Nach längerem Brüten schlüpfte Aardman Animation’s neuster Stop-Motion-Film Chicken Run: Operation Nugget am 15. Dezember 2023 auf Netflix. Besonders der erste Teil des Titels dürfte vielen bekannt vorkommen: Denn dieser Film bildet das Sequel zum legendären Chicken Run, welches 2000 den Startpunkt von Aardman’s abendfüllenden Stop-Motion-Filmen markierte. Mit unvergesslichen Figuren und britischem Flair gespickt, bildete Chicken Run eine gekonnte (und weitaus kinderfreundliche) Parodie auf den Ausbruchsfilm Gesprengte Ketten. Auch wenn sich das Ende von Chicken Run von Anfang an für eine Fortsetzung anbot, kommt der zweite Teil fast 24 Jahre später auf Netflix. Wie gut kann das Sequel an das ikonische Original anknüpfen und vor allem eingefleischten Fans des ersten Teils wie mir gefallen?
Zweiter Teil – zweite Generation
Es herrscht Kückenalarm bei Ginger und Rocky, dem Hühnerpaar aus Chicken Run. Diese haben nämlich nun eine Tochter namens Molly, die ihre Eltern ordentlich auf Trab hält. Ansonsten führen Ginger und Rocky nach ihrer Flucht von Mrs. Tweedy’s Farm ein behagliches Leben mit den anderen Hühnern. Ihr Fluchtort: Eine idyllische Binnenseeinsel, bietet alles für ein freies Hühnerleben fernab jeglicher Menschen. Doch die anfängliche Idylle wird bald durch das Erscheinen von mysteriösen Lastwagen und einer Baustelle jenseits des Sees gestört. Die neue Devise von Ginger lautet aber nicht Angreifen, sondern Verstecken. Sie ist nun vorsichtiger geworden, nicht zuletzt um Molly zu schützen. Aus diesem Grund erzählen sie und Rocky ihrer Tochter auch nichts von Menschen und ihrer Vergangenheit mit den anderen Hühnern auf Mrs. Tweedy’s Farm.
Für Molly sind jedoch die Lastwagen mit dem Aufdruck «Fun-Land Farms» eine faszinierende Abwechslung von der öden Insel. Getrieben von ihrer Neugierde schleicht sie sich entgegen aller Regeln bei Nacht von der Insel weg. Auf ihrem Weg trifft sie das Strupphuhn Frizzle, welches genauso wie Molly solch eine «Fun-Land Farm» besuchen möchte. Ein Fahrer entdeckt die beiden schliesslich bei einem Halt an der Tankstelle und schliesst sie in den Laderaum ein.
Gefährliches «Fun-Land»
Auf der Insel wird Mollys Abwesenheit bemerkt, und Ginger und Rocky machen sich mit den anderen Hühnern Babs, Bunty, Mac und Fowler auf die Suche. Sie realisieren, dass das Ziel dieser Lastwagen eine gigantische High-Tech-Hühnerfarm ist, bestückt mit etlichen Wachen, Robotersystemen und Bewegungsmeldern. Drinnen befindet sich ein auf Hühner zugeschnittenes Spielparadies, von dem Molly und Frizzle anfänglich komplett begeistert sind. Sie sind auch die einzigen, die kein ferngesteuertes Halsband tragen, welches die anderen Hühner in einen trance-ähnlichen und überglücklichen Zustand versetzt. Nachdem Frizzle auch Trägerin eines solchen Halsbandes wird, ist Molly die einzige, die noch klar denken kann. Sie versucht, der mysteriösen Fun-Land Farm auf den Grund zu gehen. Derweil hecken Ginger und Co. einen Masterplan aus, um in die High-Tech Anlage zu gelangen und Molly zu retten…
Chicken Run: Operation Nugget bietet 60er-Agentenflair
Chicken Run: Operation Nugget ist wie der Vorgängerfilm eine Parodie auf ein bestimmtes Filmgenre. Ginger und Co. brechen aber diesmal ein statt aus. Die Macher liessen sich dementsprechend von Heist-Filmen und älteren Bondstreifen inspirieren, und modellierten die Handlung und das Setting entsprechend nach diesen Formaten. Laut Regisseur Sam Fell erinnert der hochmoderne Hühnerfarmkomplex an ein Hauptquartier eines Bondbösewichten, der mit einer neuartigen, aber perfiden Methode versucht an Hühnerfleisch zu kommen.
Weitere Inspirationen boten Agentenfilme aus den 60ern wie beispielsweise Danger Diabolik, passend zum Zeitpunkt der Handlung von Chicken Run: Operation Nugget. Demzufolge spielt die Fortsetzung ca. 10 Jahre nach den Handlungen des ersten Films, und greift auch die Thematik der aufkommenden maschinellen Massenproduktion in der Fleischindustrie wieder auf. Durch das Einbetten dieser Thematik in das Genre des Heist- und Agentenfilms ist Chicken Run: Operation Nugget mit einigen Science Fiction-Elementen gespickt. Diese verleihen dem Film einen neuartigen Touch, wodurch er sich vom Vorläufer immerhin visuell abheben kann.
Operation Knetspass
Da Chicken Run: Operation Nugget im Vergleich zum ersten Film mit grösseren Dimensionen arbeitet – setting- und figurentechnisch – musste sich das Animationsteam nebst der traditionellen Claymation einiger Tricks behelfen. Anders als das Original spielt es nicht hauptsächlich an einem Ort, sondern weitet sich auf ein breiteres Areal aus. Da die Fun-Land-Farm sehr viel grösser als die Hühner selbst ist, hatten die Kneter mit Grössenverhältnissen zu kämpfen. Einige Hintergründe wurden deswegen digital erstellt, so Produktionsdesigner Darren Dubicki.
Es wurden auch viel mehr Hühner für einige Shots in der Farm selbst gebraucht, bei denen deswegen CGI verwendet wurde. Ein spezifischer Slow Motion-Shot im Film bedurfte auch einer Kombination aus Knet-Stopmotion und Technologie, um ihn zu realisieren. Für Fans des Aardman-Claymation-Stils besteht aber kein Grund zur Sorge: Der Film wurde wie das Original hauptsächlich geknetet und modelliert (alleine für Molly wurden insgesamt 384 verschiedene «Münder» kreiert), und mit einer Bildfrequenz von 16 Standbildern pro Sekunde aufgenommen. Diese etwas weniger geschmeidige Bildfrequenz war für Direktor Sam Fell wichtig: «Es ist einfach Teil des Stils. Es hat etwas mehr Textur in den Bewegungen. Man merkt, dass es Stopmotion ist, und das ist eine bewusste Wahl.»
Mein Fazit zu Chicken Run: Operation Nugget aus der Fanperspektive
Was für mich als Fan des ersten Chicken Runs positiv herraussticht, ist, dass Ginger und Co. nicht zu kurz kamen, auch wenn Molly die Hauptprotagonistin ist. Die Figuren aus dem ersten Film sind legendär, und werden glücklicherweise im zweiten Film nicht ausgeblendet. Ginger und Mac brillieren mit ihren Ideen, Fowler erzählt immer noch aus seinen Zeiten bei der RAF und Babsys Strick- und Nähhobby hilft manch einem aus der Patsche. Einzig die Darstellung Rockys missfiel mir, da er etwas dümmlich rüberkam, was er im ersten Film definitiv nicht ist. Ein weiterer Pluspunkt ist die leicht ähnliche Prämisse (Huhn vs. Mensch), die in einen Angriff seitens der Hühner umgekehrt wurde.
Leider fällt Chicken Run: Operation Nugget oft ziemlich flach (abgesehen von den Einbruchsszenen), auch wenn die Idee der Handlung nicht schlecht ist. An vielen Stellen wirkt er eher kindlich, als wie eine würdige Fortsetzung zum Original. Ereignisse, die aus der Perspektive eines Huhns beängstigend sein sollten, werden zu harmlos dargestellt. Diese Hühnerperspektive kommt im ersten Film um Massen besser rüber, wo man selbst als Zuschauer Angst vor dem Bauernpaar Tweedy bekommt.
Überdies vermisste ich den eigensinnigen, dunklen Humor und Charme des Originals. Ich nehme an, dass Chicken Run: Operation Nugget ein eher jüngeres Publikum ansprechen möchte, deswegen dürfte er den meisten eingefleischten Fans weniger gut gefallen als der Vorläufer. Gegen das letzte Drittel nimmt Chicken Run: Operation Nugget aber etwas Fahrt auf und hatte für mich ein ganz passables Ende. Mit dem ursprünglichen Chicken Run kann es aber leider nur auf animationstechnischer Ebene mithalten. Von mir gibt es 2.5 von 5 Aardman-Sternen.
Kommentar schreiben