Seit dem 9. März 2023 läuft mit Die Fabelmans der neueste Film von Steven Spielberg in den deutschen Kinos. Das autobiografisch geprägte Coming-of-Age-Filmdrama gehört dabei schon jetzt zu den wichtigsten und persönlichsten Werken in der Vita des Filmemachers. Dies, da Steven Spielberg seine eigene Kindheit und Jugend in diesem Film erzählt und verarbeitet. Zudem ist Die Fabelmanns für 7 Oscars nominiert, darunter in den Kategorien bester Film und beste Regie. In den Hauptrollen sind Mateo Zoryan und Gabriel LaBelle als Sammy sowie Michelle Williams und Paul Dano als Eltern zu sehen.
Das Leben der Spielbergs – in Gestalt der Fabelmans
In den 50er Jahren wächst Sammy Fabelman mit seiner Familie in New Jersey auf. Dort geht es oft ein bisschen chaotisch zu. Während sein Vater Burt als Computeringenieur vertieft in seiner Arbeit steckt und nicht allzu oft nachhause kommt, ist seine Mutter Mitzi eine gescheiterte Künstlerin. Sie hätte gerne beruflich die Bühnen der Welt als Klavierspielerin bereist, doch schliesslich wurde sie Mutter.
Zu Beginn offenbart der Film die ersten Berührungspunkte von Sammy mit der Welt des Kinos, als ihn seine Eltern dazu überreden sich gemeinsam den halbdokumentarischen Spielfilm Die grösste Schau der Welt (1952) von Cecil B. DeMille anzusehen. Gleichermassen paralysiert aber auch beeindruckt von diesem Film beschliesst Sammy anschliessend eine der beeindruckenden Actionszenen zuhause mit einer Modelleisenbahn nachzustellen. Sammy möchte dabei vor allem herausfinden, wie dieser Effekt ursprünglich zustande kam. Nach einem gescheiterten Versuch und einem wütenden Vater, inspiriert ihn allerdings erst seine Mutter Mitzi diese Szene mit einer Super 8-Kamera seines Vaters festzuhalten. Dies, um die Szene anschliessend analysierend beobachten zu können, anstatt die Züge durch mehrmalige Versuche kaputtzumachen.
Die Mutter schwärmt, der Vater missbilligt
Angeregt durch dieses inspirierende Ereignis wird von nun an so gut wie jede Idee zu einem Film verarbeitet und alle möglichen Alltagsgegenstände dafür eingesetzt. Während die Mutter dabei aufgrund ihrer eigenen künstlerischen Interessen von der Kreativität ihres Sohnes begeistert ist, streitet der Vater sein Hobby vorerst nur als unwichtige Spielerei ab; wenngleich er auch vom erfinderisch experimentierenden Geist seines Sohnes fasziniert zu sein scheint. Mit zunehmendem Alter werden Sammys Filme vor allem in seinen Jugendjahren immer grösser. Er lässt, nachdem zu Beginn hauptsächlich seine Schwestern Teil seiner ersten filmischen Amateurversuche wurden, auch einige Statisten anreisen, die dann zum Beispiel Teil eines Westernfilms werden. Die Filme werden schliesslich in einem kleinen Kinosaal vor einem ausgewählten Publikum und vor allem den mitwirkenden Darstellern vorgeführt.
Während Sammy so vor allem als Regisseur die kreative Kontrolle über seine Werke ausüben kann, hat er schon bald mit familiären Konflikten zwischen seinen Eltern zu kämpfen. Auch innerhalb seiner Schullaufbahn muss er sich immer wieder seiner jüdischen Identität stellen und sich gegen antisemitische Äusserungen, die bis zur Androhung und Ausübung von Gewalt gegen ihn ausufern, zur Wehr setzen. Doch auch hier kann er schon bald mit entscheidenden Impulsen als angehender Filmemacher einen wichtigen Kontrast setzen. Eine filmische Reise nimmt von nun an ihren unaufhaltsamen Lauf in Richtung seiner Idole.
Die Fabelmans ist Spielbergs Biopic
Mit Die Fabelmans gelingt Steven Spielberg ein filmischer Meilenstein innerhalb seines Spätwerks. Verpackt in grossartig komponierten Bildern, die ausschliesslich im Kino ihre atemraubende Pracht entfalten, zelebriert damit einer der grössten Regisseure seine Kindheit und Jugend. Dabei schreckt Spielberg auch nicht davor zurück, traumatische Ereignisse emotional auszuleuchten und mit visuell starken Bildern aufzuwerten. Es ist vor allem der Fokus auf die emotionalen und konfliktreichen Untertöne, die den Treibstoff dieses Biopics ausmachen. Aus ihnen entstand schliesslich ein künstlerisch gereifter Regisseur, der mit seinen vielen Filmklassikern untrennbar mit der Filmlandschaft verbunden steht.
Erzählerisch gelingt Spielberg so ein Film über sein Leben, dessen vereinzelte Längen man ihm gerne gerade wegen seiner packenden Erzählweise verzeiht. Die Fabelmans nimmt sich einfach alle Zeit der Welt, um den emotionalsten Momenten den gebührenden Platz zu geben und ebenso mit vielen Anspielungen aus seinem Hollywood Kosmos zu brillieren. Es ist vor allem der Mix aus familiären Konflikten, aber auch das Aufarbeiten von Themen wie Antisemitismus und letztendlich die unbändige Liebe zum Film, woraus schliesslich eine Wundertüte vieler stilistischer Einflüsse entsteht.
Michelle Williams ist eine Wucht
Schauspielerisch ist hier natürlich Gabriel LaBelle als Sammy hervorzuheben, dessen Emotionen auch vor den Kontaktlinsen nicht Halt machen konnten. Das schauspielerische Highlight stellt aus meiner Sicht aber Michelle Williams dar. Sie spielt die psychisch angeschlagene Mutter mit all ihren zur Verfügung stehenden emotionalen Facetten. Darüber hinaus sind Judd Hirsch als Onkel Boris mit seinem Overacting sowie David Lynch als John Ford weitere, teils schauspielerisch komödiantische Höhepunkte des ansonsten zum Grossteil auch als Drama ausgelegten Films. So viel Drama Die Fabelmans auch offenbart, ist nach wie vor auch Spielbergs grosse Leidenschaft erkennbar, einen emotional packenden Film über die eigene Herkunft zu erzählen und mit gleichermassen schonungslos ehrlichen Blick die dabei entstehenden Sentimentalitäten mit jenen filmischen Mitteln, die ihn so gross machten, genüsslich auszukosten. Es ist ein handgeschriebener Liebesbrief an die unbändige Kraft der Filmsprache, mit welcher Spielberg in Reinform seine Anfänge Revue passieren lässt.
Der visuelle Filmmaterial-Mix ist hervorragend
Für die Dreharbeiten wurden verschiedene Kameramodelle benutzt. Dazu zählen die älteren Arriflex 16ST und Arriflex 416 sowie die moderne Arri Alexa Mini. Visuell erzeugt dieser Wechsel einen authentischen Gesamteindruck, der die emotional rauen Töne des Dramas unterstreicht. Die Kameraarbeit wechselt dabei zwischen unruhiger gefilmten Shots bei emotionalen Konflikten und dem Super 8-Material sowie Kamerafahrten und Nahaufnahmen, die einen ausgleichenden Kontrast zur emotionalen Unruhe beisteuern. Letztere werden vor allem eingesetzt, wenn Sammy Fabelman seiner filmischen Leidenschaft nachgeht und die Kontrolle über das Geschehen ausübt. Dabei ist der Schnitt durch sein langsames Tempo sehr atmosphärisch gewählt worden und intensiviert so die schauspielerisch emotionalen Höhepunkte des Films. Musikalisch konnte schliesslich John Williams innerhalb seiner 29. Zusammenarbeit mit Steven Spielberg eine bewegende Filmmusik mit kleinen intimen, aber auch grossen zelebrierenden Momenten beisteuern.
Mein Fazit zu Die Fabelmans
Die Fabelmans ist trotz vereinzelter Längen dank seiner stilistisch authentischen und packenden Erzählweise, der überzeugenden Schauspieler und vielen emotionalen Momenten, ein grossartiger Film, der seinem eigenen Medium ehrenvoll Tribut zollt. Vor allem ist es aber die Geschichte eines kleinen Jungen, der beeindruckt von seinen Kinoerlebnissen später zu einem der kommerziell erfolgreichsten Filmregisseure der Welt aufstieg und dessen Kindheit und Probleme, die sich ihm erstmal in den Weg stellten, universell auf viele andere Lebensgeschichten übertragbar sind. Am Ende eine Empfehlung für alle, die mit Steven Spielbergs Filmen aufgewachsen sind oder diese für sich später entdeckt haben, Teil der Filmbranche sind oder einfach auch nur eine Liebe für Filme pflegen und ihnen einen cineastischen Wert beimessen.
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
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