatoren waren sympathisch und führten mit spontanen Worten durch den Anlass. Hier hätten wir uns gerne noch mehr Informationen über die Filme gewünscht. Wer sind die Filmschaffenden? Was war ihr Ziel? Woher kommen sie und unter welchen Umständen entstand der Film? War es etwa ein Abschlussprojekt einer Schule? All diese Fragen blieben unbeantwortet. Das traf auch auf den gezeigten Langspielfilm Hydrangeas Blood zu. Gerne hätten wir mehr über die Regisseurin und Drehbuchautorin Bruna Perreira erfahren. Aus welchem Beweggrund hat sie den Film gemacht und welche Aussagen waren ihr dabei wichtig? Auch wäre es schön gewesen, das komplette Filmteam vor der Grossleinwand stehend zu sehen.

Das Konzept des Events war leider nicht ganz ersichtlich. Auch die Dauer des siebenstündigen Events war trotz kurzer Pausen sehr zäh. Das war auch bei der schwindenden Anwesenheit des Publikums spürbar. Das ist jedoch verständlich bei so vielen Filmproduktionen.  Vielleicht hätte man sich besser am Motto «Weniger ist mehr» orientiert. Nach dem Festival haben uns die Organisatoren verraten, dass sie auch nächstes Jahr wieder so ein Bern Film Club Festival durchführen möchten. Gerade für den Standort Bern, welcher bis 2019 regelmässig den weltweiten Kurzfilmwettbewerb shnit ausgerichtet hatte, wäre so eine Möglichkeit kulturell gesehen sehr wichtig. Wir können also gespannt sein, was sich Mindmaze Pictures für nächstes Jahr einfallen lässt, um kurzfilmbegeisterte Menschen ins Kino zu locken – denn das ist eines der Ziele des jungen Vereins.