Seit 11. April ist die oscarprämierte Tragikomödie The Holdovers unter der Regie von Alexander Payne (Election, About Schmidt) auf Blu-ray und DVD verfügbar! Darin sind in den zentralen Rollen Paul Giamatti, Dominic Sessa und Da’Vine Joy Randolph zu sehen. Ob The Holdovers dabei der Balanceakt zwischen Komödie und Drama gelingt, möchte ich euch in meiner anschliessenden Kritik verraten!
Eine unerwartete Gemeinschaft in Neuengland
Erzählt wird die Geschichte des Lehrers Paul Hunham, der sowohl bei den Schülern als auch im Kollegium als nerviger Zeitgenosse gilt. Nachdem er selbst keine Familie hat und auch sonst in den Weihnachtsferien des Jahres 1970 keinerlei freundschaftlichen Kontakte pflegt, bleibt er im elitären Internat zurück, um sich um all jene Schüler zu kümmern, die Weihnachten nicht zurück zu ihren Familien fahren können. Nach wenigen Tagen ist dabei nur noch ein Schüler mit dem Namen Angus übrig. Trotz seiner guten schulischen Leistungen droht er aufgrund seines schlechten Verhaltens von der Schule zu fliegen.
Neben Lehrer Paul und Schüler Angus ist auch die Chefköchin Mary vor Ort. Eine afroamerikanische Frau, die sich um die bevorrechtigten Schüler kümmert. Ihr eigener Sohn ist allerdings kürzlich im Vietnamkrieg gefallen. So verbringen drei erstmal augenscheinlich verschiedene zwangsgestrandete Individuen zwei ziemlich verschneite Weihnachtswochen in Neuengland. Dabei wird die winterliche Schicksalsgemeinschaft mit so manchen Komplikationen konfrontiert sowie mit der Erkenntnis das Beste aus den nun gegebenen Umständen zu machen.
Paul Giamatti trägt das feinfühlige Charakterdrama
Alexander Payne gelingt mit The Holdovers ein feinfühlig inszeniertes Charakterdrama mit komödiantischen Untertönen. Dabei entwickelt sein Film vor allem in seinen vielen Momenten der Ruhe eine besonders tiefgründige Atmosphäre, die sich die nötige Zeit nimmt um tief in das Seelenleben seiner Figuren zu blicken. Allen voran das Seelenleben von Mary, dass Da’Vine Joy Randolph so gefühlvoll auf den Bildschirm bannt verdient volle Anerkennung und der Film damit auch absolut verdient seinen Oscar für die beste Nebenrolle. Auch Dominic Sessa und allen voran Paul Giamatti können durch ihre authentischen Darstellungen überzeugen.
Vor allem Paul Giamatti bringt einerseits Witz aber als Aussenseiter auch Tragik ins Schauspiel. So darf seine Figur die grösste und berührendste Entwicklung hinlegen, die dem Film nach dem Abspann hinaus Nachdruck verleiht. Dabei sorgt vor allem seine Griesgrämigkeit für viele humorvolle Untertöne, aber es ist in erster Hinsicht die Fassade dahinter für die sich der Film interessiert. Also das aufrichtige Aufsuchen nach Herzlichkeit, die sich hinter der aufgesetzten Strenge von Lehrer Paul Hunham verbirgt und sich so langsam dank Schüler Angus zu entfalten beginnt, was letztlich für die emotionalsten Momente sorgt. Dabei dient die Komik meist als Würzung des dramatischen Ursprungs und befördert den Film immer wieder entgegen einer allzu schematisch verlaufenden rührseligen Inszenierung.
The Holdovers bietet nostalgischen Retro-Charme
Auch stilmittelbedingt kann The Holdovers punkten und nutzt die 70er Jahre nicht nur auf Ebene seiner Erzählungen, sondern auch in der visuellen Gestaltung. Das fängt bereits bei der Wahl der alten Intros der beteiligten Filmstudios an. Bzgl. der Bildgestaltung hat man dann trotz der Verwendung von digitalen Kameras die Aufnahmen in der Nachbearbeitung in den Look einer 70er Jahre Studioproduktion gebracht bei der natürlich das analoge Filmkorn und vereinzelte Schmutzpartikel nicht fehlen dürfen. Selbst Textelementen hat man einen leicht zittrigen Bildstand verliehen. Die Orientierung an ältere Filmproduktionen wird nicht zuletzt auch dank der statischen Kameraeinstellungen und dem langsamen Schnitttempo konsequent zu Ende gedacht und verleiht dem gleichermaßen gemütlich und wirkungsvoll, aber nicht langatmig erzählten Film die nötige Dynamik um auch kleinere emotionale Zwischentöne einzufangen. Weiterhin trägt auch die Filmmusik zum nostalgischen Gesamtflair bei, welche die nötige aufrichtige Intensität und eine gewisse Lagerfeuerstimmung erzeugt.
Mein Fazit zu The Holdovers
The Holdovers gelingt es als Charakterdrama mit gewürzten humorvollen Untertönen zu berühren. Dabei ist vor allem Da’Vine Joy Randolph ein schauspielerischer Glücksfall. Für den emotional richtigen Ton sorgt aber vor allem auch Paul Giamatti, der die mitreissendste Entwicklung seiner Figur hinlegen darf. Die Klaviatur der stilistischen Töne weiss The Holdovers darüber hinaus ebenso gekonnt zu bedienen und entwickelt dank seiner statischen Kameraarbeit, dem langsamen Schnitt und seiner Musik die aus meiner Sicht passende nostalgische Grundstimmung. Der Ton stimmt damit also rundum für diesen womöglich zukünftigen Klassiker!
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
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