Albrecht Schuch als James Larkin White und Marius Ahrendt in Stiller

Stiller: Albrecht Schuch brilliert in neuer Bestseller-Verfilmung

Seit heute läuft Stiller in den schweizerischen und deutschen Kinos. Bereits im September feierte das Drama seine Schweizer Premiere am 21. Zurich Film Festival. Es ist der neueste Film von Stefan Haupt (Der Kreis) und mit Albrecht Schuch, Paula Beer, Max Simonischek oder Stefan Kurt prominent besetzt. In der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Max Frisch erleben wir eine aufwühlende Geschichte eines verschollen geglaubten Mannes mit. Ist sie gelungen?

Interview mit den Darstellern Albrecht Schuch und Sven Schelker

Im Rahmen der Schweizer Premiere am 21. Zurich Film Festival haben wir die Schauspieler Albrecht Schuch und Sven Schelker zum Interview getroffen. Hier erfahrt ihr, wie es war, die gleiche Rolle zu teilen und warum Romanverfilmungen für Schauspieler anspruchsvoll zum Drehen sind.

Spoilerhinweis: Der Artikel enthält keine Spoiler zu Stiller.

Wer ist dieser Mann?

Zürich, in den 50er-Jahren: Ein Mann wird im Zug angehalten und aufs Polizeirevier gebracht. Obwohl er sich als James Larkin White (Albrecht Schuch) ausweist, soll er der verschollene Künstler Stiller sein. Dieser soll vor sieben Jahren an einem politisch motivierten Verbrechen beteiligt gewesen sein und soll nun zur Rechenschaft gezwungen werden. Mit amerikanischem Akzent versucht James seine Identität zu beweisen und redet sich um Kopf und Kragen. Pflichtverteidiger Dr. Bohnenblust (Stefan Kurt) lässt Stillers Frau Julika (Paula Beer) holen und versucht mit einer Gegenüberstellung die Wahrheit zu erfahren. James scheint sie nicht zu kennen und trotz heftigem einreden und Vorwürfen kann Julika nicht viel erwirken. 

Max Simonischek Stefan Kurt und Paula Beer aus Stiller
Julika Stiller wird von Bohnenblust (r.) und Staatsanwalt Rehberg (l.) beraten. | Bild: © 2025 Ascot Elite Entertainment

Nach dem Gespräch zweifelt sie selbst. In mehreren Rückblenden erfährt der Zuschauer mehr über die gemeinsame Vergangenheit von Stiller (Sven Schelker) sowie Julika. Wie Julika ihre Profiballerina-Karriere aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste und Stiller mit sich selbst und um Anerkennung kämpfte. Bohnenblust erlaubt Julika, Zeit mit dem Inhaftierten zu verbringen und so lernen sich die beiden besser kennen. Währenddessen versuchen Bohnenblust , die Behörden und Staatsanwalt Rehberg (Max Simonischek) alles, um die grosse Frage zu beantworten: Ist James der gesuchte Stiller?

Eines vorab: Ich habe den gleichnamigen Roman von Max Frisch nicht gelesen, in der Schulzeit und für die Literaturanalyse haben es mir stattdessen die Werke von Friedrich Dürrenmatt (Der Besuch der alten Dame, Die Physiker oder Frank der Fünfte) angetan. Demzufolge kann ich keinen Vergleich zur Vorlage ziehen und ausschliesslich den Film Stiller beurteilen.

Stefan Kurt als Dr. Bohnenblust und Paula Beer als Julika
Dr. Bohnenblust empfängt Julika Stiller. | Bild: © 2025 Ascot Elite Entertainment.

Von Identitätsproblemen und Selbstfindung

Interessant an Stiller ist, dass zu Beginn des Films die Vermutung nahelegt, es könnte sich hier um einen Thriller handeln. Dabei entwickelt sich die Story vielmehr zu einem komplexen Psychogramm. So handelt der Film von Identitätsproblemen, Minderwertigkeitskomplexen und Selbstfindung der Figur Anatol Stiller. Gerade wenn Paula Beers Julika vom nächsten Schritt in ihrer Ballerina-Karriere spricht, merkt man das dem von Sven Schelker verkörperten Stiller deutlich an. Er hadert mit seinen Gefühlen und man merkt, wie er sich als Künstler alle Mühe gibt, seinem Selbstbild gerecht zu werden. Alleine das macht Stiller sehr sehenswert.

Paula Beer als Julika und Sven Schelker in Stiller
Anatol und Julika halten zusammen – egal was kommt? | Bild: © 2025 Ascot Elite Entertainment.

Hammerschauspiel vom Cast macht Stiller aus

Albrecht Schuch, der bereits vier Lolas (Deutscher Filmpreis) im Regal stehen hat, holt aus seiner Rolle alles heraus und spielt den verwirrten und innerlich zerrissenen James Larkin White fantastisch. Auch der amerikanisch-deutsche Akzent klingt überaus glaubhaft. (Russel Crowe hätte sich diesbezüglich für seine Hermann Göring-Darstellung in dem ebenfalls am ZFF gezeigten Nuremberg gut ein Vorbild nehmen können, aber dazu kommen wir ein andermal.) Mit Schuch fühlt man mit, selbst wenn er an manchen Stellen im Film nur etwas erzählt.

So gibt es beispielsweise eine Szene, in der die Figur White erzählt, was sie in Amerika für wilde Geschichten erlebt hat. Ohne dass das gezeigt wird, hängt man derart an Schuchs Lippen, dass die Bilder in der eigenen Fantasie entstehen. In den Rückblenden wird Stiller von Sven Schelker dargestellt, den viele aus Bruno Manser – Stimme des Regenwaldes oder Und morgen seid ihr tot kennen. Auch er kann der Romanfigur mit seiner Darstellung Verzweiflung und Selbstzweifel wunderbar einhauchen. Auch Paula Beer ist in ihrem dezenten Spiel perfekt für die Rolle der Julika besetzt. 

Stefan Kurt als Dr. Bohnenblust und Regisseur Stefan Haupt am Set von Stiller
Regisseur Stefan Haupt (r.) bespricht die nächste Szene. | Bild: © 2025 Ascot Elite Entertainment. All Rights Reserved.

Mein Fazit zu Stiller

Obwohl der Film richtig gute Thriller-Vibes versprüht, ist er mir persönlich ist er mir ein bisschen zu hektisch inszeniert. Die Rückblenden sind zwar für die Erklärung der gegenwärtigen Handlung essenziell, jedoch muss man als Zuschauer zuerst die Logik der unterschiedlichen Rückblenden begreifen, bevor man den Film geniessen kann. Das trübt das Seherlebnis ein bisschen. Dank dem eindrücklichen Schauspiel des Cast ist Stiller ein wahrer Genuss. Das Hauptdarsteller-Trio Albrecht Schuch, Sven Schelker und Paula Beer harmoniert gut und damit ist Regisseur Stefan Haupt ein grosser Coup gelungen.

Aber wie gut ist nun die filmische Romanumsetzung? Wie bereits erwähnt, kenne ich den Roman nicht und kann keine Parallelen dazu ziehen oder überhaupt sagen, ob der Streifen eine gelungene Romanadaption als solches ist oder nicht. Wahrscheinlich würde sich meine Meinung nach der Lektüre ändern. Vielleicht aber auch nicht, denn ich beurteile ja den Film und nicht das Buch. Schliesslich lautet mein Nachname Schmid und nicht Reich-Ranicki.