Fast 20 Jahren nach der Der Herr der Ringe-Verfilmung von Peter Jackson kam endlich die lang angekündigte Amazon-Serie Herr der Ringe: Die Ringe der Macht heraus. Ich muss zugeben, ich hatte Angst. Angst, dass das Tolkienerbe kaputt gehen könnte und die Serie den Filmen nicht gerecht wird. Als Tolkien- Fan, der eher kritisch zu neuem Material steht, hatte ich daher Bedenken, ob die Serie ein Herr der Ringe-Feeling auslöst und wie sehr die Geschichte den Büchern entspricht. Peter Jackson hat mit seiner Trilogie einen Meilenstein in der Filmwelt geschaffen und daher ist es sehr schwer da heranzukommen.
Kann die Serie mit dem englischen Originaltitel The Rings of Power das nun erfüllen? Zumal die Macher erstens nicht alle benötigten Rechte haben und die Serie sich zweitens in einem anderen Zeitalter befindet. Daher könnte es schwer sein, die Herzen der Fans für sich zu erobern. Wie wichtig ist es, dass Herr der Ringe: Die Ringe der Macht überhaupt so ist wie die Herr der Ringe-Trilogie? Oder kann die Serie auch für sich alleine stehen? Fakt ist, die Serie hat ein schweres Erbe, bei dem jeder kleinste Fehler aufs Detail genau kritisiert wird.
Spoilerwarnung: Der Artikel enthält Spoiler zu Herr der Ringe: Die Ringe der Macht sowie der Der Herr der Ringe-Trilogie.
Endlich ist Númenor zu sehen
In der Serie werden drei Handlungsstränge parallel erzählt. Galadriel macht sich auf, um die Hilfe von Númenor im Kampf gegen das Böse zu erhalten. Dabei wird sie von einem Menschen der Südlande namens Halbrand begleitet. Ebenso geht es um Elrond, der zusammen mit den Zwergen versucht, ein Bündnis aufrechtzuerhalten. Dies, um das Elbenreich zu retten. Und währenddessen ist das Haarfuss-Volk, das während seiner Wanderung einen vom Himmel fallenden Mann bei sich aufnimmt, schuld für die grösste Theorie der letzten Jahre Filmgeschichte. Wer ist der Fremde? Die Serie wird sich, wie der Name schon sagt, um das Schmieden der Ringe der Macht drehen, ebenso wird der Untergang Númenors in späteren Staffeln sicher ein wichtiger Plotpoint sein.
Weniger Figuren hätten den Flow der Serie verbessert
In der Serie Die Ringe der Macht sind die meisten darin enthaltenen Figuren neu -zumindest für die reinen Filmkenner. Dennoch gibt es ein paar, die man durchaus aus den Streifen kennt. Die bekanntesten Charaktere der neuen Serie sind die Herrin von Lothlórien, Galadriel, und Elrond, der Herrscher von Bruchtal. Natürlich sind sie beide in der Serie noch nicht die hoch angesehenen Kriegsherren und Ratgeber, dennoch wird man in der Serie sehen, wie es dazu kommen wird…
Annette Crosbie’s Version der jungen Galadriel wirkt zum Teil künstlich und fast schon zu emotionslos. Ihr kauft man ihre tragische Vergangenheit mit ihrem ermordeten Bruder und ihrer Kindheit nicht immer ab, doch dies ist angesichts der Umstände nicht verkehrt. Es vergehen noch tausende von Jahren bis Galadriel den weissen Rat gründet und zur mächtigsten Elbin von Mittelerde wird. Sie ist noch lange nicht die weise und durchdachte Elbin. Diesen Wandel werden wir aber in den kommenden 5 Staffeln durchleben. Ebenso werden dies auch die anderen tun. Wobei mir Elrond hier schon gut gefällt. Auch wenn er in den Büchern nicht so eng mit den Zwergen verbunden war. Aber so wie es hier dargestellt wird, finde ich die Dynamik zwischen Durin dem 4. und Elrond hervorragend. Die Freundschaft zwischen Legolas und Gimli verliert jedoch so ihre Einzigartigkeit. Ich muss dennoch sagen, die Chemie von Owain Arthur und Robert Aramayo funktioniert.
Isildur und Elendil sieht man im Kampf des «Letzten Bündnis» in der Der Herr der Ringe-Trilogie. Elendil ist ein ehrenvoller Krieger, dem man ansieht, dass sein Land ihn braucht und treu der Königin dient. Isildurs Naivität, die man in Der Herr der Ringe sieht, wird hier schon gezeigt. Sein Übermut wird von Max Baldry gut dargestellt. Er, der eines Tages den Ring nicht ins Feuer des Schicksalsberg wirft, wird hier schon als selbstsicher und überheblich gezeigt. Nebst den bekannten Namen gibt es den von Charlie Vickers verkörperten Halbrand zu sehen. Eine Figur, die von den Serienschöpfern erschaffen wurde, und sich später als Sauron entpuppte – doch dazu später mehr. Der geheimnisvolle Krieger der Südlande wirkt sich gut in die Landschaft der Serie ein.
Kein Mitfiebern dank fehlender Figurentiefe
Auch wenn mit vielen Indizien schon seit Beginn an darauf gezeigt wurde: «Dem kann man nicht trauen, das ist bestimmt Sauron». Sein manipulatives und aggressives Verhalten wirkt nicht gekünstelt und auch der Übergang zur Lüftung des Geheimnisses war schön. Eleanor «Nori» die junge Haarfuss-Dame widerspiegelt in meinen Augen den perfekten Hobbit Ur-Ahne. Markella Kavenagh spielt sie mit einem ausgezeichneten Charme und Charisma. Die Naivität und Umgang mit dem Gefährlichen wird nicht lachhaft oder dumm dargestellt, und dennoch ist sie kein zweiter Pippin, der alles falsch macht. Nori ist von sich überzeugt und dies zurecht. Der alte fremde Mann, den sie entdeckt hat, ist, denke ich, das grösste Rätsel, das die Serie hergibt. Wer ist er?
Gewisse Figuren haben leider für mich zu wenig Tiefe oder auch gar keine. So versuchte man, die Südländer, Galadriel und Halbrand, die Krieger von Númenor, die Zusammenarbeit der Elben mit den Zwergen und die Haarfüsse zusammen mit dem Fremden zu zeigen. Es liegt auf der Hand, dass bei so einer vollgepackten Serie nicht alle gleich gut beleuchtet werden können. Eine Serie, die ebenfalls für viele Hauptcharaktere bekannt ist und Game of Thrones heisst, hatte auch einen schweren Start und dennoch wurde sie sehr schnell zu der erfolgreichsten, je gedrehten Fantasy-Serie der Welt.
Diese grosse Distanz zu den Figuren führt dazu, dass man nicht mitfiebert und keine emotionale Bindung zu allen aufbauen kann. Diese besteht bei mir bis jetzt nur bei Bronwyn (Nazanin Boniadi) und ihrem Volk und den Halblingen Eleanor und Poppy (Megan Richards). Logischerweise hängt die fehlende Besorgnis um die Figuren auch damit zusammen, dass man von Galadriel, Elrond, Isildur und Elendil das Ende in Der Herr der Ringe sieht und man somit weiss, dass ihnen während der Serie nichts zustossen kann. Zwei schwere Hürden, die die Showrunner zu bewältigen haben.
Die Musik ist nebensächlich
Die Intro-Melodie der Serie stammt vom Oscar-Preisträger Howard Shore. Auch wenn mir das Intro generell nicht so gefällt, kriegt es mit dem Soundtrack eine gute Abwechslung. Die restlichen Musikstücke sind dann aber von Bear McCreary. Sein Soundtrack ist mitreissend und passt hervorragend zu dieser Landschaft und der Szenerie, aber es ist kein Sound, der mir jetzt in den Ohren bleibt. Ich erkenne die Songs (noch) nicht wieder und dies war bei den Peter Jackson-Filmen von Beginn an der Fall.
Die Ringe der Macht ist es etwas Neues
Die Serie ist sehr umstritten. Ist sie gut? Ist sie schlecht? Denkt man an die originalen Filme, ja oder nein? All diese Fragen werden gestellt und man konzentriert sich gar nicht mehr so richtig auf den Inhalt. Die Frage, ob die Serie gut oder schlecht ist, sollte nicht wegen dem Budget und auch nicht wegen der Frage bezüglich des Tolkien-Feeling gewichtet werden. Fantasy-Fans feiern die Serie – Liebhaber der Tolkien-Werke hingegen zerreissen jedes kleinste Detail. Die Ringe der Macht ist gut, meiner Meinung nach sogar sehr gut. Doch gibt sie ein Mittelerde-«Vibe» her? Denke ich an Der Herr der Ringe beim Schauen? Ja und auch nein. Ich finde, man muss hier differenzieren: Die Ringe der Macht ist etwas Neues und anderes. Sie ist an die Werke von Tolkien angelehnt, widerspiegelt aber nicht diese.
Ebenso gibt es nicht wie bei Der Herr der Ringe oder Der Hobbit eine richtige Buchvorlage. Die Macher haben nicht alle Rechte und zu wenig Infos des Schriftstellers, um genau nach seinen Vorstellungen diese Serie zu verwirklichen. Deswegen kann und sollte man verzeihen, wenn gewisse Dinge dazu gedichtet oder weggelassen wurden. Man denke an den Auftritt von Legolas in den Der Hobbit-Filmen, obwohl er im Buch nie vorkommt.
Die Musik, der Cast und natürlich Mittelerde selbst ist neu und anders als das, was wir uns von der Leinwand gewöhnt sind. Gewisse Leute finden die Serie zu clean, zu kitschig und glanzvoll. Dies liegt jedoch daran, dass die dunkle Zeit von Mittelerde vorher war, beziehungsweise erst noch kommt. Sauron hat sich zurückgezogen und baut sich langsam auf. Es herrscht kein Krieg. Sobald Sauron wieder da ist, bin ich mir sicher, nimmt die Serie an Fahrt auf und wird, wie Harry Potter, bei jeder Staffel ein wenig düsterer.
Herr der Ringe: Die Ringe der Macht ist sehr detailverliebt
Viele wundervoll inszenierte Landschaften stechen uns beim Ansehen der ersten Staffel ins Auge. Allen voran zwei endlich gezeigte Königreiche. Zwei Königreiche, die zentral für die Geschichte Mittelerdes stehen. Erstens Númenor, die Insel, die am Ende des zweiten Zeitalters zusammen mit der glorreichen Zeit der Dunedains untergeht. In den Filmen von Peter Jackson ist das einzige Überbleibsel von Númenor, Aragorn – der Nachfahre von Isildur. In der Serie sehen wir dieses Königreich und das in einer sehr guten und schön inszenierten Kulisse. Der Glanz und die Schönheit des Königreichs wird sehr gut ersichtlich.
Das Zweite Königreich ist Khazad-dûm – besser bekannt als die Mienen von Moria. Da das Zwergenheim, die grösste Festung der Zwerge, durch den Balrog vernichtet wurde, sah man, als die Gefährten dieses durchquerten, nichts mehr von der einzigen Schönheit. Umso wunderbarer ist es, dass man in Die Ringe der Macht die vollkommene Grösse der Mienen von Moria sieht. Ich habe mir Khazad-dûm nie richtig vorgestellt und bin dennoch begeistert. Die Serie zieht somit das weiter, was Jackson begann. Die Kulissen und Königreiche, die in der ersten Staffel vorkommen, ergänzen sich gut mit denjenigen, die es schon gibt. Wenn ich mir Khazad-dûm hier ansehe, kommen mir Erinnerungen an die Darstellung des Erebors hoch. Nicht nur bei diesen zwei Königreichen hat die Serie gepunktet. Das Elbenreich, die Wälder und auch die Verwandlung des Südlandes zu Mordor wirkte für mich sehr nach Der Herr der Ringe.
Die Startschwierigkeiten der Serie
Die Serie Die Ringe der Macht ist gut, ist jedoch vor allem zu Beginn sehr langsam. Heutzutage gibt es viele Filme und Serien, die zu schnell die Geschichte erzählen. Denken wir an das vierte Abenteuer von Thor oder an den den zweiten Teil von Dr. Strange. Diese MCU-Filme sind für meinen Geschmack zu schnelllebig erzählt. Man hat hier keine Zeit zum Atmen und zum Realisieren. Da dies immer öfters vorkommt, ist man sich nicht mehr so gewöhnt, wenn etwas lange Zeit benötigt, um in Fahrt zu kommen.
Die Ringe der Macht resultierte mit dem Ende der fünften Folge zu einem Spektakel, dass die davor erzählten Geschichten zusammenführt. Die letzten drei Folgen sind sicherlich auch ein Höhepunkt und Wendepunkt der ersten Staffel und man erkennt sichtlich, wohin die Serie steuern will. Vor allem die Schlacht und Erschaffung von Mordor hat mich sehr gepackt. Man hat mit den Figuren mitgefiebert und ich war erleichtert, als Galadriel zusammen mit den Kriegern von Númenor die Südlande erreicht hat. Das Highlight in der Serie ist das Finale. Das Schmieden der Elbenringe ist mit einem grandiosen Soundtrack untermalt, was diese Szene zu einem epochalen Ende für diese Serie macht.
Warum Gandalf nicht der Fremde in Die Ringe der Macht sein darf
Herr der Ringe: Die Ringe der Macht hat die Zuschauer mit diversen Rätseln auf Trab gehalten. Wer ist der Fremde? Was passiert mit dem Volk der Südlande, als der Schicksalsberg ausbricht und wer ist Halbrand? Halbrand ist Sauron. Dies wurde durch dutzende Hinweise während der ersten Staffel immer logischer. Offensichtlich wurde dies jedoch erst, als Galadriel ihn zu den Elben brachte. Viele Internet-User dachten schon, er könnte auf Celebrimbor den Elbenschmied treffen und ihn dann manipulieren, was ja dann auch geschieht. In den Büchern von Tolkien manipuliert und verführt Sauron in einer anderen Gestalt Celebrimbor solange, bis dieser mit den grössten Schmieden dieser Zeit die 19 Ringe der Macht schmiedet.
Leichte Abweichung von Tolkiens Stoff
Da die jedoch erst Jahrhunderte später nach Mittelerde gesandt werden, wäre dies nicht buchkonform. Bis jetzt passen die Ähnlichkeiten des Fremden am besten zu Gandalf, es gäbe dennoch Gründe dafür, dass er einer der zwei blauen Zauberer sein kann. Alatar und Pallando sind im Gegensatz zu Gandalf, Saruman und Radagast schon im zweiten Zeitalter erschienen, um gegen das Böse zu kämpfen. Zusammen mit Saruman wandern sie im Osten – wo jetzt auch der Fremde zusammen mit Nori hingeht. Ob er einer der fünf Istari oder ein neu dazu erfundener ist, sehen wir dann in der zweiten Staffel, die voraussichtlich 2024 herauskommt.
Anders als in den Geschichten von Tolkien werden hier die drei Elbenringe zuerst geschmiedet, denn in den Büchern werden die Ringe erst vollendet, als Saurons Plan auffliegt. Ausser dem Fakt, dass das Erz Mithril einen zu hohen Stellenwert bekommt und die Elbenringe zu früh geschmiedet wurden, hat die Serie sich sehr an die Vorlagen von Tolkien gehalten. Zu Beginn der letzten Folge wirkte es so, dass der alte Mann in Wirklichkeit eine Wiedergeburt Saurons ist. Dies haben die Macher jedoch zunichtegemacht, da Sauron die Mystikerinnen vernichtet. Er ist ein Istari, also ein Zauberer. Da die jedoch erst Jahrhunderte später nach Mittelerde gesandt werden, wäre dies nicht buchkonform.
Bis jetzt passen die Ähnlichkeiten des Fremden am besten zu Gandalf, es gäbe dennoch Gründe dafür, dass er einer der zwei blauen Zauberer sein kann. Alatar und Pallando sind im Gegensatz zu Gandalf, Saruman und Radagast schon im zweiten Zeitalter erschienen, um gegen das Böse zu kämpfen. Zusammen mit Saruman wandern sie im Osten – wo jetzt auch der Fremde zusammen mit Nori hingeht. Ob er einer der Fünf Istari oder ein neu dazu erfundener ist, werden wir in der zweiten Staffel sehen, die voraussichtlich 2024 herauskommt.
Guter Start aber es gibt Luft nach oben
Die Ringe der Macht wird nie an das Original rankommen, aber die Serie kann dies gar nicht. Die Macher besitzen erstens nicht alle benötigten Rechte und die Serie befindet sich zweitens in einem anderen Zeitalter. In einem, in der die Landschaften anders, die Wälder grösser, Figuren deutlich jünger und Númenor noch existent sind. Die Drehbuchautoren Patrick McKay und J.D. Payne haben eine Welt angefasst und so die Fans gespalten. Ein schweres Erbe, bei dem Fans jeder kleinste Fehler aufs Detail genau kritisieren.
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