Regisseurin Emerald Fennell gelingt mit Promising Young Woman ihr Langfilmdebüt. Der Streifen läuft seit dem 19. August in den deutschen und österreichischen Kinos, in der Schweiz erschien er bereits am 13. Mai. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Oscar für das originale Drehbuch. Wie gut ist der gesellschaftskritische Streifen und lohnt sich der Kinobesuch?
Der Racheengel schlägt in Clubs zu
Der Thriller handelt von Cassandra «Cassie» Thomas, die ihr Medizinstudium nach dem Selbstmord ihrer besten Freundin Nina, die auch einer Vergewaltigung zum Opfer gefallen ist, abbricht. Daraufhin sucht sie sich einen Job in einem Café und zieht auch wieder bei ihren Eltern ein. Allerdings führt Cassie nachts ein Leben, das ihr Verlangen nach Rache seit dem Tod ihrer besten Freundin befriedigt. Sie geht aus und täuscht in männerdominierten Clubs Trunkenheit vor.
Die Typen, welche ihr dann sexuell zu nahe kommen, werden auf eine racherfüllte Weise belehrt. Sie erhofft sich, dass ihnen dadurch die Lust auf den nächsten weiblichen Fang vielleicht sogar auf Dauer vergeht. Eines Tages taucht Ryan auf, einer ihrer früheren Studienkameraden, der mittlerweile als Kinderarzt arbeitet. Bei ihm handelt es sich um einen Mann, der ihr wohl auf ehrliche Art und Weise den Hof machen möchte. Dies führt zu einem neuen Chaos, das den Plan von Cassie erstmal gehörig durchkreuzt. Am Ende kommt dann allerdings eine Wahrheit ans Licht, mit der nicht mal Cassie rechnen konnte.
Ein heikles Thema gespickt mit schwarzem Humor
Promising Young Woman ist rein filmisch betrachtet, jedenfalls ein mehr als gelungener Thriller, der sich eines Themas annimmt, bei dem viel zu oft weggeschaut wird. Dabei ist der Film, wenn er Cassie auf Rachefeldzug zeigt, nie todernst und immer auch ein bisschen von einer schwarzhumorigen Seite beeinflusst. Diese setzt vor allem dann ein, wenn Cassie ihren Feldzug gegen bestimmte Männer bestreitet und man sie dann kurz danach wieder völlig entkräftet, aber von ihrer eigenen Gerechtigkeit beseelt, zeigt. In diesem Zusammenhang ertönen schliesslich auch Klassiker wie It’s Raining Men oder Toxic in Coverversionen.
Trotzdem wird der Film nie zu einer Lachnummer, da man es in Verbindung mit der Musik schafft, den Kontrast zwischen der harmlosen Cassie und ihrem rachsüchtigen Verhalten zu intensivieren und man dann schockiert ist, wie eiskalt sie sich an bestimmten Männern rächt. Der Streifen selbst hält sich allerdings, trotz seiner Altersfreigabe ab 16 Jahren, beim Zeigen von Gewalt ziemlich zurück. Er deutet vor allem nur jene Momente an, bei denen man im Grunde auch nur rätseln kann, ob sie die Männer zurechtweist oder ihnen vielleicht sogar an den Kragen geht. Das Aussparen von Gewalt gibt dem Film jedenfalls eine gewisse geheimnisvolle Note.
Ein Film mit starker Botschaft, der zu spät erscheint
Stilistisch bewegt sich der leicht grobkörnige Film in einem etwas softeren Look. Während die wichtigsten Stellen bei Nahaufnahmen noch in relativ guter Schärfe daherkommen, wirkt alles was ausserhalb der Bildmitte eingefangen wurde, zum Teil etwas verwaschen, ohne in den meisten Fällen mit einer richtigen Unschärfe daherzukommen. Das dürfte allerdings ein bewusst eingesetztes Stilmittel des Films sein. Distanzaufnahmen sind zudem durchgehend weicher gehalten.
Fakt ist schlussendlich, dass Promising Young Woman in Anbetracht der grossen MeToo-Debatte in den letzten Jahren, fast etwas verspätet kommt. Aber so ist das eben in diesem Fall, wie mit der Botschaft des Streifens: Die Gerechtigkeit kommt und wird siegen, wenn manchmal auch etwas spät. Dass der Film letztendlich später veröffentlicht wurde, liegt in diesem Fall aber auch an der Corona-Pandemie.
Carey Mulligan als Cassie ist mit ihrem Britney Spears-Charme jedenfalls die absolute Top-Besetzung. Sie agiert vor allem sehr natürlich und entfaltet mit ihrem teils durch wenige Emotionen beeinflussten Schauspiel, umso mehr Wirkung auf der grossen Leinwand. In den Momenten, in denen sie dann ausserdem ihre Gefühle zeigt, ist ihre Spielweise umso beeindruckender.
Mein Fazit zu Promising Young Woman
Dieser Thriller war für mich ein sehenswerter erster Kinobesuch nach der Pandemie. Kurz gefasst ein Film, der vor allem mit einer starken Botschaft überzeugt und einem brisanten Thema ein Gesicht gibt. Carey Mulligan überzeugt dabei ausserdem mit ihrem natürlichen Schauspiel und ist eine absolute Topbesetzung, die den Film zu tragen weiss. Empfohlen sei der Film vor allem den Leuten, die einerseits Lust auf gelungene Thriller-Unterhaltung haben und andererseits gleichermassen auch zum Nachdenken angeregt werden wollen.
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf gutefrage und produziert Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal.
Kommentar schreiben