Erst kürzlich feierte die Doku Riefenstahl von Regisseur Andres Veiel am 20. Zurich Film Festival seine Schweizer Premiere. Ab 31. Oktober ist der Dokumentarfilm auch deutschlandweit in den Kinos zu sehen. Produziert von Moderatorin Sandra Maischberger behandelt der Film das kontroverse Erbe der Filmregisseurin und Schauspielerin Leni Riefenstahl. Doch schafft man es, dieses Vermächtnis zeitkritisch zu behandeln oder ist dieser Film am Ende nur Propaganda für das Lebenswerk einer Künstlerin, die nach dem 2. Weltkrieg stets versuchte, ihre Nähe zum NS-Regime zu leugnen?
Davon handelt Riefenstahl
Regisseurin und Schauspielerin Leni Riefenstahl (1902–2003) schuf mit der Reichsparteitagstrilogie, bestehend aus den Propagandafilmen Der Sieg des Glaubens, Triumph des Willens und Tag der Freiheit! – Unsere Wehrmacht geschichtlich heute umso relevantere Werke, mit denen sie ihre Nähe zur NSDAP und Adolf Hitler demonstrierte. Ebenso zeichnete sie sich für den Sport-Propagandafilm Olympia verantwortlich, der einmal mehr die aalglatte Ästhetik ihrer überlebensgroßen Bildkompositionen unterstrich und aus heutiger Sicht eine fragwürdige Moral der Makellosigkeit aufwirft. Die Doku erzählt ihr Leben nun anhand des umfangreichen Archivs ihres Nachlasses kritisch nach.
Unveröffentlichte Aufnahmen enthüllen Riefenstahls bröckelnde Fassade
Andres Veiel zieht den Zuschauer dabei direkt zu Beginn in eine atmosphärische Sogwirkung, die sich mit der Fülle des präsentierten Archivmaterials entfaltet. Hierbei unterstützen auch die vereinzelten neugedrehten Einstellungen rund um ihren Nachlass die biografischen Geschehnisse. Diese werden vor allem mit Fotos, aber auch Tonbandaufnahmen begleitet, welche vor allem die ausgewählten Interviewauszüge ergänzend untermalen. Dabei hat man sich auch immer wieder für unveröffentlichte Gesprächsauszüge entschieden, die über Riefenstahls Inszenierungswahn hinaus ihre bröckelnde Fassade offenbaren. Damit ergibt sich eine für mich schonungslose Ehrlichkeit und abschreckende Wirkung, welche die Doku mit einer gezielten Auswahl der Archivaufnahmen kontrastiert. Stilistisch sorgen vor allem Zoomfahrten auf Bildern und Filmaufnahmen aus Riefenstahls Werk als Regisseurin und Schauspielerin für ein immer wieder exemplarisch-melodramatisches Zwischenspiel, dass die eindringliche Atmosphäre meist aufrechterhalten kann.
Die Stärken und Schwächen des Dokumentarfilms
Ebenso ist das Auslassen aktueller oder älterer Interviews von Geschichtsexperten oder Zeitzeugen eine essenzielle Stärke, die dem Zuschauer oftmals die Macht zur Entscheidungsfindung über die persönliche Einordnung der Bilder gibt. Off-Sprecher Ulrich Noethen ordnet lediglich vereinzelte Szenen mit den nötigen biografischen Randnotizen ein. Dennoch ist die Doku in vereinzelten Passagen etwas zu langatmig geraten. Die gemächliche Inszenierung, die sich viel Zeit nimmt, um alle Eckdaten und das umfangreiche Archivmaterial abzubilden, wird dann manchmal in Anbetracht des erzählten Inhalts nach meinem Geschmack künstlerisch allzu sehr ausgeschöpft und ausgedehnt behandelt. Eine teils etwas kompaktere Erzählweise hätte dem Film daher aus meiner Sicht nicht geschadet.
Wie Leni Riefenstahl ihren NS-Bezug verleugnet…
Dafür entfesseln einige der Interviews mit Leni Riefenstahl ein authentisch-abstreitendes Bild mit erschreckender Wirkung, die sich zeigt, wenn sie als Reaktion auf kritische Fragen mit einem Wutanfall reagiert und jeglichen näheren Bezug zu Hitler und dem NS-Regime sowie ein mögliches Mitwissen an den Holocaust verleugnet. Aufnahmen, die letztlich auch das Bild einer kontroversen Künstlerin aufzeigen, die sich in sämtlichen Interviews als Regisseurin ihrer selbst mit allen Mitteln und teils revisionistischen Aussagen zur NS-Vergangenheit, versucht als unschuldiges Opfer zu inszenieren. Visuell präsentiert sich die Doku im gut abgestimmten Stil der alten Filmausschnitte, was sich vor allem auch im Vorspann und Abspann passend eingliedert. Musikalisch ergibt sich ebenso eine Rauschwirkung, die sich eindringlich mit den präsentierten Auszügen verbindet.
Mein Fazit zu Riefenstahl
Trotz vereinzelter Längen ist die Doku Riefenstahl ein wichtiges Zeitzeugnis, dass eine erschreckende Sogwirkung entfaltet. Darüber hinaus gelingt der Doku durch eine bewusste Auswahl von Archiveindrücken ein fesselnd-aufklärender Rückblick auf eine weiterhin zurecht kontrovers diskutierte Persönlichkeit der Zeitgeschichte. Eine Doku, die nun also endlich die Pflicht einlöst, der Leni Riefenstahl zeitlebens durch Geschichtsleugnung schuldig blieb!
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
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