Kritik The Witcher: Die Serie wird den hohen Erwartungen nicht gerecht

Bereits letzten Samstag hatte ich euch eine erste Kritik zu der neuen Netflix-Serie The Witcher geliefert und meinen ersten Eindruck zu den ersten vier Folgen geschildert. Nun habe ich alle Episoden gesehen und bin zu einem abschliessenden Fazit gelangt. Konnten meine Erwartungen erfüllt werden?

Es reicht nicht für die Game of Thrones-Liga

Leider ist es so, dass The Witcher es bezüglich erzählerischer Dichte nicht mit Game of Thrones aufnehmen kann. Damit ist das Unterfangen, das Erbe der HBO-Serie anzutreten, gescheitert. The Witcher schafft es einfach nicht, in einem Bereich wirklich eine dichte Atmosphäre aufzubauen. Monster? Gibt es schon, aber irgendwie wird das fast nur am Rande behandelt. Dafür legt die Serie ihr Augenmerk mehr auf den Kampf der Königreiche und Magier untereinander.

Diese Intrigen und politischen Ränkespiele leiden aber darunter, dass sie sehr rasch gesponnen werden. Ohne Vorkenntnisse aus den Büchern hat man nie wirklich einen Überblick über die politische Welt von The Witcher. Ja, es ist klar, es gibt das Übermächtige Nilfgaard und das ehemals glanzvolle Cintra – aber alle anderen Königreiche bleiben blass.

Man erfährt kaum etwas über die Motovation der verschiedenen Charaktere. Warum tun sie was sie tun? Diese einfachen Dinge werden teilweise kaum erklärt. Mag sein, dass Kenner der Bücher oder Games das wissen, aber alle anderen bleiben aussen vor.

The Witcher Kritik
Gruselige Szenen spielen sich im Moor ab. | Bild: Netflix

Eine Welt bleibt fremd

Auch bei der geographischen Etablierung der Welt versagt die Serie. Bis man das erste Mal eine Karte zu sehen kriegt und eine vage Vorstellung hat, wie der Kontinent beschaffen ist, vergehen acht Folgen. Damit befindet man sich also in der letzten Episode. Bis dahin versucht man schon fast verzweifelt, etwas mit den ganzen Königreichen und Ortsnamen anzufangen, die man präsentiert bekommt. Auch hier hat Game of Thrones es besser gemacht und uns bereits im Intro eine Karte für die Orientierung geschenkt. Das hätte bei The Witcher auch nicht geschadet – aber klar, man kann da natürlich nicht so dreist kopieren. Dennoch: Wie soll ich beispielsweise den Frust der anderen Königreiche über Cintra und deren Abschottung nachvollziehen, wenn ich keinerlei Infos darüber habe, warum das nun so ein grosses Problem ist? War Cintra ein wichtiger Handelspartner? Haben sie Bündnisse nicht eingehalten? Sowas muss man erklären!

Auch bei der Etablierung der gesamten Mythologie hätte ich mir etwas mehr gewünscht. So ist klar, dass es einen Magierrat gibt. Allerdings ist unklar, was dieser genau bezweckt, wie er zusammengesetzt ist und wer welche Interessen verfolgt. Irgendwie scheinen männliche und weibliche Magier auch separat ausgebildet zu werden und in Konkurrenz zueinander zu stehen. Ein genaues Bild der Situation erschliesst sich einem aber nicht.

Ritter aus The Witcher
Was diese Ritter wohl vorhaben? | Bild: Netflix

Dann wären da noch die anderen Völker, die geradezu stiefmütterlich behandelt werden. So wirkten die Elfen in ihren Höhlen schon fast wie Cosplayer denn wie graziele Wesen, wie beispielsweise in Der Herr der Ringe. Und die Zwerge? Nun, ich weiss nicht, ob es wirklich eine gute Idee war, hauptsächlich Kleinwüchsige dafür zu casten. Vor allem, wenn sie dann stumm bleiben oder nur für derbe Witze verbaten werden.

Das hat dann auch dazu geführt, dass ich gewisse Momente als sehr trashig empfunden habe. Tatsächlich kam mir spontan die Serie Herkules in den Sinn, die ich als Kind wirklich geliebt habe. The Witcher ist visuell natürlich hochwertiger, aber erzählerisch leider häufig eher holprig denn packend.

Henry Cavil aus The Witcher
Der Star der Show: Henry Cavill als der Hexer. | Bild: Katalin Vermes / Netflix

Das Highlight bleibt Henry Cavill

Positiv in Erinnerung bleibt am Schluss vor allem Hauptdarsteller Henry Cavill. Er mimt den Hexer wirklich sehr überzeugend, vor allem, da er textlich nicht sehr viel Spielraum hat. Man merkt richtig, dass Cavill sich in die Darstellung des Weissen Wolfes reingehängt hat. Für mich blieb das aber leider das einzige Highlight. Weder konnte mich eine andere Figur mitreissen, noch die Welt, die Netflix mit The Witcher vor mir ausgebreitet hat. Schade.

Meine Kritik zu The Witcher

Netflix hatte mit The Witcher grosse Ambitionen. Schlecht ist die Serie nicht, aber mehr als Mittelmass liegt meiner Meinung nach leider nicht drin. Visuell ist sie top, erzählerisch aber eher nicht. Viele Hintergründe bleiben dem Zuschauer verborgen, während die Story teilweise in einem immensen, lückenhaften Tempo voranschreitet. Immerhin driftet die Serie nicht ganz in einen 0815-Plot ab, worüber man fast schon froh sein muss. Damit kann The Witcher den grossen Erwartungen aber nicht gerecht werden und ist höchstens ein durchschnittliches Fantasy-Spektakel. Die zweite Staffel, die bereits bestätigt ist, muss hier definitiv einiges besser machen. Da bin ich gespannt, ob meine Kritik zu The Witcher dann anders ausfallen wird.