Heute erscheint die Literaturverfilmung Ein ganzes Leben in den Kinos. Diese basiert auf dem gleichnamigen Roman von Robert Seethaler aus dem Jahr 2014. Darin erleben wir die bewegende Geschichte des Bergbewohners Andreas Egger von seiner Kindheit bis zum hohen Alter. Nebenbei bietet der Film weitere spannende Aspekte, die wir in diesem Artikel beleuchten.
Die Lebensgeschichte von Andreas Egger zeigt Überleben, Liebe und Wandel
Der kleine Andreas Egger wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem nächsten Verwandten, dem Bergbauern Kranzstocker, aufgenommen. Allerdings behandelt er den Kleinen nicht gerade wie seinen eigenen Sohn. Vielmehr verprügelt er ihn wegen jeder Kleinigkeit, was dazu führt, dass sein Bein bricht und nicht ordentlich heilt. Trotz einem leichten Hinken wächst Andreas zu einem kräftigen Mann mit Arbeitswille heran. So verdient er sein Geld als Tagelöhner oder hilft beim Bau der ersten Seilbahn in der Gegend mit. Daneben macht er Bekanntschaft mit der schönen Serviertochter Marie, in die er sich sofort verliebt. Aus der geplanten Familie wird jedoch durch einen harten Schicksalsschlag nichts. Zudem wird Andreas in den Zweiten Weltkrieg berufen und im Kaukasus stationiert. Nach der Gefangennahme durch die Sowjets kehrt er viele Jahre später zurück und muss feststellen, dass sich seine Heimat zunehmend modernisiert hat. Wie wird er sich in diesem Umfeld zurechtfinden?
Ein ganzes Leben bietet spannende Aspekte und einen schwierigen Dialekt
Der Film bietet viele spannende Aspekte. So sehen wir einerseits einen Mann, der hart arbeitet und dadurch auf ein besseres Leben hofft, jedoch ständig Stolpersteine in den Weg gelegt bekommt. Zudem kommt er fast nicht voran, da er derart in sich gekehrt ist und durch seine Traumata nur schwer neue Beziehung aufbauen kann. Andererseits erleben wir die Wandlung eines Bergdorfes innerhalb von acht Jahrzehnten. So gibt es Elektrizität, die ersten Fernsehgeräte, eine Seilbahn oder gar schön gepflegte Strassen mit öffentlichem Verkehr zu sehen. Andreas Egger wirkt darin wie eine Art Fremdkörper, der sich dort zurechtzufinden versucht. Das von so einer Perspektive zu sehen, verbunden mit der schwermütigen Off-Stimme Eggers, macht Ein ganzes Leben sehr sehenswert.
Wo der Film spielt, erfährt der Zuschauer jedoch nicht. Im Film wird allerdings ein sehr stark betonter Akzent gesprochen. Dabei handelt es sich wohl um eine Mischung aus österreichischem, bayerischem und Tiroler Dialekt. Es dauert eine Weile, bis man den Dialekt versteht. Daher sind die ersten zehn Minuten sprachtechnisch betrachtet sehr gewöhnungsbedürftig. Vor allem dann, wenn man häufig Filme schaut, in denen ein reines Bühnendeutsch gesprochen wird.
Stefan Gorski und August Zirner brillieren als Egger
Besonders bemerkenswert ist das Schauspiel der drei Eggers. Gespielt wird er von Ivan Gustafik (8 Jahre), Stefan Gorski (18 – 50 Jahre) sowie August Zirner (60 -80 Jahre). Besonders mit Gorski und Zirner ist Regisseur Hans Steinbichler mit der Wahl dieser beiden Schauspieler ein grosser Coup gelungen. Die beiden ähneln sich von den Gesichtszügen sehr und Zirner kann die von Gorski gespielten Leiden des jungen Eggers sehr gut übernehmen. Während er auf der Leinwand zu sehen ist, merkt man, wie gezeichnet er von den tragischen Ereignissen ist.
Gorski ist während des Films natürlich am meisten zu sehen – und muss dabei allerhand durchmachen. So trägt er mehrere Kilo schwere Heuballen, seilt sich ab und bohrt Löcher in die Berge oder wird von einer Lawine verschüttet. Körperlich gesehen liefert Stefan Gorski somit alles ab, was sehr zur Glaubwürdigkeit des Charakters beiträgt. Im Interview mit uns, welches wir noch später veröffentlichen werden, erklärte er uns, wie er sich auf diese Rolle vorbereitet hatte.
Schöne Bilder und eine etwas langatmige Erzählweise
Was Ein ganzes Leben ausmacht, ist die imposante Kameraführung. So gibt es schöne Panorama-Aufnahmen von den Bergen zu sehen. Diese verleiten den Zuschauer regelrecht dazu, den Rucksack zu packen, die Wanderschuhe zu schnüren und loszulaufen. Daher lohnt es sich, den Film im Kino anzuschauen. Ein ganzes Leben schildert, so wie es sein Titel bereits verrät, das komplette Leben von Andreas Egger, verteilt auf 115 Minuten. Und das sind sehr lange 115 Minuten. Das liegt unter anderem daran, dass Andreas Egger eine sehr introvertierte, wortkarge und ruhige Figur ist. Richtig laut wird er nur, wenn er sich gegen seinen boshaften Ziehvater wendet oder beim Vorgesetzten mehr Lohn verlangt. Ausschweifende dialoglastige Szenen gibt es daher nicht. Aus meiner Sicht ist er ein bisschen zu lang geraten. Da ich den gleichnamigen Roman von Robert Seethaler nicht gelesen habe, kann ich nicht sagen, ob man etwas eventuell hätte weglassen können.
Mein Fazit zu Ein ganzes Leben
Ein ganzes Leben ist kein Actionfilm, den man sich nach einem harten Arbeitstag reinziehen kann, um abzuschalten. Er macht den Zuschauer nachdenklich und verleitet ihn dazu, die Dinge zu schätzen, die man im Leben hat. Obwohl der Streifen eine stolze Länge und zwischendurch eine gewisse Langatmigkeit aufweist, ist er dennoch sehenswert. Dies dank den unterschiedlichen oben genannten Aspekten und den schön gefilmten Panorama-Aufnahmen. Ausserdem ist es das Abtauchen in eine Zeit, die sich viele von uns gar nicht mehr vorstellen können. Kein Strom, kein fliessendes Wasser und kein Fernsehen.
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