Julia Buchmann als Frieda Keller in Friedas Fall

Friedas Fall: Das neue Schweizer Justizdrama über Schuld, Moral und Gerechtigkeit

Seit dem 23. Januar läuft das Schweizer Drama Friedas Fall in den Kinos. Der von Maria Brendle realisierte Film basiert auf wahren Begebenheiten, die sich am Anfang des 20. Jahrhunderts in St. Gallen abgespielt haben. Friedas Fall beleuchtet Themen wie Gleichstellung und gesellschaftliche Moral. Die Weltpremiere erfolgte am 20. Zurich Film Festival. Wie gut ist der Streifen? Das gibt es in dieser Kritik zu lesen.

Frieda Keller und der Schweizer Justizapparat

St. Gallen im Jahr 1904: Die junge und unverheiratete Näherin Frieda Keller (Julia Buchmann) steht vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, ihren Sohn umgebracht zu haben. Damals sieht die Lage im Schweizer Justizsystem für Frauen nicht gut aus und die junge Näherin kann eigentlich nur verlieren. Für den gesetzestreuen und rationalen Staatsanwalt Walter Gmür (Stefan Merki) ist der Fall daher schnell klar und Frieda gehört hingerichtet. Arnold Janggen (Max Simonischek), Friedas Anwalt hingegen, setzt sich mit voller Kraft für seine Klientin ein und interessiert sich für die Hintergründe der Tat. Seine Frau Gesine

Was ist der jungen Frau widerfahren? Erna Gmür (Rachel Braunschweig), die Frau des Staatsanwalts zeigt ebenfalls Empathie für Frieda und versucht, sie zu überzeugen. Sie soll sich wehren und die wahren Gründe für ihre Tat preisgeben. Wie wird das Justizdrama nur enden?

Rachel Braunschweig als Erna Gmür in Friedas Fall
Erna Gmür setzt sich mit aller Kraft für Frieda ein. | Bild: © Praesens Film / Condor Films

Friedas Fall vermittelt Authentizität und Frische

Bezüglich des Settings haben sich Maria Brendle und ihr Team unglaubliche Mühe gegeben, um das Gefühl der damaligen Zeit mit der Kamera einzufangen. Von den Kostümen, den Requisiten bis hin zu den Kulissen wirkt alles wie aus dem Ei gepellt. Selbst an Originalschauplätzen wurde gedreht. Wie schön, dass hier so ein grosser Wert auf Authentizität gelegt wurde. Das Drehbuch schrieb Michèle Minelli, basierend auf ihrem eigenen Buch Die Verlorene. Darin hatte sie die Geschichte anhand der originalen Gerichtsdokumenten und persönlichen Briefen der Gefangenen verarbeitet. Maria Brendle, die 2020 mit ihrem Kurzfilm Ala Kachuu für den Oscar (Bester Kurzfilm) nominiert war, hat das Drehbuch dann noch perfektioniert. Was auffällt, ist, dass die Charaktere, anders als in ähnlichen historischen Filmen, auffallend modern miteinander sprechen. Viele Dialoge und Sätze wirken so, als würden sie gut in die heutige Zeit passen. Wie erfrischend, macht es doch einen Kostümfilm um einiges erträglicher.

Max Simonischek als Arnold Janggen und Stefan Merki als Walter Gmür in Friedas Fall
Friedas Anwalt Arnold Janggen (l.) und der Staatsanwalt Walter Gmür. | Bild: © Praesens Film / Condor Films

Zwischen Schuld und Unschuld

Besonders beeindruckend ist das Schauspiel von Julia Buchmann. Vor Friedas Fall war sie vor allem auf vielen Theaterbühnen und in TV-Filmen zu sehen. Mit diesem Film dürfte ihr der Durchbruch im Kinobereich gelingen. Schliesslich vermittelt sie die Verzweiflung der jungen Frieda perfekt. Sie ist Opfer und Täterin zugleich. Als Zuschauer gerät man dadurch in eine Art Zwiespalt. Soll man mitfiebern, dass sie nicht bestraft wird oder nicht? Um das zu entscheiden, muss man aber die gesamte Geschichte kennen und bis zum Ende des Films abwarten. Schliesslich soll man nicht so denken wie die damalige Gesellschaft und die gleichen Fehler begehen. Viel zu schnell werden heute zu schnell Urteile gefällt, sei es über Personen, Geschichten oder andere Ereignisse.

Mich erinnerte der Film stark an die Romanverfilmung Der Gesang der Flusskrebse mit Daisy Edgar-Jones. Darin wird ebenfalls eine junge Frau vor Gericht geführt und von den anwesenden Schaulustigen vorschnell und ohne Hintergrundwissen verurteilt. Mit dem Unterschied, dass der Hollywood-Streifen aus dem Jahr 2022 fiktiv ist, während Friedas Fall auf wahren Begebenheiten beruht. Unglaublich, in was für Kinderschuhen das Schweizer Justizsystem damals noch steckte. Mich persönlich hat es während der Sichtung regelrecht wütend gemacht, somit haben die Filmschaffenden ihr Ziel erreicht.

Julia Buchmann als Frieda Keller aus Friedas Fall
Wie wird das Gericht über den Fall Frieda Keller urteilen? | Bild: © Praesens Film / Condor Films

Mein Fazit zu Friedas Fall

Der Fall von Frieda Keller hat die Entwicklung des Strafrechtssystems in der Schweiz massgeblich beeinflusst. So wurden etwa die Definitionen von Mord und Totschlag im überarbeitet. Maria Brendles neuester Film zeigt eindrücklich, wie schwer es Frauen damals hatten. Walter Gmür-Darsteller Stefan Merki hat uns während eines Interviews verraten, dass Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht einmal studieren durften. Ich selbst wusste das nicht. Nur, dass das Frauenstimmrecht in der Schweiz erst 1971 eingeführt wurde. Auch die fortschrittliche Schweiz hatte und hat auch immer noch Baustellen. Daher ist es gut, dass Filme wie Friedas Fall produziert werden. Schliesslich soll die Gesellschaft nicht rückwärts, sondern vorwärts denken.