Ab heute ist Christopher Nolans neuestes und zeitgleich teuerstes Meisterwerk Tenet auf Sky Show verfügbar. Wir hatten das Glück, ihn im letzten Jahr noch auf der grossen IMAX-Leinwand bewundern zu können. Auch hier nutzt Nolan sein geliebtes Gestaltungselement Zeit, um die Zuschauer beim Betrachten des Streifens mächtig anzustrengen. Allerdings ist Tenet um einiges anspruchsvoller als beispielsweise Memento, Inception oder Interstellar. Wir erklären euch hier, warum das so ist.
Tenet ist ein Agentenfilm mit Zeitreise-Elementen
Ein CIA-Agent (im restlichen Teil des Artikels «Protagonist» genannt) versucht mit seinem Team einen Terror-Anschlag auf die Kiewer Oper zu verhindern. Der Anschlag ist jedoch nur eine Tarnung einer kriminellen Organisation, um einen geheimnisvollen Gegenstand auszutauschen. Dem Protagonisten kommt beim Einsatz ein unbekannter Agent zu Hilfe, der offenbar in der Lage ist, eine bereits abgefeuerte Kugel wieder einzufangen und ihn dadurch zu retten. Die Mission geht trotzdem schief und der Protagonist wird gefangen genommen. Da er seine Herkunft nicht bekanntgeben will, schluckt er eine Selbstmordpille. Allerdings ist diese nicht echt und er erwacht im Krankenhaus, untergebracht auf einem Schiff. Dort wird ihm erklärt, dass er durch «seinen Tod» nun Teil der Geheimorganisation Tenet ist. Diese versucht, mysteriöse Vorkommnisse aufzuklären, die zur Bedrohung der gesamten Menschheit führen könnten. Dies liegt daran, dass in letzter Zeit merkwürdige und gefährliche Gegenstände aufgefunden wurden.
Die Sache mit der Zeit
So bekommt der Protagonist eine bereits abgefeuerte Pistolenkugel vorgeführt, die beim Hinhalten einer Pistole in diese zurückspringt. Dies kommt davon, da der Zustand des Objekts temporal verändert wurde und es somit invertiert ist. Allerdings stammen diese Kugeln nicht aus der Gegenwart. Mithilfe des britischen Geheimagenten Neil spürt der Protagonist die Munitionshersteller auf und erfährt, dass sie diese dem russischen Oligarchen und Plutonium-Händler Andrei Sator verkauft haben, der sie verändert hat und offenbar in der Lage ist, die Zeit zu manipulieren. Da sie Sator nicht direkt befragen können, müssen die beiden Agenten einen Umweg gehen und gelangen an seine Frau Kat, die als Kunsthistorikerin arbeitet. Diese hat eine gefälschte Goya-Zeichnung aus Bern irrtümlicherweise für echt befunden und ihren Mann zum Kauf bewogen. Damit erpresst er sie nun.
Um ihr zu helfen, versuchen Neil und der Protagonist das Bild zu stehlen und brechen ins Zolllager des Osloer Flughafen ein, wo es aufbewahrt wird. Dort entdecken die beiden nicht nur Gemälde, sondern auch eine merkwürdige Maschine, die wie ein Drehkreuz aussieht. Daraus treten zwei maskierte Kämpfer, die wie die Pistolenkugeln, invertiert sind und gegen Neill und den Protagonisten kämpfen. Der Diebstahl des Bilds misslingt dadurch, allerdings lernt der Protagonist durch die Aktion nun den geheimnisvollen Sator kennen. Dieser hat auch die Drehkreuz-Zeitmaschine konstruiert und steht in Kontakt mit Menschen aus der Zukunft, die ihn wiederum als Mittelsmann für ihren Plan nutzen.
Beeindruckt von seiner Tat und der Drohung, Kat zu töten, beauftragt Sator den Protagonisten, einen Plutonium-Transport in Tallinn zu überfallen und für ihn das wertvolle Element zu stehlen. Beim Überfall tauchen nicht nur weitere invertierte Kämpfer auf, der Protagonist und Neill finden zudem heraus, dass es sich bei dem Plutonium um den mysteriösen Gegenstand aus der Kiewer Oper handelt. Dieser ist nur ein Teil eines Gesamtplans, mit dem Sator in der Lage ist, die Zeit so zu verändern, dass die ganze Welt ins Chaos stürzt. Können die beiden seinen Plan noch aufhalten?
Eine komplizierte Handlung, die für Verwirrung stiftet
Falls ihr den kurz zusammengefassten Inhalt oben als ein bisschen verwirrend empfindet, dann macht euch auf den ganzen Film gefasst. Dieser ist durch seine Erzählform prädestiniert, ihn sich mehrmals anzuschauen. Es ist eine Mischung aus Science-Fiction-, Action- und Spionage-Film und wurde von Christopher Nolan selbst geschrieben. Dabei nutzt er wie in Memento aus 2002 die Möglichkeit, die Handlung quasi rückwärts zu erzählen. Jedoch gibt es in Tenet den Weg, innerhalb der vergangenen Zeit ein Objekt oder einen Menschen nochmals zu invertieren, also umzukehren. Das macht die Handlung komplexer und teilweise undurchschaubar. So zum Beispiel die finale Kampfszene, bei der sicherlich jeder Zuschauer den Überblick verliert. Der Film bietet ein rasantes Tempo, ist schnell geschnitten und bietet wenig Zeit, sich mal «auszuruhen» und die Handlung zu hinterfragen.
Vieles scheint ungeklärt, so zum Beispiel die Technik hinter den Zeitreisen. Zudem wird auch auf das berühmte Grossvaterparadoxon angesprochen, dieses aber nicht richtig eingehalten. Dieses Paradoxon beschäftigt sich, kurz erklärt, mit der Möglichkeit, sich beim Zeitreisen selbst zu begegnen, ohne einen Schaden einer Zeitlinie anzurichten. Allerdings wissen wir, dass dieses Element in Zeitreisefilmen wie Zurück in der Zukunft auch nicht bis ins letzte Detail durchdacht ist. Die Prämisse von Tenet ist jedoch erkennbar und geschickt ausgearbeitet.
Nolan und sein bewährtes Team machen den Film aus
Christopher Nolan ist für sein Stammteam bekannt und liess auch diesmal Michael Caine als britischer Geschäftsmann mitspielen. Wie oben erwähnt, habe ich mir Tenet im IMAX-Saal angeschaut und war begeistert. Die Optik des Films ist sehr schön anzusehen, verantwortlich dafür ist Hoyte van Hoytema, mit dem Nolan seit Interstellar zusammenarbeitet. Die mit der IMAX-Kamera aufgenommenen Bildern sind gestochen scharf, bildgewaltig und werten die perfekt ausgearbeiteten Action-Sequenzen auf. Nolan nutzt nicht gerne VFX und liess für den Einbruch ins Zolllager sogar eine echte Boeing 747 ins Gebäude krachen. Auch die waghalsigen Manöver auf dem Highway sind echt und wirken, dank der Reverse-Choreographie, sehr aufwändig.
Jedoch gibt es ein Element, dass gemäss Aussagen von Nolan beabsichtigt war und mich eher gestört als unterhalten hat: Der Sound! Dieser war, trotz den IMAX-Lautsprechern, extrem laut gehalten, lenkte ab und machte es unmöglich, sich auf die Dialoge zu konzentrieren. Dadurch kam auch der Soundtrack nicht zur Geltung, auf den ich fast am meisten gespannt war. Nolan musste aus terminlichen Gründen auf den Meister der Filmmusik, Hans Zimmer, verzichten, der während dieser Zeit an Dune arbeitete. Der Schwede Ludwig Göransson, bekannt für Black Panther, sprang ein und erarbeitet einen durchaus passablen Soundtrack, den man allerdings dank den lauten Effekten fast nicht wahrnahm.
Solide Arbeit des Casts
Von der schauspieltechnischen Seite gesehen, fand ich die Darstellung von Kenneth Branagh am interessantesten. Der Ire stellte Sator dar und sprach dazu mit einem russischen Akzent. Dies zeigt seine Wandelbarkeit. Zudem gibt es Momente, in denen er dank der invertierten Zeit rückwärts und mit dem russischen Akzent sprechen musste. Der restliche Cast hat mich nicht gerade von den Socken gehauen, lieferte aber eine solide Arbeit ab. Das ist bei so einem komplexen Film beachtenswert. So berichtete Hauptdarsteller John David Washington, dass er für das Durchlesen des Drehbuchs ungefähr fünf Stunden benötigte, um es zu begreifen. Auch Branagh verglich die Vorbereitung damit, als würde man ein Kreuzworträtsel in der Times lösen.
Unser Fazit zu Tenet
Wer wieder einmal einen anspruchsvollen Film schauen möchte und mit seinen Freunden Lust hat, sich darüber auszutauschen, ist mit Tenet gut bedient. Falls er noch einmal ins Kino kommen sollte, empfehle ich, ihn unbedingt dort anzuschauen, eventuell sogar im IMAX-Saal. Seid aber nicht enttäuscht, wenn ihr ihn nicht beim ersten Mal begreift, dafür ist er zu komplex und kompliziert. Sozusagen handelt es sich um einen James Bond-Film für Physiker. Wir haben uns bereits bei unserer Traileranalyse auf einen komplexen Film eingestellt und unsere Erwartungen wurden erfüllt. Er ist von allen bisherigen Zeitreisefilmen der anspruchsvollste, den Hollywood wohl produziert hatte. Ihr findet Tenet ab sofort auf Sky Show.
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