Levy Rico Arcos Vincent Wiemer und Aaron Maldonado Morales aus Sonne und Beton

Sonne und Beton: Das Sozialdrama von Podcaster Felix Lobrecht

Am 2. März kam Sonne und Beton von David Wnendt in die Kinos. Das Coming-of-Age-Drama basiert auf dem gleichnamigen Roman des Comedians und Podcasters Felix Lobrecht. Nachdem sich das autobiografisch inspirierte Buch schnell als Bestseller entpuppt hat, war es nur eine Frage der Zeit, bis der Stoff verfilmt wurde.

Davon handelt Sonne und Beton

Berlin, Sommer 2003: Die Jugendlichen Lukas, Julius und Gino leben in der Gropiusstadt im Bezirk Neukölln. Diese gilt seit den 80er-Jahren als sozialer Brennpunkt und besteht nur aus Sozialbauwohnungen. Versiffte Wohnungen, mit Graffiti versprühte Fassaden, Scherben, Dealer – wer hier lebt, ist entweder Gangster oder Opfer. Es gilt das Motto «Der Klügere tritt nach». Dieselbe Stimmung widerspiegelt sich auch in der lokalen Schule, die Lehrer verzweifeln und setzen nur wenig Hoffnung auf die eher unbelehrbaren Schüler.

Und genau in diesem Kosmos wachsen Lukas, Gino, Julius sowie der kürzlich neu hinzugezogene Sanchez auf. Lukas überzeugt in der Schule zwar durch sein Schreibtalent, auf der Strasse wird er jedoch kaum wahrgenommen. Er bewundert jedoch seinen älteren Bruder Marco, der sich mit krummen Dingen seinen Lebensunterhalt verdient. Gino lebt in ständiger Angst vor seinem gewalttätigen und cholerischen Vater. Julius ist der Draufgänger der Clique und haust mit seinem älteren Bruder in einer versifften Wohnung. 

Alle träumen von mehr Geld, Erfolg bei den Mädchen und einem besseren Leben. Da sie jedoch kaum Chancen haben, verbringen sie den Sommer mit gemeinsamen Abhängen und Kiffen. Als sie im Park Gras kaufen wollen, geraten sie zwischen rivalisierende arabische Dealer. Diese verprügeln Lukas und wollen 500 Euro Schutzgeld. Doch wie lässt sich das Geld so schnell auftreiben? Da kommt der Clique die neueste Anschaffung der Schule gerade recht: Funkelnagelneue Computer für die Schüler. Die Teenies brechen daher nachts in ihre Schule ein, klauen die Rechner und versuchen diese zu verkaufen. Ob ihnen das Unterfangen gelingt?

Lucio101 Levy Rico Arcos und Vincent Wiemer aus Sonne und Beton
In der Gropiusstadt hängen die Teens am liebsten im Park. | Bild: Constantin Film Verleih / Praesens-Film

Wenn die Opfer zu Täter werden…

David Wnendt beleuchtet in Sonne und Beton ungeschönt das Leben der vier Teenies Lukas, Julius, Gino und Sanchez sowie den restlichen Bewohnern der Gropiusstadt. Diese leben mit der Angst, entweder an der nächsten Strassenecke oder zu Hause verprügelt zu werden. Und genau diese Angst, steht den Darstellerin ins Gesicht geschrieben. Wohl deswegen wagen sie den Versuch, die PCs der Schule zu stehlen. Sie handeln quasi aus purer Notlage, was erschreckend anzusehen ist. Gerade deshalb, wenn man als Zuschauer nicht in solchen Gegenden aufgewachsen ist, jedoch weiss, dass ähnliche Verhältnisse ein paar Kilometer vom eigenen Wohnort herrschen. Das führt natürlich dazu, dass man mit den Protagonisten sympathisiert. Dies, obwohl sie im Grunde genommen unbelehrbar und egoistisch sind, sowie eine Straftat begehen und unreflektiert handeln.

Wael Alkhatib und Derman Eker als Djamel und Hamudi
Der Araber-Clan sorgt für Unruhe im Gebiet. | Bild: Constantin Film Verleih / Praesens-Film

Authentizität durch Gossensprache

Besonders authentisch wirken die Story und somit der Film, da praktisch alle Dialoge in der Gossensprache verfasst sind. Oftmals ist die Sprache in vielen deutschsprachigen Produktionen oftmals zu gestelzt und lassen die Gespräche zu künstlich wirken. Daher ist das ein Punkt, der dem Film eine absolute Glaubwürdigkeit verleiht. Als Schweizer muss ich persönlich zugeben, dass ich teilweise Mühe mit der Ausdrucksweise, gepaart mit dem Neuköllner-Berliner-Dialekt, hatte. Auch ist die Tonmischung nicht so ganz «doll». Womöglich liegt das daran, dass ausschliesslich der O-Ton vom Set genutzt wurde, der dann mit in der Postproduktion hinzugefügten Geräuschen kombiniert wurde. Deutlich besser ist der Look des Films gelungen. So sehen die Bilder stark grobkörnig aus. Dieses Rauschen erzeugt einen coolen Retro-Look, der stark an die Nullerjahre erinnert und das Drama aufwertet.

Felix Lobrecht über Sonne und Beton

Im Rahmen des Kinostarts wurde uns ein Videointerview mit Felix Lobrecht zur Verfügung gestellt. Die Fragen wurden durch den Verleiher gestellt. Ein paar seiner Antworten haben wir für euch hier aufgelistet.

Felix Lobrecht im Interview Sonne und Beton
Hat das Drehbuch für Sonne und Beton geschrieben; Felix Lobrecht. | Bild: Constantin Film Verleih / Praesens-Film

Wie war es für dich, ein Drehbuch zu schreiben?

Ich wusste nicht, wie man ein Drehbuch schreibt. Also bin ich da so angenehm naiv rangegangen und habe mir deshalb auch nicht so viele Gedanken darüber gemacht, was jetzt alles hätte schiefgehen können. Aber jetzt rückblickend ist es auch wirklich schon ein sehr intensiver Prozess.

Wie verlief die Zusammenarbeit mit Regisseur David Wnendt?

Wir haben sehr viel gelacht, aber uns auch sehr viel angeschrien – aber es war egal. Es ging halt ums Projekt. Bei einigen Dingen hat er darum gekämpft, bei anderen Sachen habe ich hingegen gekämpft und das war sehr, sehr fruchtbar und sehr intensiv. Ich habe ihm erstmal die ganzen Spots gezeigt und wir sind da herumgelaufen, um den «Vybe» zu fühlen. Es hat sich auch viel verändert in der Gropiusstadt. Das muss man ganz klar sagen. Früher war gefühlt mehr Trubel und Leben auf der Strasse und viele Häuser wurden auch noch saniert und alles wurde ein bisschen schicker gemacht. Aber es war wichtig, dass er das sieht. Dies, damit er diese Bilder in den Kopf kriegt und sich vorstellen kann, wo etwas cool funktionieren würde.

Wie die Protagonisten bist auch du in der Gropiusstadt aufgewachsen. Wie war deine Zeit dort?

Meine Jugendzeit war sehr diffus. Ich war nur draussen, habe dort rumgehangen, irgendwie Sport gemacht, aber irgendwie auch viel gekifft und irgendwie also völlig auf der Suche nach irgendwas, nach Anerkennung, nach Mädchen und nach Geld. Man war irgendwie auf der Suche – nach sich selber. Man ist auf der Suche, irgendwie und weiss nicht, ob man es irgendwann findet. Und ganz viele finden es ja nie.

Levy Rico Arcos Aaron Maldonado Morales Rafael Luis Klein-Hessling und Vincent Wiemer aus Sonne und Beton
Was die Zukunft für die Protagonisten bereithält? | Bild: Constantin Film Verleih / Praesens-Film

Ihr habt den Film ja in der Gropiusstadt gedreht. Wie empfanden die Bewohner die Dreharbeiten?

Einige der Darsteller kommen ja auch aus der Gropiusstadt. Sie hatten dort auch viele Freunde. Die waren alle alle heiss drauf. Viele von den Kids, die da einfach so rumrennen, die fanden es auch einfach so spannend und cool. Bezüglich der Statisten haben wir auch darauf geachtet, dass wir so möglichst viele Leute aus der Gegend einbeziehen. Damit die sich da abgeholt fühlen. Mir war es auch wichtig, nicht so wie jetzt, wie ein Fremdkörper von aussen da hinzukommen, sondern zu zeigen, dass wir sie respektieren. Aber wir haben auch wirklich alles da gedreht. Wir haben auch viele Aushänge gemacht, dass wir Wohnungen gebraucht haben, in denen wir drehen können. Da war auch eine hohe Beteiligung.

Was macht Sonne und Beton aus?

Ich glaube, was wirklich cool an dem Film ist, dass man da wirklich auf eine nicht-oberlehrerhafte Art und Weise etwas lernt. Und wenn es nur einfach die Möglichkeit ist, mal in andere Lebensrealitäten irgendwie hinein zu gucken, die man sonst einfach nicht mitkriegt. Heutzutage, wird sehr auf Diskriminierung und Benachteiligung geachtet, sowie darauf, dass alles sehr politisch korrekt ist. Das ist alles cool und richtig. Aber selbst mit dieser Awareness für diese ganzen Themen ist Armut irgendwie immer noch nicht wirklich ein Thema in der Breite und ich glaube, dass es das ist, dass der Film vielleicht einen Beitrag leisten kann, sich auch mit diesem Thema einmal ein bisschen auseinanderzusetzen.

Sonne und Beton läuft weiterhin in den Kinos in Deutschland, Österreich und der Schweiz.