Seit August läuft der Horrorfilm Candyman in den Kinos. Er basiert auf der Kurzgeschichte The Forbidden von Clive Barker. Ursprünglich sollte der von Nia DaCosta inszenierte und von Jordan Peele produzierte Streifen bereits vor einem Jahr erscheinen. Schade, dass die Corona-Pandemie dies verhinderte, hätte er doch hervorragend zur damaligen Lage in den USA gepasst.
Wenn der Horror nach Cabrini-Green zurückkehrt
Anthony McCoy ist Künstler und gerade mit seiner Freundin, der Kuratorin Brianna, in eine Luxuswohnung im Chicagoer Stadtteil Cabrini-Green gezogen. Er soll schon bald an einer Ausstellung, die Brianna kuratiert, teilnehmen. Allerdings fehlt es ihm an Inspiration. Anthony erhofft sich, diese innerhalb seines neuen Wohnortes zu finden und recherchiert fleissig. So findet er heraus, dass Cabrini-Green schauderhafte Geschichten zu erzählen hat und über all die Jahre zum Schauplatz von Verbrechen gegenüber der schwarzen Bevölkerung geworden ist. Als er den verarmten Teil des Stadtteils erkundet, wird Anthony nicht nur von einer Biene gestochen, sondern lernt auch den Waschsalon-Besitzer William Burke kennen. Dieser erzählt ihm von der Legende des Candyman.
Dieses Wesen stammt aus Cabrini-Green, besitzt eine Haken-Hand und verteilt mit Rasierklingen versehene Bonbons an Kindern. Spricht man seinen Namen fünfmal aus und blickt dabei in den Spiegel, erscheint die Grusel-Gestalt und tötet denjenigen, der ihn ruft. Burke wurde in seiner Kindheit Zeuge, wie ein unschuldiger dunkelhäutiger Mann namens Daniel Robitaille, den man fälschlicherweise für den Candyman gehalten hatte, von der Polizei brutal getötet wurde. Anthony ist hellauf begeistert von der Geschichte und beschliesst, diese in sein künstlerisches Schaffen zu integrieren. Aus Neugier «ruft» er den Geist auch herbei, doch nichts geschieht. Allerdings plagen ihn in den nächsten Tagen nicht nur der Bienenstich, sondern auch fürchterliche Albträume. Hingegen strotzt er nur so von Einfallsreichtum und erschafft Werke über den Candyman, die er auch an der Ausstellung seiner Frau präsentieren kann.
Dazu gehört auch die Möglichkeit, mithilfe eines eingebauten Spiegels den Candyman zu rufen, was sich ein paar Gäste natürlich nicht nehmen lassen. So auch der Galerie-Besitzer und seine junge Assistentin. Nur ein paar Sekunden danach erblicken sie das gruselige Wesen im Spiegel und sterben auf grausame Art und Weise. Durch die anschliessende Berichterstattung der Medien erhält Anthony viel Aufmerksamkeit und beginnt, eine ganze Reihe von Werken mit der Candyman-Thematik zu malen. Dies gibt nicht nur seiner Freundin zu denken, sondern auch ihm selbst. Zum einen verschlimmert sich der Bienenstich und zerrt an seiner Gesundheit, zum anderen sieht er seine Inspirationsquelle im Spiegelbild, welche verblüffende Ähnlichkeit mit Anthony selbst besitzt. Hat der ahnungslose Künstler die alte Legende tatsächlich zum Leben erweckt?
Neuinterpretation mit aktuellem Bezug
Bei diesem Streifen handelt es sich mittlerweile um die vierte Verfilmung mit der unheimlichen Gestalt Candyman. Bernard Rose legte 1992 mit Candymans Fluch den Grundstein für die Reihe, die 1995 mit Candyman 2 – Die Blutrache fortgesetzt sowie 1999 mit Candyman 3 – Der Tag der Toten beendet wurde. Newcomerin Nia DaCosta drehte nun eine neue Version, unterstützt wurde sie dabei von niemand geringerem als Get Out-Schöpfer Jordan Peele. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Remake, sondern eine Neuinterpretation des Stoffs. Zumal es zu beachten gilt, dass keine Verfilmung wirklich eine Umsetzung des Buches ist, sondern nur lose darauf basiert.
Bei Nia DaCostas Interpretation des Werks, haben die Macher zudem einen Nerv der Aktualität getroffen: Black Lives Matter. Der Film passt hervorragend zur Thematik und der Bewegungen, die durch den Tod von George Floyd ausgelöst worden sind. Candyman stellt dar, wie Carabini-Green Schauplatz von Gewalt gegen die dunkelhäutige Bevölkerung Chicagos wurde. Gerade der irrtümlich als Candyman beschuldigte, alte Mann, der von weisshäutigen Polizisten brutal zusammengeschlagen wird, verdeutlicht dies. Somit stellt der Candyman sozusagen der Racheengel der Schwarzen dar, zumal der Horrorfigur ausschliesslich weisse Personen zum Opfer fallen, dunkelhäutige bleiben verschont.
Tolle Effekte und unkonventionelle Rückblenden werten Candyman auf
Wie es sich für einen zeitgemässen Horrorfilm gehört, haben die Macher auf eine gute Soundkulisse geachtet. Bereits der Vorspann mit den Credits stimmt auf einen gruseligen Streifen ein. Dies, da eine unheimliche, neblige und auf dem Kopf stehende Sykline gezeigt wird und ein unverkennbarer Soundtrack abgespielt wird. Der silhouettenhafte Stil der Hochhäuser ist ein Stilmittel des Films und kommt bei Rückblenden zum Einsatz. Anstelle diese Szenen mit Schauspielern zu drehen, hat sich DaCosta entschieden, Pappfiguren zu verwenden. Dies fand ich sehr schön dargestellt, zumal es perfekt zum Künstler Anthony passt. Da der Film 25 Millionen Dollar kostete, könnte es auch auf das verhältnismässig geringe Budget zurückzuführen sein. Auch die Kameraführung lässt nicht zu wünschen übrig. Die Attacken des Candyman im Spiegel hat man besonders schön in Szene gesetzt.
Ein Schwachpunkt bietet der Film hingegen bei seiner Erzählweise. Die hat mich, ehrlich gesagt, eher verwirrt als unterhalten. Gegen Ende des Films laufen zwar die Fäden zusammen, jedoch wird dies sehr verworren und kompliziert dargestellt. Zudem nimmt das Tempo gegen Ende ziemlich an Fahrt auf, und macht es dem Zuschauer schwierig, da durchzublicken. Schade, es wirkt so, als ob die Macher den Streifen rasch zu Ende bringen wollten. So gibt es eine Art Plot-Twist, in dem sich eine Figur wandelt und zu einem Zeremonienmeister wird. Allerdings werden vor diesem Moment so viele offene Fragen wie möglich zu beantworten versucht und neue Offenbarungen dargestellt, dass zumindest ich persönlich Mühe hatte, diese zuzuordnen.
Altbekannte Gesichter im Cast
Yahya Abdul-Mateen II, den wir bereits in Wir und The Trial of the Chicago 7 sehen konnten, liefert als Anthony eine gekonnte Arbeit ab. Vor allem die Art, wie er den ideenlosen Künstler darstellt, hat mir sehr gefallen. Der restliche Cast war mir unbekannt – genauso wie die Candyman-Filmreihe. Jedoch bin ich während der Recherche auf einen spannenden Fakt gestossen, den ich euch nicht vorenthalten will. Vanessa Williams, die Anthonys Mutter Anne-Marie McCoy spielt, war Teil der Besetzung des ersten Candyman-Films von 1992. Ihre Rolle trägt auch denselben Namen. Auch ein weiteres Gesicht dürfte den Fans der Filmreihe bekannt vorkommen: Tony Todd. Er hatte damals in allen drei Streifen die Rolle des Candymans gespielt. In der Neuverfilmung übernahm er die Rolle des zu Tode geprügelten Mannes, der fälschlicherweise für die mörderische Figur gehalten wurde und William einst begegnet war.
Für wen eignet sich Candyman?
Wer sich gerne mal wieder einen Horrorfilm mit gesellschaftskritischen Aspekt anschauen will, ist mit Candyman gut bedient. Zumal auch Jordan Peele seine Finger im Spiel hatte. Leider nicht als Regisseur, dann hätten wir wohl noch etwas völlig Anderes zu sehen bekommen. Wahrscheinlich hat Peele wegen seines neuen Films Nope die Regie nicht übernommen. Der Streifen besitzt zahlreiche Splatter-Momente, die unter die Haut gehen. Wer damit nichts anfangen kann, sollte von Candyman die Finger lassen.
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