Am 19. Oktober 2023 hat der bereits 2019 von Alexandre O. Philippe (78/52) erstveröffentlichte Dokumentarfilm Leap of Faith: Der Exorzist seine Blu-ray und DVD Premiere gefeiert. Ob die Doku dabei als Essayfilm neuen Spirit in den schon 50 Jahre alten Film bringt oder sich das täglich grüssende Murmeltier hier eingeschlichen hat, möchte ich euch in meiner nachfolgenden Kritik verraten.
William Friedkin und die Entstehungsgeschichte von Der Exorzist
Anekdotenreich berichtet Regisseur William Friedkin darin über die Entstehungsgeschichte seines Horrormeisterwerks Der Exorzist (1973), der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Der am 7. August 2023 verstorbene Regisseur zählt vor allem zu einem der wichtigsten Vertreter des New Hollywood Kinos und gewann mit dem authentisch inszenierten Polizeifilm Brennpunkt Brooklyn einen Oscar. Mit seinem Horrorfilm Der Exorzist nach einem Roman und Drehbuch von William Peter Blatty gelang ihm schliesslich ein weiterer Achtungserfolg und ein Film, der auch über das Genre hinaus zu einem der grössten Klassiker der Filmgeschichte avancierte.
Dabei verkommt der Film nie zu einem Gruselkabinett und ist allen voran emotionsgeladenes Erzählkino mit einem effektiven Einsatz von heute noch schockierenden Effekten. Die zu Beginn liebevoll gezeichnete familiäre Atmosphäre zwischen Tochter und Mutter steht hier im schockierenden Kontrast zum unheilvollen Eindringen des absolut Bösen in die unschuldige kleine Regan. Die Frage nach dem Glauben und die Hoffnung auf Erlösung des Bösen ist jedenfalls auch heute noch ein brisantes Thema. Der Film begegnet diesen Fragen immer wieder mit gesellschaftskritischen Zwischentönen. Dadurch ist das Werk auch heute noch eine Ausgrabungsstätte für zahlreiche Interpretationen und Theorien und gilt trotz seines weltweit grossen Erfolgs als umstritten.
Alexandre O. Philippe blickt mit Leap of Faith erneut hinter die Hollywood-Kulissen
Der Schweizer Filmregisseur Alexandre O. Philippe hat sich vor allem in den letzten Jahren einen Namen mit seinen zahlreichen Filmdokumentationen gemacht. So hat er mit The People vs. George Lucas (2010) die fanatische Liebe zur Star Wars-Reihe komödiantisch aufgegriffen, mit Doc of the Dead (2014) den Zombiefilm dokumentarfisch thematisiert, mit 78/52 (2017) die Duschszene in Psycho aufgearbeitet oder mit Lynch/Oz den Einfluss des Filmklassikers Der Zauberer von Oz näher beleuchtet.
Für seinen Dokumentarfilm Leap of Faith: Der Exorzist besuchte er William Friedkin in seinem Wohnzimmer und liess seiner Redekunst weitgehend freien Lauf. Dabei ist vor allem der freie Inszenierungsstil des Regisseurs eine der grössten Stärken dieser Doku. William Friedkin bekommt hier gefühlt alle Zeit der Welt, um in sämtliche Richtungen rund um die Entstehung seines Films ausschweifen zu können. Dennoch sind seine zahlreichen Anekdoten nie langweilig oder gar irrelevant, sondern immer wieder das Fundament zur Inspiration für seinen grössten Film.
Regisseur William Friedkin enthüllt die Geheimnisse hinter Der Exorzist in seinem Wohnzimmer
So erzählt Friedkin welche Filme und Regisseure ihn inspiriert haben, berichtet lebhaft und detailliert über seine spezielle Arbeitsweise, die herausfordernden Bedingungen am Set und analysiert auch vereinzelte Szenen. Damit lädt dieser Dokumentarfilm natürlich dazu ein, sich den Film erneut anzusehen, da es Friedkin schafft trotz zahlreicher Hintergründe die eigentlich faszinierende Essenz nie zu entzaubern, da er die vollständige Entschlüsselung vor allem auch seinem Publikum überlässt. Nachdem William Friedkin selbst auch immer wieder Vergleiche, Symboliken oder Verweise mit einbaut, werden seine aufflammenden Worte zusätzlich mit stimmigen Bildern und Szenen untermalt. Das einfach gehaltene Setting ist somit die Basis einer tiefgreifenden Reise in die Entstehungsgeschichte dieses Films und seinen Glaubensfragen und bietet auch einen Zugang in die Weltanschauung und Gefühlswelt des Regie-Altmeisters.
Für wen ist dieses sowohl inhaltliche als auch visuell überzeugende Essay geeignet?
Allen voran natürlich für Fans des Regisseurs William Friedkin und seinem Film Der Exorzist. Selbst eingefleischte Fans erfahren hier sicherlich die ein oder andere neue Anekdote, die den Blick auf den gesamten Film verändern könnte. Allerdings ist diese Doku ebenso eine Liebesbotschaft an das Kino und damit auch allen Cineasten ans Herz gelegt, die sich gerne auf hintergründige Spurensuche grosser Filme begeben wollen. Für Quereinsteiger ist es schliesslich zumindest ratsam diesen filmischen Meilenstein vorab mind. einmal gesehen zu haben, denn ohne Spoiler kann eine solche Doku erst gar nicht richtig funktionieren. Und jeder, dem es zu mühselig ist Untertitel zu lesen, kann sich auf der Blu-ray und DVD auf ein deutsches Voice Over eingesprochen von Sven Brieger (Friedkin) und Benjamin Plath (Interviewer) freuen.
Leap of Faith ist ein zeitloses Vermächtnis für William Friedkin und sein Werk
Letztlich ist Leap of Faith für mich damit ein würdiges letztes Vermächtnis an William Friedkin. Über seinen Tod hinaus hat er mit Der Exorzist ein Werk geschaffen, das mitsamt dieser Doku sicherlich auch die nächsten 5 Jahrzehnte und darüber hinaus nichts an seiner Brisanz und Brillanz verlieren wird. Alexandre O. Philippe ist in diesem Zusammenhang somit auch ein faszinierendes Portrait über die Denkweise und Gefühlswelt von William Friedkin gelungen. Ihr könnt Leap of Faith seit dem 23. Oktober 2023 auf DVD oder Blu-ray erwerben. Zudem gibt es die Dokumentation auf Apple TV zum Mieten.
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
Kommentar schreiben