Nicolas Cage als Paul Matthews in Dream Scenario

Dream Scenario: Nicolas Cage überzeugt in einer düsteren Komödie über Träume und die Medienwelt

Seit dem 8. Februar läuft die schwarze Komödie Dream Scenario in den Schweizer Kinos. Ab dem 21. März wird der neue A24-Streifen auch in Deutschland zu sehen sein. Darin erleben wir Nicolas Cage als unscheinbarer Familienvater, der lernen muss, wie sich zu viel Ruhm anfühlt. Zudem greift der Film das Thema Cancel Culture auf, welches im Jahr 2022 für Furore sorgte.

Im Rahmen der Europapremiere von Dream Scenario am 19. Zurich Film Festival 2023 durften wir ein spannendes Interview mit Regisseur Kristoffer Borgli führen. Was er uns am Nachmittag vor der grossen Opening Night alles erzählt hat, findet ihr im Video heraus.

Von Träumen und Medien

Paul Matthews ist ein durchschnittlicher und sanftmütiger College-Professor, wie er im Buche steht. Er ist intelligent, wird aber kaum beachtet – selbst seine Töchtern schauen lieber aufs Handy anstatt ihm zuzuhören. Eines Tages ändert sich das jedoch schlagartig. Paul beginnt, in sämtlichen Träumen fremder Menschen aufzutauchen. Dabei geschieht meistens ein Unglück, Paul jedoch steht nur teilnahmslos in der Gegend. Seine Ex-Freundin, die Journalistin Claire, schreibt darauf einen Artikel über diese Erfahrung, und Hunderte von Fremden erkennen ihn in ihren Träumen wieder. Paul freut sich zwar über das Medienecho, ist aber frustriert, weil er in den Träumen und somit in den Medien als passiv und uninteressant dargestellt wird. Sogar Memes gibt es von ihm.

Dabei möchte er doch schon lange ein Buch über ein biologisches Thema veröffentlichen. Seine Hoffnung wird grösser, als zahlreiche Medien Interviews mit ihm machen wollen und er sogar von einer PR-Agentur für eine Zusammenarbeit angefragt wird. Die entpuppt sich allerdings schnell als eher lapidare Werbeidee für Sprite. Seine Laune verschlechtert sich, was sich nicht nur auf seine Ehe mit Janet auswirkt, sondern auch auf die Träume. Diese entwickeln sich zu Albträume und Paul tritt darin ziemlich gewalttätig auf. Das führt dazu, dass sich neben seinen Schülern auch alle anderen Menschen vor ihm fürchten. Nachdem er seinen Job verliert und von allen als Monster dargestellt wird, arbeitet er fieberhaft daran, seinen Ruf wiederherzustellen. Ob ihm das gelingt?

Pauls Tochter erlebt seltsame Träume. | Bild: Frenetic Films / Paultergeist Pictures LLC

Dream Scenario greift Cancel Culture auf

Bei Dream Scenario handelt es sich um das englischsprachige Regiedebüt des Norwegers Kristoffer Borgli. Ari Aster, der mit seinen unkonventionellen Horrorfilmen Hereditary, Midsommar  oder zuletzt Beau Is Afraid für Aufsehen gesorgt hatte, mitproduziert. Darin zeigt uns Borgli in einem einzigartigen Stil den Aufstieg und Fall eines Normalos in der heutigen Welt und insbesondere in der des Medienzeitalters. So muss der arme Paul erfahren, was ein Shitstorm ist und was es bedeutet, dass eine Gesellschaft ihn cancelt. Obwohl uns Regisseur Borgli im Rahmen eines Interviews sagte, dass der Film nicht auf Ereignisse in der realen Welt anspielen soll, kommt einem die Geschichte doch ein bisschen bekannt vor. 
Klar, dass jemand in den Träumen der Menschen vorkommt, obwohl es sich nicht um einen Star handelt, ist ziemlich unrealistisch.

Jedoch, dass Persönlichkeiten sehr schnell und voreilig durch Medien, Fans oder gewisse Gesellschaftsvertreter beschuldigt werden, ist durchaus möglich. So gab es 2022 eine riesige Debatte um Karl Mays Romanfigur Winnetou, nachdem der Verlag Ravensburger ankündigte, die Auslieferung zweier Kinderbücher zum gleichnamigen Film Der junge Häuptling Winnetou zu stoppen und aus dem Programm zu nehmen. Dies, weil den Machern des Buches vorgeworfen wurde, das Buch sei kulturelle Aneignung und reproduziere rassistische Stereotype. Nach der Reaktion des Verlages folgte wiederum Kritik aus der anderen Richtung. Völlig übertrieben, man müsse doch nicht wegen eines Shitstorms einknicken, war die Meinung.

Wenn die Menschen Paul als Gefahr ansehen. | Bild: Frenetic Films / Paultergeist Pictures LLC

Nicolas Cage läuft zur Hochform auf

Doch zurück zu Dream Scenario. Dieser punktet vorallem dank seinem Hauptdarsteller Nicolas Cage. Dieser war ja in vielen bekannten Filmen wie The Rock, Leaving Las Vegas, Das Vermächtnis der Tempelritter, Next, Face/Off zu sehen und ist für sein Overacting bekannt. Ähnlich wie sein Charakter Paul ist er selbst durch seine Grimassen zum Meme geworden. Dass Cage nun selbst so eine Rolle verkörpert, ist daher sehr ironisch zu betrachten. Als ich Dream Scenario zum ersten Mal gesehen hatte, habe ich während des Films sogar vergessen, dass der Massive Talent-Star diese Rolle spielt. Und dazu trägt nicht nur der Stromberg-ähnliche Look bei. Man sieht ihm die Verzweiflung, die der arme College-Professor erleben muss, förmlich an. Hin und wieder gibt es Momente, in denen Cage seine unverkennbare Mimik zum Besten gibt, die aber perfekt zur Szene passen.

Nicolas Cage in der Werbeabteilung aus Dream Scenario
Paul muss sich mit verrückten Werbeideen herumschlagen. | Bild: Frenetic Films / Paultergeist Pictures LLC

Grobkörniger Look untermauert die Stimmung optimal

Ein weiterer Punkt, der neben Hauptdarsteller Nicolas Cage sofort ins Auge sticht, ist die Kameraführung. Dream Scenario weist eine enorme Grobkörnigkeit und somit ein Rauschen auf. Liegt das am Colorgrading, mit dem Filme während der Fertigstellung veredelt werden? Nein, das hat man bereits so gefilmt. Während unseres Interviews erzählte uns Kristoffer Borgli, dass die düstere Komödie auf 16-mm-Film aufgenommen wurde. Normalerweise und sofern Filme noch analog gedreht werden, verwendet man 35-mm-Film – ausser man heisst Christopher Nolan und benutzt IMAX-Kameras (65-mm-Film). Je grösser das Format, desto schärfer ist also das Bild. Das ist nicht nur passend gewählt, sondern auch eine gute Abwechslung. So kommt die verschwommene Welt von Dream Scenario optimal zur Geltung.

Christian Jungen und Jennifer Somm begrüssen Kristoffer Borgli am Zurich Film Festival. | Bild: Kevin Mürner for Zurich Film Festival

Gelungene Europapremiere am Zurich Film Festival

Dream Scenario wurde am 19. Zurich Film Festival als Eröffnungsfilm präsentiert. Gleichzeitig handelte es sich auch um die Europapremiere. Begrüsst wurde Regisseur Kristoffer Borgli neben Artistic-Director Christian Jungen und Managing Director Jennifer Somm auch vom abtretenden Bundespräsidenten Alain Berset. Jungen meinte während seiner Eröffnungsrede, dass es sich hier um einer von Nicolas Cages besten Filme handeln und sogar Oscar-Chancen für die skurrile Komödie bestehen würde. Wie wir mittlerweile wissen, dominieren Oppenheimer und Poor Things das diesjährige Oscar-Rennen. Allerdings durfte sich Cage über eine Golden Globe-Nominierung freuen.

Mein Fazit zu Dream Scenario

Nicolas Cages neuester Film trumpft aufgrund einer tollen Story, die unverhofft aktuell ist. Obwohl Cancel Culture gemäss Regisseur Kristoffer Borgli nur ein Teil des Films ist, ist dieser meiner Meinung nach etwas stark hervorgehoben. Wie es überhaupt möglich ist, dass die Menschen von Cages Charakter träumen, erklärt der Film beispielsweise gar nicht. Oftmals ist es ja so, dass merkwürdige Phänomene in solchen Geschichten viel später aufgeklärt werden. Borgli verzichtete jedoch darauf. Vielmehr lässt er die fiktive Gesellschaft aus dem Traumwandeln ein Business machen. So gesehen, bildet Dream Scenario ein sehr reales Abbild unserer Welt ab. Wie schön, dass sich einer das noch traut – ohne gecancelt zu werden.