Am 1. September ehrt die ARD mit Dieter Hallervorden einen der grössten Künstler des Landes in einer Primetime-Doku. Das Porträt namens Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt zeigt den Werdegang des Künstlers auf und besticht dabei durch bislang unbekannte private Einblicke. Erstmalig kommt nämlich auch seine Familie ausführlich zu Wort. Doch gelingt es der Doku wirklich, Hallervordens breites künstlerisches Schaffen – zwischen Slapstick, Kabarett, Charakterschauspiel und Theaterleidenschaft – mitsamt persönlichen Eindrücken gerecht zu werden?

Künstler, Widerstandskämpfer und Mordverdächtiger in Personalunion
Tatsächlich schafft sie es, in gut 90 Minuten einen bemerkenswert umfassenden Rundumblick auf den Künstler und Menschen Dieter Hallervorden zu bieten. Dabei tauchen natürlich auch bekannte Anekdoten auf – etwa sein geplanter Anschlag auf den SED-Politiker Walter Ulbricht oder der kurzzeitige Mordverdacht im Fall einer getöteten Prostituierten. Auch wenn diese Geschichten nicht neu sind, bleiben sie spannend und befeuern die Doku dramaturgisch.
Daneben wird natürlich seine Fernseh- und Filmkarriere mit einer Auswahl seiner grössten Erfolge präsentiert. Dabei schenkt man sowohl Nonstop Nonsens als auch den späteren Didi Filmen ausreichend, aber nicht allzu ausschweifenden Raum. Interviewpartner wie Otto Waalkes, Helge Schneider oder Didi-Filmproduzent Wolf Bauer kommen schliesslich zu Wort. Dabei ist es amüsant zu sehen, dass zwischen Otto und Dieter auch kleine, wenn auch eher spassige Seitenhiebe stattfanden. Ohne Frage hat der Erfolg des ersten Ottofilms 1985 auch die Didi-Filme kommerziell beflügelt.
Allergisch gegen Zensur
Der Wandel Hallervordens in den späten 80ern und 90ern – weg vom Didi-Image hin zu ernsthafteren Rollen – wird überzeugend dargestellt. Ebenso zeigt sich, dass Hallervorden nie bereit war, sich von Programmchefs zensieren zu lassen. Das führte 1992 zwar zum vorzeitigen Ende seiner Spottschau bei Sat.1, ermöglichte 1994 aber auch die ARD-Sendung Hallervordens Spott-Light, ein politisches Kabarett-Format, das bis 2003 in über 100 Folgen mit erfolgreichen Quoten ausgestrahlt wurde.
Später wird natürlich auch sein gefeiertes filmisches Comeback mit Sein letztes Rennen oder Honig im Kopf gewürdigt – ebenso wie seine Leidenschaft als Theaterleiter dreier Bühnen, die er bis heute aktiv bespielt. Besonders Katharina Thalbach findet hierbei liebevolle Worte für Hallervordens künstlerischen Einsatz.

Die Kinder und seine Frau sind das Herzstück von Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt
Das Herzstück der Doku aber sind seine Kinder, – insbesondere Johannes und Nathalie Hallervorden, – die wiederholt zu Wort kommen. Hierbei findet die Doku eine sehr respektvolle Tonalität, um auch Kritik an den zuletzt eher umstrittenen Aussagen von Dieter Hallervorden aufzubringen. Diese kritische Stimme kommt in der Doku nämlich von Johannes Hallervorden, der nicht alle Aktionen seines Vaters gutheisst. Momente, die ihn überglücklich mit seiner Frau Christiane Zander zeigen, gehen hingegen zu Herzen.
Vor allem aber kann der Film auch berührende Momente schaffen, wenn wir Hallervorden mit Lampenfieber vor einer Show sehen können. Der Auftritt selbst ging reibungslos über die Bühne und wird auch für den Abspann der Doku erneut aufgegriffen. Dabei sieht man hinter der Bühne einen immer wieder durchdisziplinierten Perfektionisten, der nichts dem Zufall überlassen möchte. Doch einer seiner grössten TV-Momente war, als mal doch ein Sketch bei Hallervordens Spott-Light nicht wie geplant verlief und er das Lachen mit seinem Sketchkollegen Frank Lüdecke nicht mehr verbergen konnte.
Mein Fazit zu Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt
Die Doku Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt findet somit zwischen vielen bekannten Anekdoten, aber auch neuen Einblicken einen liebevollen Zugang zu Dieter Hallervorden, nimmt sich für alle Lebensabschnitte ausreichend Zeit, aber scheut auch nicht davor kritischere Töne anzuschlagen. Kurzum ein würdiges Porträt eines kämpferischen Lebenskünstlers, der immer einmal mehr aufsteht als hinfällt!

Über Dieter Hallervorden
In den 70er Jahren schuf er mit Didi und Nonstop Nonsens einen der Prototypen des deutschen Slapsticks. Auch in den 80er Jahren dominierte diese Kunstfigur die deutschsprachigen Kinoleinwände. In den 90er Jahren wendete er sich dann mit der Sendung Hallervordens Spott-Light (1994-2003) in über 100 Folgen verstärkt dem politischen Kabarett zu. Hierbei präsentierte und inszenierte er Sketche, die auch heutzutage noch nichts von ihrer bissigen Aktualität verloren haben.
Spätestens seit den 2010er Jahren hatte er wieder die Kinoleinwände fest im Griff. Diesmal als vielfach gefeierter Charakterdarsteller in Filmen wie: Sein letztes Rennen (2013), Honig im Kopf (2014), Rock My Heart – Mein wildes Herz (2017), sowie im Fernsehen mit Die Spätzünder 2 – Der Himmel soll warten (2013) oder Mein Freund das Ekel (2019/2021). Das Dieter Hallervorden allerdings schon in den frühen 70ern mit Filmen wie Das Millionenspiel (1970) oder Der Springteufel (1974) auch schauspielerisch von einer anderen Seite überzeugte, wurde nur allzu gern unter der Flasche Pommes versteckt.

Hallervorden scheut sich nicht vor unbequemen Themen
Seine Theaterbühnen – Die Wühlmäuse, das Schlosspark Theater Berlin sowie das Mitteldeutsche Theater in der Marienkirche seiner Heimatstadt Dessau – leitet und bespielt er bis heute mit grosser Hingabe. Dass Hallervorden zuletzt mit politischen Aussagen für kontroverse Debatten sorgte, zeigt einmal mehr, dass er auch mit 90 ein Künstler bleibt, der sich nicht scheut, unbequeme Themen anzusprechen. Dabei sollte man eines nicht vergessen: Dieter Hallervorden hat schon früher nie vor einer eigenen Haltung zurückgeschreckt, um diese scharfsinnig auszuformulieren, und das in Zeiten, in denen durchaus eine ganze Künstlerexistenz auf dem Spiel stand, wenn die eigene, öffentliche Meinung nicht staatskonform war.
Er wuchs schliesslich während des zweiten Weltkriegs auf und machte seine ersten beruflichen Schritte in einer Zeit, die von der politischen DDR-Zensur beherrscht war. Dennoch scheint seine geistreiche Raffinesse heutzutage eher einem unverblümt-mahnenden Tonfall gewichen zu sein, der nicht immer das gewünschte Zielpublikum anzusprechen scheint! Ein Lebenswerk, das aber dennoch in seinen meisterhaften Höhepunkten, aber auch Kontroversen so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird. Ausserdem blüht Kunst ja erst in der Debatte so richtig auf!

Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
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