«Stella. Ein Leben.» oder Ein Teufelspakt jenseits von Moral

Das Historiendrama Stella. Ein Leben. unter der Regie von Kilian Riedhof war ab 25. Januar diesen Jahres bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen! Am 20. Juni erschien der Film nun hierzulande, leider lediglich auf DVD und steht ansonsten seit geraumer Zeit kostenpflichtig zum Streaming bei Anbietern wie Prime Video bereit! Der Film beruht und befasst sich mit der Lebensgeschichte der Jüdin Stella Goldschlag, die u.a. zu ihrem Vorteil als Denunziantin für die Gestapo arbeitete und untergetauchte Juden ausfindig machte.

In den Hauptrollen sind Paula Beer als Stella Goldschlag sowie Jannis Niewöhner als Rolf Isaaksohn zu sehen. Ob es sich mit Stella. Ein Leben. um eine sehenswerte Historienverfilmung handelt, die ihre Lehren aus dem einerseits zweifelhaften und dennoch teils nachvollziehbaren Verhalten von Stella Goldschlag zieht oder der Zuschauer am Ende bloss einen langatmig verfilmten Geschichtsunterricht vorgesetzt bekommt, der die Antiheldin viel zu eindimensional beleuchtet, möchte ich euch gerne in meiner heutigen Kritik verraten!

Die 17-jährige Stella, die in einer Band ist, träumt von einer Karriere als Jazzsängerin. | Bild: DCM | © Majestic/Christian Schulz

Von der Jazzsängerin zur Gestapo-Greiferin

Der Film erzählt die Geschichte der jungen Stella Goldschlag, die während der NS-Diktatur in Berlin gross wird. Die charismatische Blondine wird dabei an ihrer Schule von ihren Mitschülern hoch angesehen. Sie selbst träumt von einer grossen Karriere als Jazzsängerin, doch dieser Traum wird schon bald mit der schonungslosen Realität konfrontiert, als sie 1943 mit ihren Eltern Toni und Gerd abtauchen muss. Fortan gleicht ihr Leben einer einzigen Tortur, und sie muss mit ansehen, wie ihre Familie verraten und von der Gestapo gefasst wird. Stella selbst wird gefoltert, aber sie entschliesst sich fortan zu einem unkonventionellen Plan. Zur Rettung ihrer eigenen Haut und in der Hoffnung, ihre Eltern vor der Deportation ins KZ Auschwitz zu bewahren, verrät sie als Greiferin nun systematisch bis zum Ende des 2. Weltkriegs andere Juden und liefert letztlich hunderte davon an die Gestapo aus! Ein Teufelspakt jenseits von Moral nimmt so seinen Lauf!

Stella ist im Sammellager mit ihren Eltern gefangen und gezwungen zu handeln. | Bild: DCM | © Majestic/Christian Schulz

Das Biopic über die Antiheldin Stella Goldschlag

In der heutigen Zeit, die gefühlt für alle möglichen Persönlichkeiten aus dem Heldentum ein Biopic bereithält, ist es mal eine erfrischende Abwechslung, dass mit Stella Goldschlag auch eine Antiheldin thematisiert wird. Im direkten Kontrast zu Sir Nicholas Winton, dessen Lebensgeschichte ebenfalls erst kürzlich verfilmt wurde, ist sie ein teils erschreckendes Gegenbeispiel, das mit anderen Lebensumständen aufzeigt, wie schnell am Ende auch ein Seitenwechsel vonstattengehen kann. Und das obwohl sie doch nur sich selbst und ihre Familie retten wollte, aber dazu einen moralisch zweifelhaften Weg anwendet, der durch Folter erstmal erzwungen wird. So wird sie dann auch vom Opfer zur Täterin und später letztlich zur überzeugten Antisemitin.

Auch in der Oper wird nach untergetauchten Juden und Jüdinnen gesucht. | Bild: DCM | © Majestic/Christian Schulz

Riedhof beweist erneut inszenatorisches Feingespür

Kilian Riedhof (Homevideo, Sein letztes Rennen, Gladbeck) zeigt in seinem Historiendrama mit viel inszenatorischem Feingespür eine Geschichte auf, die abseits von Gut und Böse absolut diskussionswürdig ist. So lässt sich Stella nämlich in keine solch feste Kategorie eingliedern. Damit hält der Film zu seiner teils abgebrühten Hauptfigur auch eine gewisse Distanz, aber schafft es dennoch Stellas Gefühlsleben, Gewissensbisse und eiskalte Miene bedrückend einzufangen. Paula Beer liefert als Stella Goldschlag schliesslich eine emotional vielschichtige Schauspielleistung ab und verkörpert einerseits das Opfer, aber auch die Täterin mit einer eindringlichen Glaubwürdigkeit.

Paula Beer als Stella Goldschlag in Stella. Ein Leben
Ein Sprung ins Jahr 1957 zeigt Stella, belagert von der Presse kurz vor den Gerichtsverhandlungen. | Bild: DCM | © Majestic/Christian Schulz

Ein visuell raues Drama mit Tiefgang

Die filmische Atmosphäre ist zu Beginn noch mit vereinzelten Musikeinlagen sehr leichtfüssig gehalten und ufert schliesslich zum teils schwerverdaulichen Drama aus. Trotz seiner 2-stündigen Laufzeit ist das Biopic dabei mit vielen ereignisreichen Momenten versehen, womit der Film aus meiner Sicht fast nie langatmig erscheint. Visuell ordnet sich vor allem die Kamera dem rauen Grundton des Films an, und neben einigen ruhiger gefilmten Einstellungen erhält das Biopic mit Zooms und bewusst verwackelten Sequenzen auch einen gewissen dokumentarischen Charakter. Aufgrund des kontroversen Themas bezieht der Film darüber hinaus auch mit einem abschliessenden Resümee und zwei Zitaten von KZ-Überlebenden selbst Stellung.

Paula Beer und Benedict Neuenfels in Stella. Ein Leben
Paula Beer (Stella) wird vom renommierten Director of Photography Benedict Neuenfels bei einer der abschliessenden Szenen gründlich unter die Linse genommen. | Bild: DCM | © Majestic/Christian Schulz

Mein Fazit zu Stella. Ein Leben.

Stella. Ein Leben. ist ein wichtiges Historiendrama, dass einmal mehr die Komplexität hinter Stellas Handeln unter Beweis stellt und damit auch zum Nachdenken anregt. Schauspielerisch, aber auch visuell kann der Streifen dabei absolut punkten und schafft es, die Beweggründe einer solchen Entscheidung glaubhaft darzulegen. Der mutige Film stellt somit in heutigen Zeiten, die leider wieder vermehrt rechtes Gedankengut befördern, umso mehr eine eindringliche Warnung dar, denn so etwas darf schliesslich nie wieder passieren!

Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.