The Billion Dollar Code mit Mark Waschke Mišel Matičević und Lavinia Wilson

The Billion Dollar Code: Die Miniserie beleuchtet den Kampf nach Gerechtigkeit

Mit The Billion Dollar Code erzählt uns Netflix eine Geschichte, die wohl nur sehr wenige kennen. Die neue deutsche Miniserie basiert auf wahren Begebenheiten, die in den 90ern begannen und sich bis 2017 zugetragen haben. Die neue Netflix-Produktion ist sehr erfolgreich unterwegs und befindet sich seit dem Start am 7. Oktober in den Top10-Charts der Schweiz. Woran liegt das?

Zwei Pioniere verlangen Gerechtigkeit

Berlin, Gegenwart; Die Anwältin Lea Hauswirth und ihre Anwaltskanzlei lädt die mittlerweile gealterten Computerfreaks Carsten Schlüter und Juri Müller für Einzelbefragungen ein. Ihr Vorhaben ist ungewöhnlich: Sie planen, den Grosskonzern Google wegen Patentrechtsverletzung anzuklagen. Dazu laden sie die beiden ein, um sich genügend auf den Prozess vorzubereiten. Doch was war passiert? 

Im Berlin der 90er-Jahre trifft der Kunststudent Carsten Schlüter auf den Nerd Juri Müller. Carsten hat grosse Visionen und experimentiert bereits mit der Virtual Reality-Technologie, hat aber nicht das umfassende Wissen, um seine Ideen zu verwirklichen. Zu dieser Zeit stecken solche PC-Technologien sowieso noch in den Kinderschuhen und werden von vielen als pure Zukunftsmusik abgetan und verspottet.

Leonard Scheicher und Marius Ahrendt aus The Billion Dollar Code
Carsten Schlüter und Juri Müller wollen mit ihrer Idee Grosses bewirken. | Bild: Netflix

Der Künstler und der Hacker verbünden sich

Da kommt ihm Juri gerade recht. Dieser gehört einer Hackergruppe an und besitzt ausgezeichnete Programmierkenntnisse. So erfindet das Team mithilfe der deutschen Telekom Terra Vision, eine Software mit der es möglich ist, jeden Ort auf der Welt mittels Satellitenbildern anzuschauen. Mit Mühe und Not können sie das Projekt namens Terravision gerade noch zum Start der Telekommunikations-Konferenz ITU in Kyoto fertigstellen und dort 1994 einem weltweiten Publikum vorstellen. 

Durch die internationale Aufmerksamkeit bekommt der Internetpionier Brian Anderson aus dem Silicon Valley Wind von Terravision und lädt die beiden Newcomer und mittlerweile Besitzer der Firma Art+Com sogleich zu sich ein. Sie erzählen ihm von ihren Visionen, die in dem Amerikaner sichtlich Begeisterungen hervorrufen. Als ein paar Jahre später die Software Google Earth vorgestellt wird, trauen Carsten, Juri sowie ihr gesamtes Team ihren Augen nicht. Das neue Programm sieht genauso aus wie Terravision. Sie erfahren, dass niemand geringeres als Brian Anderson hinter der Entwicklung von Google Earth steckt. Hat er den von Juri konzipierten Algorithmus etwa gestohlen und damit eine Patentrechtsverletzung begangen?

So sucht das Team verzweifelt nach einer Anwaltskanzlei, welche bereit dazu ist, sich ihrem Fall anzunehmen. Erst viele Jahre später gelingt ihnen dieses Vorhaben, aber können sie es mit dem gewaltigen Konzern aufnehmen?

The Billion Dollar Code
Begeisterte Besucher in Kyoto wollen Terra Vision unbedingt ausprobieren. | Bild: Netflix

Ein kostspieliger Rechtstreit der Unmöglichkeit

Die Serie schildert den unglaublichen Kampf für Gerechtigkeit. Es ist nicht neu, dass sich ein Grosskonzern an der Idee eines kleinen Unternehmens bereichert und dieses nicht dementsprechend entschädigt. Jemanden anzuklagen und wegen Patentrechtsverletzung vor Gericht zu ziehen, ist in den USA sehr teuer. So kostet ein Patentstreit rund 5 Million Dollar, gemäss den Aussagen von Martin Silbernagel. Er war als Prozessmakler bei der Klage von Art+Com dabei und beriet die Geschädigten. Diese Informationen und spannende Hintergrundinfos über die Entstehung der neuen Miniserie sowie Interviews mit den am Prozess Beteiligten, findet man im Kurzfilm Making The Billion Dollar Code auf Netflix.

Gut ausgesuchter Cast macht The Billion Dollar Code zum Serien-Highlight

Die Miniserie basiert auf wahren Begebenheiten. Spannend ist der Fakt, dass die Macher um Regisseur Robert Thalheim sich entschieden haben, aus all den involvierten Personen, zwei Figuren zu machen. So erzählte es uns der Regisseur im Videointerview. Dadurch lässt sich die Geschichte schlanker darstellen. Gespielt werden die zwei Charaktere Carsten Schlüter und Juri Müller von vier Personen. Mark Waschke und Mišel Matičević verkörpern die Protagonisten in der Gegenwart, die in den Kampf um die Wahrheit ziehen. Ihre beiden jüngeren Egos werden von Leonard Scheicher und Marius Ahrendt verkörpert. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Alten und die Jungen gleichen. Da haben die Casting-Verantwortlichen ein gutes Händchen bei der Auswahl bewiesen. 

Um die Figuren in den unterschiedlichen Zeiten realistisch darstellen zu können, verpasste man Marius Ahrendt sogar eine künstliche Nase – und mehr Gewicht. Wie der Film- und Serien-Newcomer mit diesen Veränderungen umgegangen ist, ist im Video weiter unten zu sehen. Ihm kauft man den dargestellten, jungen Nerd Juri sofort ab. So jongliert er beispielsweise mit einem schwer verständlichen Tech-Vokabular, welches Laien trotz fehlendem Fachwissen nicht langweilt. Das liegt daran, dass er mit einer unglaublich begeisterten und motivierten Art sein Talent rüberbringt. 

Lavinia Wilson, die u.a. für Deutschland 98 oder Schossgebete bekannt ist, verkörpert die taffe und schlagfertige Anwältin Lea Hauswirth. Ihre Darstellung ist dank der gegebenen Charaktertiefe sehr glaubwürdig. So schildert sie in einem eindrücklichen Monolog ihren Sinn für Gerechtigkeit, der beim Zuschauer ein gutes Verständnis für ihre Figur erwirkt.

Lavinia Wilson aus The Billion Dollar Code
Die Anwältin Lea Neuwirth verteidigt Art + Com vor Gericht | Bild: Netflix

Tolles Set-Design und schöner Look

Die Serie ist aber nicht nur hinsichtlich der Darsteller ein Highlight. Ein anderer Grund dafür ist der Look. So sind die Rückblenden der 90er-Jahre mit einem grün blauen und leicht bräunlichen Farbton versehen. Die Szenen in der Gegenwart sind dagegen viel klarer und leicht bläulich. Dies verleiht The Billion Dollar Code ein gewisses Etwas. Ein weiterer Pluspunkt bietet der Soundtrack, der einen leichten Elektro-Techno-Stil aufweist und geschickt mit der Musik der jeweiligen Epoche vermischt wird.

Auch beim Set-Design haben sich die Macher viel Mühe gegeben und beispielsweise das Atelier von Art+Com, Sillicon Graphics oder die Fachmesse in Kyoto sehr glaubwürdig und detailverliebt dargestellt. So bietet die Serie eine gute Gelegenheit, in die 90er-Jahre einzutauchen und die Zeit, in der man noch ohne Smartphone mit Instagram herumlief, zu erleben. Ich denke, dass diese Serie daher einen guten Einblick bietet und vor allem bei der jüngeren Generation ein Verständnis für die damalige Technik erwirkt.

Mein Fazit zu The Billion Dollar Code

Aufgrund der oben genannten Gründe ist die neue deutsche Miniserie ein absolutes Highlight des Jahres. Sie schildert nicht nur einen bewegenden und aussichtslosen Kampf um eine Idee, die ein paar Nerds hatten, sondern zeigt eindrücklich das Wachstum der Computerwelt. Ich zum Beispiel spielte meine ersten Spiele auf Windows XP, welches auf einem grossen PC mit Röhrenbildschirm lief. Auch an die ersten Layouts von Suchmaschinen wie Google oder Online-Verkäufer wie Ebay erinnere ich mich noch gut. Dass ich das Internet, einen Taschenrechner, eine Landkart oder Bücher eines Tages in der Hosentasche herumtragen werde, hätte ich nie gedacht. Genauso wenig wie die meisten Menschen, die in den 90ern gelebt und mit Computern gearbeitet hatten. Nur wenige waren Visionäre wie das Team und Art+Com, welches sich damals nicht im Klaren war, dass ihre Idee gestohlen wird. Diese Serie erzählt die Wahrheit von wahren Pionieren, die viel zu lange verborgen blieb.

Unsere Video-Interviews

Anlässlich der Weltpremiere von The Billion Dollar Code am 17. Zurich Film Festival, haben wir Regisseur Robert Thalheim und einen Teil des Casts zum Video-Interview getroffen.

Interview mit Regisseur Robert Thalheim

Interview mit Lea Neuwirth-Darstellerin Lavinia Wilson

Interview mit Juri Müller-Darsteller Marius Ahrendt