Netflix ist ja nicht gerade dafür bekannt, sehr hochkarätige Weihnachtsfilme zu produzieren. Meist ist das aber pure Absicht, denn der Streaming-Riese hat erkannt, dass Leute auf billige und trashige Weihnachtsfilme stehen. Mit „Klaus“ hat Netflix nun aber einen weihnachtlichen Film im Programm, der komplett aus der Reihe tanz. Warum? Zum einen, weil er animiert ist, zum anderen, weil er einen wirklich berührt.
Ein verwöhnter Sohn muss als Postbote ans Ende der Welt
Im Zentrum er Geschichte steht Jesper, der als Sohn des obersten Postbotenausbilders nicht nur in gutem Hause aufgewachsen, sondern auch äusserst verwöhnt ist. So hat er dann auch überhaupt kein Interesse daran, als Postbote in die Fussstapfen seines Vaters zu treten. In der Hoffnung, seinem missratenen Sohn doch noch Disziplin beizubringen, schickt ihn sein Vater nach Zwietrachting. Dort soll er eine neue Poststelle etablieren und 6000 Briefe abstempeln. Schafft er das nicht, entzieht er Jesper seine Privilegien.
Jesper macht sich also auf, um diese mühsame Aufgabe schnellstmöglich hinter sich zu bringen. Was er aber nicht weiss: In Zwietrachting sind die missmutigen Bewohner zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu schikanieren, um Zeit und Musse fürs Briefeschreiben zu haben. So scheint Jespers Aufgabe unlösbar zu sein, denn auch nach Tagen hat er noch keinen einzigen Brief abstempeln können. Erst, als er den Holzfäller Klaus kennenlernt, der als Einsiedler in den Wäldern lebt, kommt Jesper auf eine Idee, die das Briefeschreiben langsam in Gang bringt.
Liebevoll erzählte Geschichte mit schrulligen Charakteren
„Klaus“ hat eine Grundidee, die nicht ganz neu ist, nämlich den Ursprung des Nikolauses zu ergründen. Damit wird euch der Film schon mal nicht mit einer unvorhersehbaren, völlig neuen Geschichte umhauen. Vielmehr ist es diese wundervolle Welt, in die uns Regisseur Sergio Pablos entführt, die „Klaus“ so viel Seele verleiht.
Das beginnt schon mit Jesper, dem verwöhnten Möchtegern-Postboten, der einem trotz seines Getues sehr schnell ans Herz wächst. Das liegt vor allem daran, dass wir mit ihm irgendwie mitfühlen können. Denn sind wir mal ehrlich: Wer von uns würde nicht den ganzen Tag im Bett verbringen, wenn er könnte – und zu allem Überfluss auch noch bedient wird? Und wer von uns würde nicht ein klein wenig ausrasten, wenn er dann an einen kalten und tristen Ort wie Zwiespalting geschickt würde?
Damit wären wir auch schon beim nächsten Part, der mir an „Klaus“ sehr gefallen hat: das Dorf Zwiespalting mit all seinen verrückten Bewohnern. Die Macher nehmen sich hier am Anfang genügend Zeit, um uns in das schrullige Dorft einzuführen und uns den verrückten Haufen näherzubringen. Zuzusehen, auf welch kreative Weise sich die Bewohner gegenseitig bekriegen, ist wirklich sehr amüsant. Die Macher haben es dabei verstanden, die verschiedenen Storylines der Stadt und von Jesper wunderbar ineinander zu verflechten, sodass wir schon fast beiläufig erfahren, was es mit Zwiespalting auf sich hat.
Der grummelige Holzfäller kommt ins Spiel
Nebst Jesper ist natürlich der Titelgebende Klaus der wichtigste Charakter dieser Geschichte. Ein grosser, ruhiger Holzfäller, der selten mehr als ein paar Worte sagt. Da ist es nicht sehr verwunderlich, dass Jesper anfangs fast panisch davon stolpert als Klaus auftaucht.
Objektiv gesehen ist Klaus‘ Rolle in diesem Film relativ voraussehbar. Dass er der Weihnachtsmann sein muss – oder vielleicht zu diesem wird, ist von Anfang an klar. Auch seine Charakterentwicklung ist relativ vorausschaubar: Ein ruhiger Mann, der die Einsamkeit liebt, weil ihm wohl etwas Schlimmes widerfahren ist. Dass aber weit mehr hinter der undurchschaubaren Fassade steckt, ist schnell klar.
Was macht also diesen Film so toll, obwohl er eigentlich etwas voraussehbar ist? Ich kann es nicht genau sagen. Ich denke, es ist einfach diese Geschichte, die uns ein verkrachtes Dorf präsentiert, das von zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, langsam befriedet wird. Dass es dabei die Kinder sind, die es mit ihrer Unschuld schaffen, den jahrhundertealten, unbegründeten Hass der Erwachsenen zu durchbrechen ist einfach nur süss, glaubwürdig erzählt und passt wunderbar zu Weihnachten.
„Klaus“ ist einfach ein Film, den man gerne schaut, weil er auch ein bisschen den Aufstieg und die Läuterung eines Underdogs zeigt. Und solche Sachen sehe bestimmt nicht nur ich gerne. Gefallen hat mir auch der Witz des Films, der mir mehr als einmal ein Lachen entlockt hat.
Ein zeichnerisches Meisterwerk
In einer Zeit, in der 3D-Animationsfilme die Welt beherrschen, einen 2D-Animationsfilm für Kinder herauszubringen, ist sehr mutig. Aber schaut man sich „Klaus“ an, sieht man rasch, dass er optisch wenig mit den Hochglanzproduktionen von Disney zu tun hat.
Die Macher hinter dem Streifen haben einen Stil gefunden, der einfach toll aussieht. Am ehesten könnte man es wohl als animierte Illustrationen bezeichnen, die stellenweise sogar ein bisschen aussehen, als wären sie 3D. Müsste ich das mit einem bisherigen Animationsfilm vergleichen, käme wohl am ehesten Spider-Man: Into the Spiderverse an die visuelle Einzigartigkeit von „Klaus“ heran.
Fazit zu „Klaus“
Unter dem Strich ist „Klaus“, trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit ein wirklich schöner Weihnachtsfilm – optisch wie inhaltlich. Kinder dürften den Film sowieso lieben, aber auch Erwachsene werden mit „Klaus“ sicher 97 vergnügliche Minuten verbringen. Und wer nahe am Wasser gebaut ist, dürfte sogar das eine oder andere Tränchen verdrücken – mir ging es jedenfalls so.
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