Am 21. Zurich Film Festival konnte ich die ersten Folgen der neuen SRF-Sitcom Unsere kleine Botschaft sehen. Seit heute läuft die Serie nun im linearen Fernsehen und ist auf Play SRF streambereit. Ich war gespannt, vor allem, da ich selbst ein sehr grosser Fan von Sitcoms bin und verschiedene Klassiker innerhalb weniger Wochen «durchgebinged» habe. Daher freute mich es enorm, dass nach Fascht e Familie, ManneZimmer und Fertig lustig wieder einmal eine Schweizer Sitcom zu sehen sein wird. Was ich von der neuen SRF-Serie halte, verrate ich euch gerne.
Pures Chaos trifft auf Schweizer Gelassenheit
Das SRF sammelte vor gut fünf Jahren nach Ideen für eine neue Serie. Im vollen «Le Paris»- Kinosaal erzählten die Produzenten, dass der SRF-Mitarbeiter Marco Edmonds, der eigentlich in der administrativen Abteilung zuhause ist, mit seinem Vorschlag aus über 220 Ideen herausstach. Edmonds arbeitete früher vier Jahre lang auf einer Botschaft in Peking in der er die ulkigsten Momente erlebte. Das Leben auf einer Botschaft ist speziell und sehr eigen, erzählte er. Das Erlebte überzeugte nicht nur das Produktionsteam, sondern floss auch direkt in die Handlungen ein, erzählte er am ZFF dem Publikum. Doch worum geht es konkret?

Die Botschaft, die sich in einem nicht näher definierbaren südamerikanischen Land befindet, besteht aus einer eingefleischten, familiären Truppe, angeführt von Susanne Kunz, die als Botschafterin die Swissness als oberstes Gut hinausträgt. Das dynamische Team besteht aus Mitarbeitenden, die ihren Job mehr als gemütlich erledigen, und einer aufstrebenden Praktikantin (Anaïs Decasper), die mit jeglicher Kraft versucht, den Respekt des Teams zu gewinnen. Das richtige Chaos bricht aus, als der Ex der Botschafterin, der Bundesrat, zum Bau einer Eisenbahnstrecke zu Besuch kommen will. Dazu trifft noch ungebetene Unterstützung aus der Romandie ein, die mit ihrer genauen und strukturierten Art direkt mit den Eigenheiten der Botschaft zusammen «clasht». Als dann noch ein Mitarbeiter verschwindet und eine (Stamm)kundin mit ihren 3000 Wünschen aufkreuzt, ist das Chaos perfekt.

Susanne Kunz die Geschäftsfrau mit Flair
Der Cast sticht vor allem durch bekannte Gesichter wie Birgit Steinegger und Susanne Kunz heraus, oder, beim jüngeren Publikum, die Internet-Comedian Anaïs Decasper. Schon im Musical Oh Läck du mir überzeugte Kunz, dass sie nicht nur moderieren kann. Ob Singen, Tanzen, Schauspielern und viel Witz, die Berner Allrounderin zeigt sich hier von einer sehr überspitzten und überdrehten Seite, die ihre Rolle sehr gut umrundet. Anaïs Decasper gibt hier ihr Serien-Debüt und übernimmt die traurige Rolle der Praktikantin. Ihre Unglücksmomente brachten den Kinosaal während der Premiere zum Grölen, was leider auch zeigt, dass die Serie ohne ihre Rolle zum Teil an Humor und Drive verliert.

Die Momente, in denen sie versucht, das Richtige zu tun, es aber nur noch schlimmer wird, sitzen genau. Zusammen mit ihrer Mimik und Gestik ist das genial. Der Rest des Casts, der neben Susanne Kunz, Samuel Streiff, Birgit Steinegger und Andrea Zogg vor allem aus Newcomern besteht, zeigen neben ihrem Comedy-Talent, dass sie auch ernste Szenen emotional rüberbringen können. Ein kleiner Funfact: Der mexikanische Schauspieler Cristo Fernández, der in der SRF-Produktion eine Nebenrolle hat, ist ein internationaler Star. Er ist durch die Apple TV+ Serie Ted Lasso berühmt geworden und war auch in Spider-Man: No Way Home und in Venom: The Last Dance zu sehen.

Fremdscham, Mitleid und Slapstick machen Unsere kleine Botschaft aus!
Im Podiumsgespräch erzählten die Serienmacher Björn Hering, Mauro Müller, Pascal Glatz und Christian Wehrlin, dass es für sie schwer war, zu wissen, was denn Schweizer Humor sei. Das Publikum antwortete auf diese Frage mit einem Gemurmel und verzögertem Lachen. Glatz reagierte: «Sehen Sie, es ist nicht einfach.» Schweizer Humor sei anders, er sei vor allem situationsabhängig. Es seien die ungewollten und spontanen Situationen, die die Schweizer zum Lachen bringen, sagten die Produzenten. Und genau darauf baut die Serie. Slapsticks und Situationskomik. Dinge, in die wir uns hineinversetzen können. Die Momente sind, meiner Meinung nach, gut ausgewählt und nicht überladen. Das Comedy-Timing stimmt und erzeugt in den richtigen Momenten die gewünschten Lacher. Die Lacher sind jedoch auf Kosten anderer, denn es wird mit Klischees nur so herumgeworfen.

Klischees über Südamerika, über uns selbst, über das Fürstentum Liechtenstein, das seine Botschaft im Nebenraum der Schweiz hat und sich durch Geld, Neutralität und Fürstenliebe definiert, sowie über die verschiedenen Arten, die man in der Arbeitswelt im In- und Ausland vorfindet. Für manch einen kann dies störend, unkreativ oder abwertend betrachtet werden. Oder man sagt: «Hey, nimm es nicht so ernst und gönn den Schweizern auch mal was zu lachen. » Denn das sind wir. Vorsichtig bei Comedy, denn die Schweiz «darf» nicht witzig sein, und wenn sie es ist, dann ist es peinlich. Doch die Serie Tschugger hat bewiesen, dass die Schweiz nicht nur Drama, sondern auch Humor richtig inszenieren kann. Und Unsere kleine Botschaft macht das auch. Zumindest meiner Meinung nach, denn die ersten Kritiken gehen mit Unsere kleine Botschaft deutlich hart ins Gericht.

Die Schweiz darf sich mal etwas trauen!
Was die Sitcom von allen anderen Schweizer Serien unterscheidet, ist die Art der Comedy, aber auch der Inszenierung. Denn die Serie basiert auf Ideen von The Office oder Modern Family, in denen auch Slapstick und Situationskomik oft ein wichtiger Teil ist, aber vor allem in denen die Protagonisten ihre Meinungen erzählen. Der Mockumentary-Anteil der Serie ist überschaubar, aber wirkungsvoll und gibt einen frischen und auflockernden Wind in die Schweizer Fernsehwelt. Dass die Figuren wenig Tiefe haben und gewisse «Jokes» schon tausend Mal erzählt wurden, sind Fehler, die man in möglichen zukünftigen Staffeln ausbessern kann, wenn man dies auch zulässt.
Das SRF traut sich etwas, indem es den Fernsehschaffenden die Möglichkeit gibt, Neues auszuprobieren. Dazu gehört es nun mal, hinzufallen, weiterzumachen und nicht einfach zu sagen: «Isch scheisse gsi, Comedy mache me nüm.» Denn das SRF hat gezeigt, die Schweizer können witzig sein. Doch nun hoffe ich, dass die Serie einschlägt, denn genügend Ideen wären laut Produzenten für weitere Staffeln vorhanden.
Sendetermine
Die Serie Unsere kleine Botschaft läuft jeweils am Freitag um 21 Uhr in Doppelfolgen auf SRF 1. Am 31. Oktober (Folge 1 &2) , 7. November (Folge 3&4) sowie am 14. November (Folge 5&6). Auf Play SRF ist die komplette Staffel bereits ab heute online.


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