Wer Superhelden mag und nicht nur auf Netflix streamt, dürfte 2019 über eine Serie namens The Boys gestolpert sein. Im ersten Moment sieht die Amazon-Produktion wie ein weiterer, unspektakulärer Beitrag zum Genre der Superhelden aus. Doch spätestens, wenn man sich den Trailer anschaut, hat man den Eindruck, dass hier etwas nicht stimmt. Irgendwie vermittelt einem der kurze Clip den Eindruck, als wären Superhelden nun plötzlich die Bösen.
Aber schaut am besten gleich selbst:
Was wäre wenn
Ganz so einfach ist es natürlich nicht, denn in The Boys sind Superhelden nun keineswegs plötzlich die Bösen. Vielmehr sind sie nun einfach Menschen. Das klingt jetzt erstmal banal, denn schliesslich sind das auch Captain America und Co, doch wenn wir ehrlich sind, sind diese ganzen Marvel- und DC-Charaktere einfach zu perfekt. Selbst Toni Stark, der ein Poser ist und Alkoholprobleme hat, ist im Grund ein guter Kerl. Marvel, DC und viele andere Superheldenfilme zeigen uns eine verklärte Welt, in der Superhelden trotz ihrer Schwächen schlussendlich immer das Richtige tun.
In The Boys ist das anders. Hier sind wir in einer Welt, die man am ehesten mit den X-Men-Filmen vergleichen könnte. Gewisse Menschen haben aussergewöhnliche Fähigkeiten, die sie nach aussen hin für das Gute einsetzen. Doch blickt man hinter die Kulissen merkt man schnell, dass alles nur ein einziges Big Business ist. „Sups“, wie sie in der Serie genannt werden, sind die neuen Superstars, die bei Firmen unter Vertrag stehen und zu einem Milliardenbusiness geführt haben.
Der grösste Konzern auf diesem Gebiet ist Vought, welche die bei der Bevölkerung legendären Seven unter Vertrag hat. Die Seven sind sozusagen die Avengers, die Justice League dieser Serie. Sie sind zur Stelle, wenn es irgendwo brenzlig wird und gleichzeitig auch die Aushängeschilder aller Superhelden. Dass sie dabei Milliarden durch Merchandising und Filme generieren, ist natürlich ein praktischer Nebeneffekt.
Satire bis ins kleinste Detail
In dieser Welt aus Superhelden, die von Grosskonzernen gelenkt werden, breitet The Boys eine Geschichte aus, in der so ziemlich alle ihr Fett wegkriegen. Das fängt nur schon bei simplen Dingen an, die man sich regelmässig bei Filmen à la Marvel und DC fragt. Zum Beispiel, was eigentlich mit den ganzen Kollateralschäden, welche Superhelden mit ihren Kämpfen verursachen, geschieht. Klar, Captain America: Civil War hat das im Ansatz versucht zu beantworten, doch ist es erst The Boys, welche diese Frage konsequent weiter erforscht. Es ist dann auch diese Frage, welche die Ausgangslage der Geschichte ist: Die Freundin von Hughie wird aus Versehen durch einen Superhelden der Seven getötet. Vought tut das ganze als tragischen Unfall ab, doch Hughie sinnt auf Gerechtigkeit. Diese will ihm Billy Butcher geben, der es sich zum Ziel gemacht hat, Sups – und im Speziellen die Seven – zu töten.
The Boys ist dabei von A bis Z eine Satire auf alle bisherigen Superheldengeschichten, aber auch unsere und im Speziellen die US-Gesellschaft. Da wäre zum Beispiel Homelander, der Anführer der Seven, der ein einziges Patriotismus-Klischee ist. Eigentlich kann man einen Superhelden, der als Cape die US-Flagge hat kaum ernst nehmen, dennoch hinterfragt in der Serie niemand dieses lächerliche Kostüm. Denkt man kurz darüber nach, merkt man aber schnell, dass es eben genau so ist, wie unsere Gesellschaft tickt. Noch heute bedienen wir uns an Klischees und transportieren diese von Generation zu Generation. Wie oft sieht man anhand billiger, plakativer Werbung, dass die offensichtlichsten Werbebotschaften noch immer funktionieren?
The Boys macht sich dabei selbst in Details über Marvel und DC, unsere Gesellschaft oder den Kapitalismus lustig und kritisiert ihn. Auf der Seite der „Guten“ wäre da beispielsweise Billy Butcher, der allein mit seiner Namensgebung eine DC-Parodie ist. Oder beim Superhelden The Deep, der oberflächlicher nicht sein könnte. Selbst das Intro dieser Serie ist eine Parodie auf Marvel, auch wenn einem das erst im Laufe der ersten Folge bewusst wird. Daher ist The Boys auch keine Serie, die man mal eben nebenbei schauen kann. Wer denkt, auf dem Smartphone rumtippen zu können, wird die besten Gags verpassen, denn diese sind oft sehr subtil.
Andere Reviews:
- The Witcher wird seinen hohen Erwartungen nicht gerecht
- V Wars hat einen interessanten Ansatz, verschenkt aber sein Potenzial
Noch nie war es schöner, Superhelden zu hassen
Wer The Boys schaut, wird den Nimbus der Superhelden, den das Marvel Cinematic Universe in den letzten zehn Jahren aufgebaut hat, bald bröckeln sehen. Vor allem Homelander, der eine Art Mischung aus Superman und Captain America ist, macht seine Arbeit dabei grossartig. Im Laufe der nur acht Folgen werdet ihr lernen, ihn aus tiefstem Herzen zu hassen. Dass das so ist, liegt vor allem auch an dessen Darsteller Antony Starr. Der Neuseeländer spielt die verschiedenen Seiten von Homelander so nuanciert und überzeugend, dass man ihm die Rolle in jedem Moment abnimmt. So schafft er es teilweise nur schon mit seinem überheblichen Blick, eine Welle des Hasses in einem auszulösen. Homelander wir durch Starr zu einem richtigen Unsympath, der sich von all den 08/15-Bösewichten der Superheldenfilme abhebt.
Kritik muss aber auch sein
Möchte man an der Serie etwas kritisieren, ist es die teilweise etwas vorhersehbare Geschichte. Grundsätzlich hat das Autorenteam wirklich gute Arbeit geleistet. Dennoch gibt es mindestens einen Handlungsbogen, bei dem man sich fragt, ob der jetzt wirklich so hätte verlaufen müssen. Allerdings ist die Serie in seiner Gesamtheit so überzeugend, dass man gerne über diese kleine Schwachstelle hinwegsieht.
Fazit zu The Boys
The Boys ist ein wundervoller Tripp in eine nicht ganz so heile Welt der Superhelden, der bis zum Schluss grandios unterhält. Obwohl der Trailer einen anderen Eindruck erweckt, ist die Serie nicht ein einziges blutiges Gemetzel – zum Glück. Die Serie macht vor allem Spass, da sie das Image der perfekten Superhelden in den Dreck zieht und uns zeigt, wie eine Welt mit Superhelden tatsächlich aussehen könnte: dreckig, unehrlich und überhaupt nicht sicherer.
The Boys umfasst aktuell eine Staffel und läuft auf dem Streaming-Dienst Prime Video von Amazon. Die zweite Staffel läuft voraussichtlich Mitte 2020 an.
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