Scarlett Johansson aus Black Widow

Kommt Black Widow 5 Jahre zu spät?

Black Widow läuft momentan im Kino und ist der erste veröffentlichte MCU-Film nach geschlagenen zwei Jahren. Ich weiss nicht was schwieriger zu glauben ist, dass zwei Jahre kein einziger Marvel-Film kam oder, dass Avengers: Endgame schon zwei Jahre her ist. Als Marvel gesagt hat, es gäbe einen Film mit einer weiblichen Superheldin, waren viele der Meinung, es handle sich dabei um Black Widow. Doch Carol Danvers als Captain Marvel spaltete kurzerhand die Fangemeinde. Fast drei Jahre später kommt nun Black Widow; doch hat sich mein Besuch im Kino gelohnt?

Spoilerwarnung: Dieser Artikel enthält leichte Spoiler zu The First Avenger: Civil War und Avengers: Endgame.

Meine Erwartungen an die Rückkehr ins Kino

Natasha Romanoff gehört zu den sechs Ur-Avengers und ist seit dem zweiten Teil von Ironman dabei. Höchste Zeit, dass sie endlich ihren eigenen Film kriegt. Sie hat so viele entscheidende Momente mitgeprägt und somit war sie schon immer eine der wichtigsten und beliebtesten Figuren des MCU. Dementsprechend waren meine Erwartungen sehr gross. Vor dem Film wusste ich jedoch nicht so recht, worauf ich mich einlasse, darum war ich sehr gespannt, was auf mich zukommt.

Das grosse Wiedersehen mit der Familie

Der Film beginnt mit einer sehr schönen, klischeehaften Vorstadtfamilie. Ausser vielleicht Natasha mit ihren blauen Haaren, aber der Rest wirkt sehr normal. Natasha lebte mit ihrer Schwester und ihren Eltern Alexei und Melina Shostakov in Ohio. Das Familienleben scheint idyllisch, bis Alexei Shostakov mit der Familie vor Shield flüchten muss. In Kuba angekommen, wird die Familie getrennt, der Prolog endet und der Hauptfilm beginnt. Die Kinder geraten in die Machenschaften des skrupellosen Dreykov, der sie in das «Black Widow-Programm» einführt, und so werden sie im Red Room zu systematischen Kriegerinnen ausgebildet. Wie wir wissen, konnte Natasha flüchten, wird Shield-Agentin und späteres Mitglied der Avengers.

Man realisiert schnell, wie weit das «Black Widow-Programm» des KGBs (Sovjetischer Geheimdienst) gefächert ist und wie tief diese Mädchen in die Geschichte eingeschleust wurden. Gut 20 Jahre später treffen wir auf die inzwischen erwachsene Yelena, die kleine «Schwester» von Natasha. Wegen einer missglückten Verfolgung wird sie wieder sie selbst, und man erfährt das Geheimnis des Red Rooms. Natasha ist auf der Flucht vor der US-Regierung und Yelena auf der Flucht vor dem KGB. Wie es der Zufall will, treffen sie aufeinander und vereinen die Familie noch ein letztes Mal. Es fühlt sich an, wie bei den Avengers oder der Justice League, wo man von Ort zu Ort ging, um ein Team zusammenzustellen.

Scarlett Johansson und Florence Pugh aus Black Widow
Natasha und Yelena kämpfen Seite an Seite. | Bild: Marvel Studios. All Rights Reserved.

Ist Black Widow der Film, der fünf Jahre zu spät kommt?

Black Widow knüpft an The First Avenger: Civil War an, man spürt, wie tief Nat’s Wunde noch ist. Sie ist auf der Flucht, doch das spürt man für meinen Geschmack zu wenig. Auch wenn am Anfang noch der Fokus darauf gelegt wird, dass General Ross sie sucht, geht dies je länger je mehr vergessen. Nur am Schluss wird diese Tatsache nochmals ins Leben gerufen, dass ihr eigentlich der Aussenminister auf den Fersen ist. Man sieht und hört immer wieder mal Referenzen zu den Geschehnissen von The First Avenger: Civil War und wir erfahren endlich mehr über Budapest. Viele andere Abenteuer, die Natasha auf der Kinoleinwand erlebt hat, werden wieder in unser Gedächtnis geholt.

Wenn der Film vor fünf Jahren rausgekommen wäre, hätte man einen schönen Einblick in das Leben und die Probleme gehabt, die auf der Flucht von Natasha passieren. Auch von den anderen Avengers weiss man nicht, was in diesen zwei Jahren geschah. Dank Avengers: Endgame weiss man ja, wie es mit Natasha Romanoff endet und deswegen hat dieser jetzige Film keine Bedeutung. In der Tat ist der Film bedeutungslos, da wir das Ende der Agentin schon kennen. Doch wäre er früher veröffentlicht worden, hätten wir noch einen tieferen Einblick bekommen und Verständnis für die grandiose Black Widow und ihre Vergangenheit entwickelt. Die Verbundenheit wäre um einiges grösser gewesen.

David Harbour als Alexei aus Black Widow
Red Guardian hat einen tollen Auftritt in Black Widow. | Bild: Marvel Studios. All Rights Reserved.

Der unglaubliche Cast von Black Widow

Scarlett Johansson blüht in ihrer Rolle als Black Widow wie bereits seit 10 Jahren auf. Auch wie der Film neue Figuren einführt, ist grandios. Die Ziehschwester von Nat, Yelena, gespielt von Florence Pugh, ist eine gute Auflockerung. Mit viel Witz, aber auch mit sehr ernsten Szenen, begeistert sie mit ihrem Können – vor allem, als sie Natasha leicht ironisch ins Lächerliche zieht und jeder im Kino gedacht hat: «Sie hat sowas von Recht.» Aber nicht nur die zwei «Black Widows», sondern auch David Harbour als Red Guardian und Vater Alexei hatte oft seine guten Szenen. Auch wenn seine Witze manchmal zu trocken und zu gestellt wirkten, konnte man auch ihn ernst nehmen. Seine Abneigung gegenüber seinem amerikanisches Pendant Captain America ist unübersehbar, doch er bringt es mit Charme und gut verpacktem Humor rüber, sodass man es ihm nicht übel nehmen kann. David Harbour blüht wie bereits in Stranger Things als vielsichtiger Vater auf – als jemand, der Herz und Muskeln verbindet. Die Mutter von Natasha und Yelena, gespielt von Rachel Weisz, hat vor allem zu Beginn ihre guten Szenen.

Ich glaube, viele Marvel-Fans haben auf ihn gewartet: Den Taskmaster. Ein Bösewicht, der den Kampfstil des Gegners kopieren kann. Die Figur wird eingeführt und das Netz ist gespalten. Woran liegt das? Wie schon so oft, wurde eine Figur überarbeitet und mit Fähigkeiten und Charakterzügen von anderen gemischt. Ich persönlich empfinde ihn als einen starken Charakter, der überraschend tiefgründig ist, doch viele Leute wurden vom Taskmaster enttäuscht.

Actionszene aus Black Widow von Mavel
Gut choreografierte Action-Szenen machen den Film aus. | Bild: Marvel Studios. All Rights Reserved.

Von General Ross (William Hurt) hätte ich mehr erwartet. Seine bedrohliche Art, die wir von allen vorherigen Filmen kannten, kam nicht rüber. Er war nur kurz zu sehen und der einzige Grund, weshalb er im Film dabei war, war, dass er in The First Avenger: Civil War Natasha zu suchen begann. Auch Dreykov (Ray Winstone) der Antagonist, ist in einigen Momenten zu klischeehaft und daher schlecht zu begreifen. Seine Motive sind nur oberflächlich erklärt, was dem Film an Spannung nimmt. Er ist böse und seine Taten auch, doch mir fehlt bei ihm der Tiefgang.

Es braucht nicht immer Aliens

Der Film ist definitiv ein actiongeladener Spionage-Streifen. Die Kampf-Szenen waren grossartig inszeniert, doch zum Teil zu schnell zusammengeschnitten, so dass man fast den Überblick verliert, wer wo wie zugeschlagen hat. Black Widow erinnert an den zweiten Teil der Captain America-Trilogie, The Return of the First Avenger. Es gibt keinen grossen Kampf, keine Aliens und schon gar nicht genetisch verändertes Material. Was diese Filme verbindet, ist, dass nur Agenten gegen Agenten kämpfen. Als erster Film der Phase 4 im Marvel Cinematic Universe muss er liefern, und das tut er. Es ist nicht klassisches MCU-Gelaber und es gibt keine intergalaktischen Kriege, da der Film zu den Wurzeln des Franchise zurückkehrt. In der jetzigen Zeit, wo das Multiversum immer näherkommt, ist es schön zu sehen, dass Marvel doch auch einfache Filme machen kann. Es braucht nicht immer eine bombastische Schlacht oder Aliens.

Der Film verbindet echte Tatsachen mit der Story von Black Widow und könnte das nicht besser tun. Black Widow überzeugt mit seiner Leichtigkeit und Bodenständigkeit sowie Musiktitel, die gut eingesetzt wurden und uns neue Ohrwürmer verpassen. Leider hat der Film keine grosse Gewichtung, da, wie schon erwähnt, das Ende von Romanoff bereits feststeht. Der Spannungsbogen war nicht allzu gross, da einige Figuren zu einseitig dargestellt wurden und man weiss, dass Nat und andere den Film überleben müssen, da sie in späteren Verfilmungen vorkommen werden. Die Post-Credit-Szene enttäuscht mich. Für meinen Geschmack hätte man so eine Figur wie Natasha Romanoff, die seit über 10 Jahren einen Platz in unseren Herzen hat, viel grösser würdigen sollen und wer die neuen MCU-Serien geschaut hat, wird beim Schauen des Filmes einen kleinen Schockmoment erleben. Dennoch ist der Streifen ein gelungener Startschuss in die 4. Phase des grössten Film-Franchises der Filmgeschichte.