Seit gestern läuft Und morgen seid ihr tot von Michael Steiner im Kino! Nach dem Horror-Flop Das Missenmassaker und dem Drama Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse, liefert uns der Schweizer Erfolgsregisseur einen spannungsgeladenen Thriller. Dieser beruht auf wahren Begebenheiten, die sich vor rund 10 Jahren in Pakistan abgespielt haben. Seine Weltpremiere feierte der Streifen am 17. Zurich Film Festival unter der Anwesenheit von Cast und Crew. Dabei haben wir die Hauptdarstellerin des Films, Morgane Ferru, für ein kurzes Interview gewinnen können. Was sie uns über den Streifen erzählt hat, seht ihr hier.
Zur falschen Zeit am falschen Ort
Daniela und David erfüllen sich einen lang gehegten Traum: Eine dreiwöchige Reise in ihrem VW-Bus. Die Strecke verläuft unter anderem durch Pakistan. Die Stimmung im Land ist aufgewühlt, zumal die Navy Seals den Terroristen-Chef Osama Bin-Laden erschossen haben. Aufgrund der Empfehlung einer Familie, beschliesst das Pärchen, von der geplanten Route abzuweichen und eine andere Strecke in ein weniger befahrenes Gebiet zu nehmen. Angst haben sie keine, schliesslich wird die Region von der Polizei bewacht. Als sie zwischen zwei Militär-Checkpoints eine kurze Pause einlegen, hält ein Minibus an und bärtige Männer mit Maschinengewehren steigen aus. Sie nehmen Daniela und David gefangen und verschleppen sie in die abgeschiedene Berggegend Waziristan.
Später verkaufen die Kleinkriminellen sie an die Taliban. Der Chef der Gruppe Nazarjan will mit den Geiseln die Freilassung von 100 Mudschahids (dt. für islamistische Kämpfer) erpressen und Lösegeld verlangen. In der Schweiz werden die verzweifelten Eltern der Entführten von der Polizei in Kenntnis gesetzt. Die Schweizer Behörde versucht fortan alles, um die beiden Geiseln zu befreien. Allerdings verlaufen die Verhandlungen mit dem Iran eher schleppend, zumal die offizielle Schweiz kein Lösegeld zahlt. Währenddessen versuchen Daniela und David sich mit ihren Entführern besser zu verstehen – mit dem Hintergedanken, die passende Gelegenheit für eine Flucht zu finden. Doch die Zeit drängt, zumal die Stadt Miranshah, in der die Geiseln nun leben, zum Ziel von Bombenangriffen der pakistanischen Armee wird.
Und morgen seid ihr tot will der Wahrheit gerecht werden
Mit Und morgen seid ihr tot inszenierte Michael Steiner bereits seinen zweiten Streifen, der auf wahren Begebenheiten beruht. Grounding erschien 2006 und thematisierte den Konkurs der Airline Swissair. Bei Und morgen seid ihr tot konnte er auf das gleichnamige Buch zurückgreifen, welches Daniela Widmer und David Och nach ihrer Flucht verfasst hatten. Diese wurde von den Medien heftig thematisiert, schliesslich haben es noch keine Gefangenen geschafft, den Taliban zu entkommen. So warf man den Geflüchteten sogar vor, die Flucht nur vorgetäuscht zu haben und nur dank einer Lösegeldforderung freigekommen zu sein.
Selbst seriöse Zeitungen wie die NZZ hat eine Nachricht über ein angebliches Baby der beiden verbreitet. Ihre Gefangenschaft, die wochenlange Angst und die negative Erfahrung mit den Schweizer Medien haben die beiden detailliert verarbeitet. Michael Steiner hat diesen Stoff mit den Drehbuchautoren Urs Bühler und Daniel Young nun für die grosse Leinwand adaptiert. Gemäss diversen Interviews mit anderen Schweizer Medien fand er die Art und Weise, wie die Presse mit den beiden umgegangen ist, nicht berechtigt. Umso mehr wollte er die wahre Geschichte erzählen, und zwar aus der Sicht derjenigen, die sie hautnah miterlebt haben. Um die Story so realistisch wie möglich zu entwickeln, kamen auch die Tagebücher, die Daniela Widmer geführt hatte, zum Einsatz.
Ein optisches Highlight, welches nicht jeder Schweizer Film bieten kann
Und morgen seid ihr tot erzählt das Leben als Geisel der Taliban sehr eindrücklich und lässt einen schaudern. Vor allem die passable Kameraführung von Filip Zumbrunn lässt den Zuschauer mitfühlen. Dazu zählen beispielsweise die Stellen, in der die Kamera die Sichtweise von Daniela übernimmt, die ihre Entführer genau beobachtet. Diese Aufnahmen haben die Macher durch extreme Close-Ups mit einer schönen Tiefenschärfe realisiert. Zu Beginn des Films ist die Kameraführung eher ruhig und unscheinbar gehalten, während sie ab dem Zeitpunkt der Entführung wackelig wirkt und dadurch eine Unruhe erzeugt.
Dieses Element zieht sich bis zum Schluss hin und wird nur durch die Behörden-Szenen in der Schweiz unterbrochen. Ein sehr schönes Detail, welches zeigt, dass die Art und Weise, wie die Kamera in die Inszenierung eines Films eingebunden wird, eine grosse Rolle spielt. Das ist etwas, was gute Filme ausmachen und ich persönlich bei vielen Schweizer Filmproduktionen vermisse. Auch hat man bei der Nachbearbeitung und mithilfe von Colorgrading schöne Kontraste gebildet. So werden die Szenen im DEZA in graublauen Tönen dargestellt, während die in der Wüste in braun grün gehalten sind. Die Filmsets sind ebenfalls ausgezeichnet hergerichtet worden und zeigen eindrücklich, wie die Taliban-Kämpfer leben.
Hammerleistung der beiden Hauptdarsteller
Sven Schelker, der bereits zwei Schweizer Filmpreise für seine Darstellungen in den Filmen Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes sowie Der Kreis erhalten hat, spielt David Och. Morgane Ferru ist als Daniela Widmer zu sehen. Beide liefern eine eindrückliche Arbeit ab, die unter die Haut geht. Offensichtlich haben die beiden Darsteller eine intensive Rollenvorbereitung durchgeführt um die Szenen so perfekt wie möglich zu spielen. Einzig bei der Sprache trifft Schelker den falschen Ton und spricht einen Dialekt, der nicht wirklich dem Berndeutsch zuzuordnen ist. Aber aufgrund der körperlichen Leistung, die er an den Tag legt, ist dieser Aspekt verzeihbar. Die restlichen Darsteller fallen ebenfalls positiv auf, da stechen vor allem Ingo Ospelt und Karin Pfammatter, die Danielas Eltern spielen, hervor.
Mein Fazit zu Und morgen seid ihr tot
Während ich den Film im Rahmen des Zurich Film Festival gesehen hatte, hat mich der Streifen gepackt und an den Sitzplatz gefesselt. Der Streifen lässt einen mitfühlen und teilweise schockiert und fassungslos zurück. Das liegt einerseits an der schonungslos gezeigten Darstellung der Gewalt, welche die Taliban gegenüber den Geiseln ausleben und andererseits an den eher träge handelnden Beamten, die im Film gezeigt werden. Mitreissend ist zudem der schöne und einfühlsame Soundtrack von Adrian Frutiger. Er hat bereits bei anderen Produktionen von Michael Steiner komponiert und leistet mit seinen sphärischen Klängen eine tolle Arbeit ab. Die beiden ehemaligen Geiseln, Daniela Widmer und David Och, erzählten am Filmfestival, dass der Film sehr akkurat umgesetzt sei. Somit hat das Team um Steiner eine wahre Meisterleistung vollbracht.
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