Pirmina Caminada jagt in Wild - Jäger & Sammler

Wild – Jäger & Sammler bietet einen einzigartigen Einblick in ein uraltes traditionelles Handwerk

Seit dem 21. Oktober läuft Wild – Jäger & Sammler in den Schweizer Kinos. Der Dokumentarfilm zeigt eindrücklich das Leben von drei Protagonisten, die mit dem wohl ältesten Handwerk der Welt vertraut sind und dem Zuschauer einen vielschichtigen Einblick bieten. Zuerst ist der Film noch in den Schweizer Kinos zu sehen, eine Veröffentlichung in Deutschland und Österreich ist geplant. Was macht die Dokumentation von Mario Theus so speziell?

Den Wildtieren so nah

Pirmina Caminada, Andreas Käslin und Urs Biffiger haben eines gemeinsam – sie alle haben sich der Jagd verschrieben. Im Film von Mario Theus zeigen sie auf, dass es nicht einfach nur ein Job ist, sondern vielmehr ein Instinkt, der in der Familie quasi vererbt wird. So begleitet die Kamera die drei Protagonisten während der Jagdsaison und lässt sie über ein Thema sprechen, welches von vielen kritisch angesehen wird.

Urs Biffiger lebt im Wallis und war einst Wilderer, dies zeigt zumindest seine imposante Sammlung an Geweihen und ausgestopften Tieren. Nun hat er das Gewehr an den Nagel gehängt und sich stattdessen mit einer Kamera mit gutem Teleobjektiv und Fernrohr bewaffnet. So lauert er Hirschen und anderen Waldbewohnern auf und filmt sie in ihrem Lebensraum. Dank seiner früheren Jagdtätigkeit weiss Urs, wie er sich verhalten muss, um gute Bilder zu bekommen. So hat er auf eine kreative Art und Weise Proviant versteckt, um lange im Gebiet ausharren zu können. Die Geduld hat sich gelohnt: Einen Hirschkampf konnte er filmen, acht Jahre hat er darauf gewartet. Auch Wildkameras kommen zum Einsatz und liefern hochauflösende Bilder. Viele davon sind im Film zu sehen.

Urs BiffligerUrs Biffliger in Wild - Jäger & Sammler fotografiert in Wild - Jäger & Sammler
Urs Biffiger auf der Suche nach tollen Motiven | Bild: Lucky Film GmbH / MovieBiz Films / Mario Theus

Die Bündnerin Pirmina Caminada ist dem Metier hingegen treu geblieben. Sie arbeitet als Wildhüterin und ist die erste Frau, die diesen Beruf im Kanton Graubünden ausübt. So überwacht sie die Schutzgebiete der Wildtiere und reguliert die Bestände. Pirmina sieht die Jagd als naturnahe Art der Selbstversorgung – so wie es die Jäger und Sammler vor hunderten von Jahren gemacht haben. Dies demonstriert sie anhand eines Murmeltiers, welches in der Berghütte sogleich in der Pfanne landet. Primina ist nicht die Einzige, die in ihrer Familie jagt. Ihre Tochter Angela ist ebenfalls interessiert und begleitet ihre Mutter bei der Jagd. Von ihr erfährt sie, wonach sie Ausschau halten und wie ein erlegtes Tier fachgerecht ausgenommen werden muss.

Auch für Andreas Käslin aus dem Kanton Nidwalden ist die Jagd ein grosser Bestandteil seines Lebens. Ihm wurde das Handwerk sprichwörtlich von seinem Vater in die Wiege gelegt – und er gibt es gerne weiter. Genauer gesagt nimmt er bereits seinen kleinen Sohn mit auf die Jagd und zeigt ihm auf, wie man die Spuren von Wildtieren liest. Der Grossvater ist natürlich auch mit dabei. Andreas lebt zudem mit seiner sechsköpfigen Familie auf einem Bauernhof und ist in der Milchwirtschaft tätig.

Andreas Kälin jagt in Wild - Jäger & Sammler
Andreas Käslin auf der Jagd. | Bild: Lucky Film GmbH / MovieBiz Films / Stefan Vogel

Ein einzigartiger Einblick in die Welt der Jäger

Während den rund 90 Minuten erhält der Zuschauer einen detaillierten und vielschichtigen Einblick in einen wichtigen kulturellen Zweig der Schweiz. Die Jagd gehört zu einem der ältesten Berufen, der hierzulande ausgeübt wird. Dazu ist nicht jeder geeignet, wie Wild – Jäger & Sammler aufzeigt. So dauert es beispielsweise rund zehn Jahre, um ein Gespür zu entwickeln, auf was man beim Spurenlesen achten muss und wie man das Verhalten der Herde genau beobachten kann. Interessant ist auch die Tatsache, dass dieser Beruf quasi von Generation zu Generation weitergegeben und mit gleicher Faszination ausgeübt wird.

Der Film dreht sich nicht ausschliesslich um das Thema Jagd; so kommt auch die Schwester des Regisseurs, Melanie Theus, zu Wort. Diese betreibt in Ems eine Tierarztpraxis und rettet das Leben der Vierbeine lieber, anstatt es zu beenden. Ihr Statement und die im Film gezeigte Kastration eines Hundes bieten somit einen kleinen Kontrast zum Oberthema Jagd. Auch greift der Streifen das momentan vielfach diskutierte Thema Fleischkonsum kurz auf. Das fand ich schade, da es momentan in aller Munde liegt, und die Doku sicherlich zusätzlich aufgewertet hätte. Ich verstehe aber, dass die Macher des Streifens das Thema Jagd und seine Vorurteile ins rechte Licht rücken und somit mehr gewichten wollten. 

Pirmina Caminada mit Tochter Angela in Wild.
Wie die Mutter, so die Tochter: Pirmina Caminada und ihre Tochter Angela. Bild: Lucky Film GmbH / MovieBiz Films / Mario Theus

Tolle Bilder mit schonungslosen Momenten

Und das ist gelungen; die Szenen, welche die Jäger in ihrem Element zeigen, sind schön ausgearbeitet und realitätsnah eingefangen. Das von der Filmcrew aufgenommene Material wird zudem mit dem Archiv-Material von Protagonist Urs Biffiger ergänzt. So erlebt der Zuschauer seltene Augenblicke auf der Grossleinwand – für die die Kameraleute wohl Monate auf der Lauer gelegen hätten. Besonders auffallend im Film sind die schonungslosen Momente, in denen die Jäger das erlegte Wild sogleich ausweiden – nichts für schwache Nerven, aber sie entsprechen der Realität. So etwas ist selten auf der Kinoleinwand zu sehen. Zu den eher ungewöhnlichen Szenen gesellen sich schöne und atemberaubende Landschaftsaufnahmen, die die Schweizer Bergwelt in ihrer ganzen Pracht zeigen. Somit ist die Machart der Dokumentation aufwändig und gelungen.

Regisseur Mario Theus in Wild - Jäger & Sammler
Regisseur Mario Theus begleitete die drei Protagonisten bei ihrem Job. | Bild: Lucky Film GmbH / MovieBiz Films / Stefan Vogel

Mein Fazit zu Wild – Jäger & Sammler

Abgesehen von einem in die Jahre gekommenen Jagdhund als Haustier und Jäger-Bekannten, habe ich keinen persönlichen Bezug zu diesem Thema. Daher hat mir diese Dokumentation die Augen geöffnet. Dank der eindrücklichen Kameraarbeit befindet man sich nahe am Geschehen und fiebert mit den Protagonisten automatisch mit. Der Film ist informativ und wirkt dank den Statements der involvierten Personen Caminada, Käslin und Biffiger hochwertig und lehrreich. Regisseur Mario Theus, der bereits bei der SRF-Sendung Netz Natur als Filmer und Redaktor gearbeitet hat, beweist, dass er auch in der Lage ist, einen abendfüllenden Streifen zu produzieren. Da kommt ihm auch das Wissen, welches er sich als Forstingenieur erlernt hat, zugute. Wer mit dem Thema Jagd bisher nichts am Hut hat und sich von realitätsnahen Szenen nicht abschrecken lässt, kann sich auf eine spannende Doku mit kulturellem Bezug freuen.