Die Geschichte der Prinzessin Diana und dessen Trennung vom Prinzen wurde schon jegliche Male verfilmt. Sei es im Film Diana (2013) von Oliver Hirschbiegel, in der Doku-Serie The Story of Diana oder der Netflix-Serie The Crown (seit 2016). Das 17. Zurich Film Festival hat Spencer als exklusive Galapremiere gezeigt. Kann der Streifen von Regisseur Pablo Larrain eine neue Perspektive auf die Geschehnisse in den 1990er Jahren eröffnen?
Drei Weihnachtstage auf Schloss Sandringham
Der ganze Film spielt sich während der Zeitspanne von drei Tagen ab, den drei Tagen um Weihnachten. Während den Ferien mit der Königsfamilie im Sandringham-Anwesen in England entscheidet sich Prinzessin Diana (Kristen Stewart), ihre lang anhaltende Ehe mit Prinz Charles zu beenden. Die mit psychischen Störungen kämpfende Diana weiss schliesslich, dass Charles eine langjährige Geliebte hat, der er die gleiche Perlenhalskette wie ihr schenkte.
Spencer bietet eine für das Augenmerk wunderschöne Eröffnungsszene, die den ganzen Punkt und die Atmosphäre unterstreicht. Diana fährt alleine in ihrem Cabriolet durch die wunderschönen beige-grün dominierten Landschaften zum Anwesen, deutlich verspätet. Sogar nach der Queen (Stella Gonet) trifft sie ein. Schon beim Ankommen wird die Beklemmung der Königsfamilie unter der Diana leidet, ersichtlich. Alle Angehörigen müssen sich vor und nach den Feiertagen wägen. Da wird bereits Dianas Essstörung ersichtlich, als sie sich vorher aufs Bad verzieht, um sich zu übergeben.
Nebenbei hat die Königsfamilie Major Alistar Gregory (Timothy Spall) angestellt, um Diana zu bespitzeln. Dies, da die Prinzessin mit Betrugsbeschuldigungen zu kämpfen hat. Jedoch gibt es nicht nur Schattenseiten an der Familienzusammenkunft; Dianas Söhne William und Harry versüssen ihr den Aufenthalt und auch ihre als Designerin getarnte Freundin Maggie (Sally Hawkins) scheint eine Komplizin zu sein.
Unaushaltbare Isolation
Dianas Gemütszustand wird nicht nur durch ihre Depression gezeigt, sondern auch durch die sie einengenden Traditionen in der Königsfamilie. Ebenfalls durch die ganze Beklemmung und das Tabu, über psychische Krankheiten zu sprechen. Sogar Dianas Kleider hat man ihr ausgesucht. Für sie unvorstellbar und welche sie mit den Worten «It doesn’t fit.» – «Have you tried it on?» – «With my mood.» ablehnt. Neben der andauernden Bespitzelung vom Major wirkt das ganze Königshaus durch die Blicke aller fast schon klaustrophobisch. Somit beginnen ihre Angstzustände und ihre Depression die Oberhand zu gewinnen. Sie wird nicht nur durch die Augen der Königsfamilie beobachtet, sondern auch durch die Kameralinsen der Presseschaffenden, ihrer Designerin… und uns als Zuschauerinnen und Zuschauer.
Von ihrem schlechten psychischen Zustand getrieben, versucht Diana nachts aus dem königlichen Grundstück zu fliehen und in ihr Elternhaus einzubrechen. Mit der Zeit beginnen Realität und Fantasie aus Dianas Sicht zu verschwimmen. Halluzinationen vom Geist der Anne Boleyn erscheinen, mit der Diana das Schicksal des königlichen Mannes, der mit der «Mistress» schläft, teilt. Diana scheint immer mehr die Vernunft und den Verstand zu verlieren.
Die konstante Anspannung und Verklemmtheit sowie das fast militärhafte Verhalten der Familie fällt in Szenen, bei denen Diana ein «Spencer» (ihr Geburtsname) sein kann, ab. Während sie beispielweise mit ihren Söhnen spielt, mit ihnen durch die weiten Landschaften fährt, im KFC isst oder einfach lauthals zu einem Popsong im Auto mitsingt.
Spencer ist ein Augenschmaus
Die Bilder, die uns Larrain in Spencer zeigt, sind einfach nicht aus dem Kopf zu bringen. Man kann als Publikum richtig kontemplieren und sich mit hineinziehen lassen. Schon bei der Eröffnungssequenz, bei der unendlich lange Landschaften in beigen Tönen gezeigt werden, kommt das Gefühl auf, in einem romantischen Gemälde zu sein. Das ergänzt sich mit den extravaganten, modisch ausgezeichneten Outfits von Kristen Stewart. Die Kameraführung ist sehr detailliert und neben der Paparazzi-Szene, bei welcher man durch die Perspektive des Paparazzis auf Diana blickt, gibt es noch viele andere Sequenzen, die der Erwartungen von guter Kameraführung entsprechen. Der Fakt, dass Spencer auf warmen 16mm-Film gedreht wurde, unterstreicht die in sich kontrahierende Atmosphäre von fröhlichen Weihnachtstagen in der wunderbaren Natur und den inneren Konflikten von Diana.
Neue Perspektive auf Diana
Trotz der altbekannten Geschichte von Lady Di, dessen tragisches Ende allen bekannt ist, bringt Spencer eine neue Perspektive auf ihre psychischen Probleme. Spencer zeigt auf eine subtile Art, wie sehr Diana unter einer Essstörung, BPD (Borderline-Persönlichkeitsstörung) und Depressionen leidet. Im Gegensatz dazu verstören die Momente, in denen sie überglücklich zu scheinen mag, sich mit KFC-Hähnchen vollstopft und ihre Söhne beim Spielen beobachtet. Ohne dies je spezifisch anzusprechen wird klar, was für ein enormer Druck das sein muss und wie hin- und hergerissen sie ist. Eine klare Antwort auf Dianas innerem Gemütszustand gibt uns Larrain jedoch nie. Der Fokus liegt auf der Psyche der jungen Mutter.
Es ist eine balancierte Mischung aus Märchen und Horror. Einzig zu bemängeln ist hier die Länge des Films. Meiner Meinung nach hätte man Geschichte auch in weniger als zwei Stunden zeigen können, da wirklich «nichts» geschieht. Nebenbei ergänzte Lorrain die ganze Geschichte mit einer homoerotischen, platonischen Beziehung von Maggies Seite (Dianas Ankleiderin) her. Dies verwirrte die Auffassung der Beziehung zwischen den beiden. Abschliessend kann man sagen: ein visuelles Meisterwerk und ja, sollte man geschaut haben.
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