Heilstätten lernt Social Media-Stars und dem Zuschauer das Fürchten

Seit Anfang März präsentiert uns Netflix mit Heilstätten einen eindrücklichen Horrorfilm. Darin brechen YouTuber wegen einer dümmlichen Challenge in eine verlassene Pyschiatrie-Anstalt ein und entdecken Grusliges. Der von Michael David Pate realisierte Streifen erschien 2018 in den Kinos und ist im Found Footage-Stil gehalten. Kann die deutsche Produktion mit seinen Vorbildern wie Paranormal Activity mithalten?

Das passiert in den Heilstätten von Berlin

Marnie, Betty, Charly und Finn haben eines gemeinsam: Sie sind YouTuber mit völlig unterschiedlichen Kanälen und versuchen, ihre Reichweite zu vergrössern. Deshalb schliessen sie sich zusammen und planen, eine ungewöhnliche Aktion durchzuführen. So wollen sie 24 Stunden in den Ruinen der berühmten Heilstätten von Berlin verbringen. Gibt einer der drei vor Ablauf der Zeit auf, sollen ihre Viewer bestimmen, was sie einen Monat lang essen. Die Heilstätte besitzt aber eine dunkle Vergangenheit: In der NS-Zeit wurden dort Tuberkulose-Patienten durch qualvolle Menschenversuche umgebracht. Auch in der heutigen Zeit gilt sie als verflucht, es geschehen dort paranormale Aktivitäten und Besucher sterben auf mysteriöse Weise. Ausserdem soll in der Nazi-Zeit eine junge Frau von den dort arbeitenden Ärzten misshandelt und getötet worden sein.

Obwohl das verfallene Gemäuer abgesperrt ist, gelingt es den Vloggern durch Marnies Ex-Freund und Touristenführer Theo, in das Gebäude einzudringen. Damit niemand von ihrem Aufenthalt erfährt, beschliessen sie folgende Regeln: Kein Internet und kein Social-Media. Obwohl niemand an Geister glaubt, bauen sie die Kameras auf und richten sich in der Heilstätte ein. Doch schon bald begegnet Betty einer blutüberströmten Frau in einer Badewanne. Niemand glaubt ihr, da sie keine Beweise für deren Verbleib finden können. Als aber plötzlich einer der YouTuber verschwindet und die Truppe seltsame Geräusche hört, versucht sie zu fliehen. Aber das verfluchte Gebäude macht seinem Namen alle Ehre und versucht, mit allen Mitteln, die Gruppe daran zu hindern. Wer überlebt die Horror-Nacht?

Nilam Farooq als Betty in Heilstätten
Was Betty hier wohl schauriges sieht?| Bild: 20th Century Fox Deutschland

Ein Film zum Schaudern

Was an Heilstätten besonders auffällt, ist die besondere Kameraführung. So ist nahezu der gesamte Film im Stil eines YouTube-Videos gehalten. So sind nicht nur die Aufnahmen wackelig-amateurhaft im Stil von Found Footage oder ruhig wie Überwachungsvideos gefilmt, sie wurden auch mithilfe von Jump-Cuts arrangiert. Auch hat man sie farblich so verändert, dass sie tatsächlich aus Camcorder, Wärmebild- oder Nachtsichtkameras stammen könnten. Dank diesem Look erinnert Heilstätten an eine Mischung aus Paranormal Activity und The Blair Witch Project. Dazu zählt auch die Kulisse. Da das Team aus rechtlichen Gründen nicht am Originalschauplatz drehen durfte, entstanden die Aufnahmen in der Heilstätte Grabowsee. Dieses Setting verleiht dem Film einen zusätzlichen Pluspunkt und sorgt für noch mehr Schauder. Die Location und die Stimmung helfen dem Zuschauer, die Handlung aufmerksam und gespannt mitzuverfolgen.

Der Film ist packend und bietet nahezu keine Chance zum Verschnaufen. Obwohl man geneigt ist, eine gewisse Vorhersehbarkeit zu suchen, wird man enttäuscht und bekommt einen eindrücklichen Plot-Twist serviert. Dieser ist gewissermassen gesellschaftskritisch und zielt auf das Phänomen YouTube und Influencing ab. Die Idee, eine gruselige Handlung in eine Psychiatrie-Klinik zu verlegen, ist nicht neu. So erschien 2016 A Cure for Wellness und 2011 Grave Encounters. Letzterer stammt aus den USA und kommt Heilstätten am nächsten, da er ebenfalls im Found Footage-Stil gehalten ist und Medienleute einer Reality-TV-Show in eine verlassene Anstalt schickt. 

Emilio Sakraya als Charly in Heilstätten
Charly tappt im Dunkeln. | Bild: 20th Century Fox Deutschland

Starker Cast spielt schwachköpfige YouTuber

Unter den Schauspielern befinden sich Tim Oliver Schultz, Nilam Farooq und Emilio Sakraya. Schultz wird vielen Serienfans als Leo aus Der Club der roten Bänder bekannt sein. Ihn einmal in einem Horrorfilm zu sehen, war neu und erfrischend. Er beherrscht die Rolle jedenfalls super. Nilam Farooq ist für Auftritte in diversen deutschen Kriminalserien bekannt und spielt auch im kommenden Drama Contra mit. Auch sie macht als um ihr Leben kämpfende Beauty-Youtuberin eine gute Figur und beweist, dass sie auch dieses Genre drauf hat. Emilio Sakraya durften Netflix-Fans zuletzt in der neuen Serie Tribes of Europa erleben. Auch er verkörpert einen Vlogger namens Charly, der kein Blatt vor den Mund nimmt und den mysteriösen Ort praktisch verspottet. Er und sein Kumpel Finn bringen mit ihrem Humor und Schalk einen guten Kontrast in die düstere Stimmung.

Der Cast ist generell stark und obwohl manche Figuren nur kürzere Dialoge haben, ergänzt er sich gut. Die Charaktere sind stark überspitzt und teilweise arrogant dargestellt. Wahrscheinlich soll hier ein Bezug zu realen Social Media-Stars wie Bibi H. oder den PrankBros geschaffen werden, was mir persönlich sehr gefiel. YouTube-Fans dürfen sich zudem noch auf einen Gastauftritt von Comedian Freshtorge freuen. Was mich hingegen gestört hat, ist das typische Verhalten der Figuren in einem Horrorfilm. «Oh, jemand ist verschwunden? Ok, wir teilen uns auf und suchen ihn». Das haben wir doch schon so oft gesehen. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die YouTuber bei einer Gefahr dümmlich verhalten und lieber schön die Kamera laufen lassen, anstelle zu fliehen. Das zieht den Schocker ein bisschen ins Lächerliche. 

Tim Oliver Schultz und Nilam Farooq aus Heilstätten
Touristenführer Theo erklärt der Truppe die Geschichte der Heilstätten. | Bild: 20th Century Fox Deutschland

Unser Fazit zu Heilstätten

Mir persönlich hat der Streifen sehr überrascht, da ich nicht mit so einer Leistung aus Deutschland gerechnet hatte. Unser Nachbarland ist nicht gerade für Horrorfilme bekannt, hier haben die Macher aber bewiesen, dass sie durchaus in der Lage sind, einen Found Footage-Film zu realisieren. Die Idee, YouTuber in eine verlassene Anstalt zu schicken und mit Geistern zu konfrontieren, ist jedenfalls gelungen. Als Fan von Plot-Twists, hat mir das Ende sehr gefallen. Einerseits stellt es die Handlung komplett auf den Kopf und andererseits kritisiert es das Social Media-Phänomen stark. Fans von ungewöhnlichen Grusel-Schockern wird Heilstätten sicherlich gefallen; zu sehen ist er auf Netflix.