Am 24. Juli wurde die US-amerikanische Tragikomödie The Life of Chuck in die deutschen Kinos gebracht. Seit 17. Oktober ist der Film nun auch auf Blu-ray und DVD verfügbar. Zuvor ist er bereits kostenpflichtig bei Streaming-Anbietern wie Prime Video, Sky Store oder Apple TV erschienen.
Dabei handelt es sich um eine Adaption der Kurzgeschichte Chucks Leben aus der Novellensammlung Blutige Nachrichten von Stephen King. Regie führte der King-erfahrene Regisseur Mike Flanagan, der zuvor bereits die Shining-Fortsetzung Doctor Sleeps Erwachen sowie Das Spiel adaptierte. Daneben zeichnete er sich auch für das Drehbuch, die Produktion und den Schnitt verantwortlich.
In der Hauptrolle des antichronologisch erzählten Films ist Tom Hiddleston zu sehen, während Benjamin Pajak, Jacob Tremblay und Cody Flanagan den jüngeren Chuck verkörpern. Nebenrollen haben darüber hinaus u.a. Chiwetel Ejiofor, Karen Gillan, Annalise Basso, Taylor Gordon, Mark Hamill, Mia Sara, Samantha Sloyan, Kate Siegel, Violet McGraw und Heather Langenkamp übernommen.
Doch gelingt es The Life of Chuck trotz der besonderen Inszenierung, den Zuschauer in seinen Bann zu ziehen? Oder ist die Tragikomödie am Ende nur schwer greifbares Kunstkino geworden, das sich jeglicher Massentauglichkeit entzieht?

Eine Story in 3 Akten
Erzählt wird die Lebensgeschichte von Charles «Chuck» Krantz in drei Akten. Dabei werden tiefgreifende Themen wie Vergänglichkeit, Erinnerung, Sinn und Menschlichkeit aufgegriffen. Der Film nimmt seinen Anfang oder wahlweise auch Ende in einer Welt, die wohl am Abgrund steht. Zunehmende Naturkatastrophen oder der Abbruch von Kommunikationsverbindungen bestätigen diese Annahme. Ausserdem sind überall Werbetafeln mit der Aufschrift «39 wunderbare Jahre – Danke Chuck» zu sehen. Doch wer ist dieser Mann, dem auf diesen Werbetafeln, aber auch anderswo, mit einer so grossen Geste gedankt wird? Durch die rückwärts gerichtete Erzählweise erfahren wir jedenfalls immer mehr über Chucks Leben. Man begleitet ihn Monate vor seinem Ableben, wirft einen Blick zurück auf seine Jugend, aber auch auf Kindheit, Familie und die Menschen, die ihn prägten.

The Life of Chuck wird anachronistisch erzählt
The Life of Chuck ist aus meiner Sicht ein berauschter Film, der den Zuschauer direkt in seine mitreissend inszenierte Sogwirkung zieht. Die stilistisch durchdachte Adaption greift dabei innerhalb ihrer drei Akte sowohl drei bedeutende Lebenskapitel von Chuck als auch die von wiederkehrenden Nebenfiguren auf, die mit ihm über den Film hinweg auf unterschiedlichste Weise in Berührung kommen. Die antichronologische Erzählweise des Films ist meiner Ansicht nach keinesfalls störend, sondern fördert die Neugierde des Zuschauers, der am Ende mit einer wundersamen Geschichte über das Leben und die Vergänglichkeit belohnt wird.
So lebensbejahend ein entscheidender Teil des Films inszeniert ist, gibt es auch deutlich dramatische und besonders tiefgründige Momente. Wie die Figur Chuck selbst sind es diese Vielheiten, die diesen Film ausmachen. Neben seiner kraftvollen Lebensgeschichte ist es aber auch die letzte Energie des sterbenden Geistes, die der Film mit Metaphern aus tiefspirituellen, aber auch philosophischen Gedankengängen vollzieht. Begleitet wird der Film dabei auch von einem unterschwellig-melancholischen Humor. Diese Herangehensweise macht den Film für das mainstreamverwöhnte Massenpublikum besonders und damit nicht immer attraktiv.

Mix aus Philosophie und Tanz
Besonders erwähnenswert für Freunde dieses Ansatzes ist allerdings die philosophisch tiefgründig inszenierte Szene über das Gedankenexperiment vom kosmischen Kalender des Astronomen Carl Sagan aus Akt 3. Der Gedanke, die Zeitrechnung innerhalb eines Jahres zu visualisieren, macht die ansonsten schwer vorstellbare Zeit unseres Universums vom Urknall bis zu unserer Gegenwart greifbarer und vermittelt dieses komplexe Thema im Film mittels leichtfüssiger Sprache. Hierbei steht vor allem der emotionale Zwischenton der Figuren im Auge der drohenden Apokalypse im Fokus.
Das grosse Herzstück des Films ist allerdings aus meiner Sicht die mitreissend inszenierte Tanzszene aus Akt 2. In dieser Szene tanzt Chuck völlig losgelöst zum improvisierten Schlagzeugbeat einer Strassenmusikerin. Ein grossartig choreografierter Moment, der dennoch ganz authentisch die Liebe zu Rhythmus sowie Musik zelebriert und aus einem anfänglich unscheinbaren Augenblick ganz grosses Kino zaubert.
Im ersten und damit letzten Akt der tragischen Komödie wird schliesslich die Kindheit und Jugend von Chuck und damit der Grundstein seines Lebens begründet. Hier ist der Augenblick zwischen ihm und seiner Lehrerin Miss Richards, die ihm die Besonderheit des menschlichen Geistes offenbart, ein tiefemotionales Highlight.

Der Cast ist spielfreudig
Dies sind stellvertretend nur drei sogenannte Magic Moments, die noch von vielen weiteren besonderen Szenen begleitet werden. Warmherzig vermittelt wird all dies in der deutschen Synchronisation vom Erzähler Tom Vogt (Original: Nick Offerman). Am Ende schliesst sich somit nicht nur der Kreis von Chucks Universum, sondern auch die Dramaturgie und die Rätsel dieses Films, der nicht übermässig viel erklärt, sondern manches nur andeutet. Dies erfordert immer wieder Geduld, die sich aus meiner Sicht aber dank der vielen wunderschönen Momente auszahlt.
Visuell findet Kameramann Eben Bolter starke Bilder dazu, die in Verbindung mit einem entschleunigt-atmosphärischen Schnitt von Mike Flanagan harmonieren. Dabei nutzt jeder Akt ein sich stetig öffnendes Bildformat. Ein Mittel, das die Stimmungen der Geschichten stilvoll verstärkt. Schauspielerisch liefern darüber hinaus alle Darsteller überaus glaubwürdige Leistungen ab, die von einer natürlichen Spielfreude und Chemie geprägt sind. Besonders hervorzuheben ist Mark Hamill, der ein einfühlsames und einnehmendes Spiel liefert. Begleitet wird das alles von der stimmungsvollen, aber stets subtilen Filmmusik der Newton Brothers.

Mein Fazit zu The Life of Chuck
The Life of Chuck ist somit ein wundervoll inszenierter Film, der aus der Lebensgeschichte des Buchhalters Chuck Krantz eine spirituell-philosophische Sinnreise konzipiert, die sich dank ihrer unkonventionellen Erzählweise zunehmend entfaltet. Hierbei nutzt der Film die Mittel des Kunstkinos, ohne den Zugang zu seiner packend inszenierten Geschichte zu verlieren. Dennoch ist der Film für ein mainstreamlastiges Publikum aufgrund seines Ansatzes nicht immer attraktiv. Eine fantasievolle Tragikomödie, die aber dafür das Leben eines einzelnen Menschen feinfühlig zelebriert und dessen Existenz in der filmischen Realität ein ganzes Universum begründet. Am Ende kann so auch ein kürzeres, aber dafür umso intensiveres Leben einen gesamten Spielfilm ausfüllen und bereichern.
Obwohl sich The Life of Chuck mit nur rund 18,8 Mio. US-Dollar zu einem finanziellen Kinoflop entwickelte, kann ich mir gut vorstellen, dass er im Stephen-King-Kosmos dank Heimkinoverwertung und Free-TV-Ausstrahlungen eines Tages einen ähnlich grossen Status wie der ebenfalls gefloppte Klassiker Die Verurteilten erlangen könnte. Dieser darf heutzutage ja zu den beliebtesten Filmen aller Zeiten gezählt werden!
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
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