In The Last Bus erleben wir einen alten Mann, der sich für eine lange Reise nochmals aufrappelt und sich durch nichts aus dem Konzept bringen lässt. Getrieben von einem unglaublichen Willen sein Ziel zu erreichen, stösst er auf zahlreiche Stolpersteine. Jetzt können sich Fans von Roadmovies und Dramas den Film endlich im Kino anschauen. In Deutschland läuft er in synchronisierter Fassung unter dem überlangen Titel Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr. Der Streifen wurde als Gala Premiere am diesjährigen Zurich Film Festival aufgeführt. Bei dieser Gelegenheit konnten wir den Hauptdarsteller Timothy Spall treffen und ihm ein paar Fragen zu seinem neuesten Roadmovie stellen. Doch was macht den Film so sehenswert?
Spoilerwarnung: Der Artikel enthält leichte Spoiler zum Film The Last Bus
Wenn ein Witwer eine Reise tut…
Tom Harper lebt mit seiner Frau Mary seit Jahren im schottischen und malerischen John Oʼ Groats. Beide haben ihre alte Heimat Landʼs End (Cornwall) aufgrund eines traurigen Schicksalsschlag verlassen. Als seine Frau stirbt, beschliesst der Witwer, ihre Asche an der englischen Küste im Meer zu verstreuen. Daraufhin macht sich Tom auf einen langen und beschaulichen Weg, den er zuvor minutiös geplant hat. Ohne Google Maps, dafür mit einer klassischen Karte und Notizbuch nutzt er die regionalen Buslinien, um sein Ziel zu erreichen. Dabei macht er Bekanntschaften, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Vom kleinen Mädchen, für das er eine Faltfigur anfertigt, bis hin zum betrunkenen Busgast – Tom meistert jede Situation auf seine eigene Art und verblüfft die Anwesenden. Stolpersteine räumt er selbstbewusst und pragmatisch aus dem Weg- selbst ein defektes Gefährt repariert der gelernte Mechaniker ohne Probleme. Selbst zu einen Geburtstag wird er eingeladen. Das bleibt nicht unbeobachtet und so hat er bald eine grosse Fangemeinschaft sowie einen eigenen Hashtag auf Instagram – ohne davon etwas mitzubekommen. Allerdings zerrt die Reise auch an seiner Gesundheit; viel Zeit bleibt ihm nicht mehr. Wird er es schaffen, seine persönliche Mission noch rechtzeitig zu erfüllen?
Eine kreative Erzählweise
Mit The Last Bus liefert uns der Regisseur Gillies MacKinnon ein packendes sowie berührendes Drama. Spannend ist der Aufbau des Films, der die Geschichte sozusagen auf zwei Zeitebenen, der Gegenwart und der Vergangenheit, vereint. Anhand von geschickt eingebauten Rückblenden wird dadurch die gesamte Story von Tom und Mary erzählt. Diese verteilen sich über den ganzen Film und helfen dem Zuschauer zu verstehen, welches tragische Erlebnis Tom und Mary verdauen mussten. Diese Rückblenden sind sehr kreativ inszeniert, was ein optisches Highlight des Streifens ist. Beispielsweise verlässt Tom zu Beginn des Films seine Bleibe, während sein jüngeres «Ich» mit Mary gerade frisch ins Haus einzieht – und das in derselben Kameraeinstellung. Gespielt werden die beiden von Ben Ewing und Natalie Mitson. Hier hat man ausserdem sehr darauf geachtet, dass die jüngeren Schauspieler optisch gut mit den älteren korrespondieren. Somit ist auch das ein gelungenes Element des Roadmovies.
Wer nun glaubt, dass der alte Mann tatsächlich von John Oʼ Groats bis nach Landʼs End gefahren ist und dazu zahlreiche Ortschaften als Filmlocations hergehalten haben, der irrt. Der Streifen wurde nahezu komplett in Schottland gedreht, wie uns Hauptdarsteller Timothy Spall im Interview verriet. Das brachte die Crew vor grosse Herausforderungen, die sie aber meistern konnten. Dank geschicktem Set-Design liessen sich die Bushaltestellen verändern und vermitteln so das Gefühl, dass Tom kilometerweit gereist wäre. Die Konzentration auf den Drehort Schottland lag mitunter am geringen Budget von knapp 2.5 Millionen Pfund. Bis dieser Betrag zustande kam, dauert es sehr lange. Bei Independent-Filmen sei das halt so üblich, erklärte der Schauspieler. Im Video-Interview weiter unten erklärt er uns zudem, wieso er auch ein Teil des Produzententeams bildete.
Die Farbe Gelb sticht hervor
Allgemein wurde der Film, trotz seines kleinen Budgets, sehr liebevoll und detailreich gestaltet. Dazu zählt auch der Einsatz der Farbe Gelb, die in diesem Kontext als Motiv eingesetzt wird. In den Rückblenden trägt Mary vielfach ein Kleidungsstück in diesem Farbton. Je nach Stimmung handelt es sich um ein schön helles oder eher um ein dunkles und verschmutztes Gelb. Da es die Farbe ist, die das Auge am schnellsten wahrnimmt, fällt das sofort auf. Doch wieso kommt so ein Element zum Einsatz? Gemäss Definition steht Gelb für Heiterkeit, Optimismus, das Leuchten und das Licht. Bricht man das nun auf den Film herunter, könnte das für einen Charakterzug von Mary stehen. Auf Toms Reise, ist sie es, die ihn antreibt und ihm die Kraft gibt, in kritischen Momenten nicht aufzugeben.
Timothy Spall macht The Last Bus absolut sehenswert
Der Film überzeugt vor allem dank dem fantastischen Schauspiel von Hauptdarsteller Timothy Spall. Ihn kennen wohl die meisten Filmfans aus den Harry Potter-Filmen, in denen er Voldemorts Handlanger Peter Pettigrew alias «Wurmschwanz» spielte. Daneben verkörperte er den gleichnamigen Maler im Biopic Turner und ist auch im kommenden Streifen Spencer zu sehen. In The Last Bus zeigt er uns erneut eine Meisterleistung. Mit seinen 64 Jahren spielt er den knapp 90-jährigen Tom sehr überzeugend. Dazu trägt sowohl die zuvor minutiös einstudierter Gestik, als auch das tolle Make-up bei.
Auffallend ist, dass sein Charakter sich nur ein wenig wandelt, und von einer prägnanten Melancholie gezeichnet ist. Weshalb, wird dem Zuschauer erst später im Film klar. Neben Spall ist Phyllis Logan zu sehen, die Toms Frau Mary spielt. Bekannt ist sie für ihre Darstellung als Mrs Hughes, der Hausdame aus Downton Abbey. Der restliche Cast war mir nicht bekannt und ist auch nicht besonders auffällig, harmoniert aber gut mit der Hammerleistung von Timothy Spall.
Mein Fazit zu The Last Bus
Die herzzerreissende Geschichte von Tom Harper, verbunden mit einer schönen Kameraführung und gut platzierter Musik von Andrew Lloyd Webbers Sohn Nicholas: Diese Faktoren machen The Last Bus zu einem absolut sehenswerten Film. Es handelt sich um einen Streifen der Genres Drama und Roadmovie ist aber, aufgrund der Beweggründe des Protagonisten und dem Setting, anders als vergleichbare Filme wie beispielsweise Nomadland oder Into the Wild. Besonders berührend ist das Ende, welches sogar einen kleinen Raum für Interpretationen zulässt und das Publikum sicher eine Zeit lang zum Nachdenken anregt. The Last Bus oder Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr läuft ab dem 11. August 2022 in den deutschen Kinos.
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