Claire Foy und Joshua Leonard aus Unsane-Ausgeliefert

Unsane – Ausgeliefert oder ein psychotischer Trip über das Kuckucksnest

Was wäre, wenn ein Regisseur einen Film fast komplett mit einem iPhone 7 Plus drehen würde? Und ist das technisch überhaupt ansehnlich? Diese Antwort liefert uns Steven Soderbergh mit seinem Horror-Thriller Unsane – Ausgeliefert aus dem Jahr 2018. Unterstützt wird Soderbergh dabei von seiner Hauptdarstellerin Claire Foy als Sawyer Valentini sowie in weiteren Rollen u.a. Joshua Leonard als David Strine/George Shaw, Jay Pharoah als Nate Hoffman und Juno Temple als Violet. In einer ganz kleinen Nebenrolle ist zudem Matt Damon als Detective Ferguson zu sehen.

Claire Foy als Sawyer Valentini aus Unsane
Sawyer nutzt die argumentative Schiene, um aus der Klinik zu kommen. | Bild: 20th Century Studios DE / Fingerprint Releasing / Bleecker Street

Vom Verfolgungswahn geplagt…

Der Film handelt von Sawyer Valentini, die von Boston nach Pennsylvania umgezogen ist, um als Datananalystin für eine Bank arbeiten zu können. Neben der Arbeit sucht sie sich Männer mittels Dating-Apps für One-Night-Stands. Hauptsächlich, um ihre Lust zu befriedigen. Als Sawyer allerdings eines Tages einen solchen Mann aus einer Bar mit zu sich nach Hause nimmt, erschrickt sie kurz bevor es zum Sex kommt. Sie sieht in diesem Mann den Stalker David Strine, der sie früher zwei Jahre lang verfolgte.

Der Zuschauer erfährt damit so langsam, dass sie seit dem Stalking nicht mehr dieselbe zu sein scheint und in diesem Zusammenhang eine neurotische Störung davongetragen hat. Ausserdem bildet sich Sawyer ein, diese Person noch immer an den unterschiedlichsten Orten sehen zu können. Aus diesem Grund erhofft sie sich bei dem Besuch einer Psychiaterin in der Highland-Creek-Klinik für Verhaltenstherapie eine Besserung ihres Leidens. Als sie allerdings nach der ersten Sitzung ohne Wissen ein Dokument unterzeichnet, dass der Klinik erlaubt, sie für 24 Stunden unter Beobachtung aufzunehmen, beginnt für Sawyer der Horrortrip ihres Lebens.

Claire Foy aus Unsane-Ausgeliefert
Sawyers Ruf nach Gerechtigkeit stösst gegen fixierende Massnahmen. | Bild: 20th Century Studios DE / Fingerprint Releasing / Bleecker Street

Soderbergh griff für Unsane zum iPhone

Das Spezielle an diesem «MeToo-Thriller» ist die besondere Voraussetzung, unter der Unsane erst entstanden ist. Denn Regisseur Steven Soderbergh, der sich auch hinter den Synonymen Peter Andrews und Mary Ann Bernard für die Kameraarbeit und den Schnitt des Films verantwortlich zeichnet, hat fast den gesamten Thriller mit einem iPhone gedreht. Grund für diese Entscheidung war für ihn angeblich die reine Neugier etwas Neues auszuprobieren. Zudem entschied er sich dafür, die US-Vertriebsrechte an seinem Film zu behalten und nicht einem Studio zu übertragen. Dadurch hatte er auch die Kontrolle über die Marketingkampagne. Ursprünglich war auch nur die Veröffentlichung über einen Streamingdienst geplant, aber dann war Steven Soderbergh von der Bildqualität seines experimentellen Films so überzeugt, dass er ihn auf die Kinoleinwand brachte. Die Frage ist aber, ob das filmisch nun auch wirklich harmoniert?

Joshua Leonard aus Ausgeliefert
Das Grauen ist allgegenwärtig. | Bild: 20th Century Studios DE / Fingerprint Releasing / Bleecker Street

Schöne Bilder trotz Überbelichtung und softem Look

Für diesen speziellen Film, der sich im Grunde komplett auf seine Hauptdarstellerin und ihren psychischen Kampf mit sich selbst konzentriert, funktioniert das iPhone als zweckentfremdetes Kamerasystem jedenfalls bestens. Die Aufnahmen des iPhones liefern dabei auch eine einigermassen annehmbare Qualität, die allerdings aufgrund von Überbelichtungen bei hellen Flächen und einem teils soften Look ausserhalb der Bildmitte nicht die technischen Voraussetzungen einer Filmkamera mitbringt und den direkten Vergleich qualitativ somit auch nicht standhalten könnte. Stilistisch wiederum passt das alles perfekt zum Gesamtkonzept dieses Paranoia-Thrillers. Vor allem der Zuschauer erhält dabei im späteren Verlauf des Films das Gefühl von Nahbarkeit und einer pausenlos folgenden Intimität mit dem Hauptcharakter.

Claire Foy aus Unsane
Sawyer bei der Medikamenteneinnahme vor dem Schlafen gehen. | Bild: 20th Century Studios DE / Fingerprint Releasing / Bleecker Street

Der richtige Blickwinkel sorgt für Atmosphäre

Die iPhone-Kamera und die gewählten Kameraeinstellungen entwickeln zudem mit vielen Nahaufnahmen, aber auch panoramaartigen Distanzaufnahmen eine packende Sogwirkung, die es einem erleichtert, in diesen Film tief einzutauchen und sich von der Spannung vereinnahmen zu lassen. Die voyeuristisch gewählten Blickwinkel sorgen dabei für einen unheilvollen Spannungsaufbau. Es ist vor allem aber auch die minimalistisch eingesetzte Kameraarbeit ohne bombastisches Effektgewitter, die das Grauen der Situation aufs Maximum befördert. Auch gelingt es dem Thriller in diesem Zusammenhang geschickt, eine einschüchternde Atmosphäre zu erzeugen, die den Zuschauer über lange Strecken ebenso im Stich lässt wie seine Hauptprotagonistin.

Joshua Leonard als David Strine aus Unsane-Ausgeliefert
Ist David Strine eine Einbildung oder eine reale Gefahr für Sawyer? | Bild: 20th Century Studios DE / Fingerprint Releasing / Bleecker Street

Glaubwürdige Performances dank starkem Cast

Das Besondere ist dann aber, dass man sich mit Sawyer Valentini zu Beginn nicht so richtig identifizieren kann und sie einem erstmal unsympathisch erscheint, bis schliesslich eine weitere wichtige Figur in den Film tritt, die ein bisschen Hoffnungsschimmer ins Dunkle und rätselhafte Filmgeschehen bringt. Die gesamten Darsteller liefern darüber hinaus zum grössten Teil glaubwürdige Performances ab, die zusammen mit den oft statisch gewählten Aufnahmen der iPhone-Kamera einen fast schon dokumentarischen Charakter entwickeln. Hier ist vor allem Joshua Lenoard als David Strine bzw. George Shaw gesondert hervorzuheben, der seine psychopathische Rolle sichtlich nuanciert durch sein gesamtes Gesicht mit teils heftigen emotionalen Entgleisungen zu jagen weiss.

Leiche aus Ausgeliefert
«Buchen sollst du suchen, Leichen sollst du weichen.» | Bild: 20th Century Studios DE / Fingerprint Releasing / Bleecker Street

Mein Fazit zu Unsane

Für alle Fans des Psycho-Thriller Genres ist Unsane jedenfalls eine absolute Empfehlung. Das iPhone als Kamera funktioniert in diesem speziellen Film sehr gut und trägt zur unheilvoll spannenden Atmosphäre des Films bei. Die Darsteller machen ausserdem einen grossartigen Job, um Unsane eine glaubwürdige Note mit dokumentarischem Charakter zu verpassen. Meiner Meinung nach ist es ein Thriller, der trotz seiner minimalistischen Inszenierung fesselnde Unterhaltung von Anfang bis Ende zu bieten hat und sich aus technischer Sicht traut, neue Wege zu beschreiten. In Zeiten des grossen Hollywood-Doppelstreiks ist ein solcher technisch minimalistisch produzierter Film ausserdem auch mal eine gelungene Abwechslung. Zumal uns ohnehin schon bald eine Hollywood-Blockbuster-Durststrecke bevorstehen könnte.

Ihr findet Unsane auf Apple TV+, im Google Play-Store sowie auf DVD und Blu-ray im Handel.

Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.