Seit dem 16. September ist auf den Leinwänden einmal mehr grosses, deutsches Kino zu sehen: Je suis Karl. Das Drama mit Luna Wedler und Jannis Niewöhner in den Hauptrollen wurde zudem am diesjährigen Zurich Film Festival in Anwesenheit von Wedler und Regisseur Christian Schwochow gezeigt. Der Film thematisiert den Aufstieg eines rechtsextremen Netzwerks, bestehend aus Jugendlichen aus ganz Europa. Leichte Kost ist Je suis Karl also definitiv nicht, was erwartet den Zuschauer mit diesem Drama?
Berlin als Opfer eines Terroranschlags
Maxi Baier kehrt nach ihrem Urlaub in Paris nach Berlin zu ihrer Familie zurück. Lieber wäre sie jedoch in Frankreich bei ihrer Grossmutter geblieben. Dennoch freut sie sich auf ihre Liebsten und auch ihr Vater Alex ist glücklich, seine Tochter wieder bei sich zu haben. Kaum ist Maxi wieder zuhause, verändert sich ihr Leben aber mit einem Schlag. Ein Packet, das ihr Vater an der Haustür entgegengenommen hat, entpuppt sich als Bombe und das halbe Haus wird bei einer gewaltigen Detonation zerstört. Maxi und ihr Vater überleben, schwer traumatisiert und ratlos ob dieses Terrors. Weshalb wurde gerade dieses Gebäude, in dem viele Familien mit ihren Kindern leben, als Ziel eines Terroranschlags gewählt? Berlin und ganz Europa sind schockiert und bekunden ihre Trauer. Für Maxi allerdings ist dies kein Trost, vielmehr wird sie nun pausenlos von der Presse bedrängt.
Auf ihrer Flucht vor den Journalisten, vor ihrem immer trauriger werdenden Vater und ihren eigenen Ängsten, trifft Maxi schliesslich auf Karl. Der junge Mann erzählt ihr von einer Studentenbewegung namens Summer Academy. Dementierend, dass es sich dabei um eine Sekte oder etwas Ähnliches handelt, lädt er Maxi nach Prag ein. Dort sollen sich bald alle Mitglieder der Gruppe treffen. Zusammen wollen sie ein neues Europa errichten, das so stark und geeinigt ist wie nie zuvor. Maxi traut diesem Angebot erst nicht, doch die Neugier und ihre Verzweiflung nach dem Tod ihrer Familie treiben sie schliesslich doch nach Tschechien.
Studentenverbindung oder rechtsextremes Netzwerk?
In Prag stellt sich die Summer Academy dann als das Netzwerk re/Generation heraus. Karl ist mit seiner charismatischen Art der perfekte Anführer und verspricht seinen Anhängern die perfekte Zukunft. Maxi verliert sich derweilen in den Fängen des jungen Mannes und verfällt seinen Versprechungen. Bald kann sie nicht mehr unterscheiden, was Richtig und was Falsch ist. Karl hingegen weiss genau, was er will. Zusammen mit seinen Freunden Pankraz und Ante plant er etwas ganz Grosses. Was hat der junge Mann mit seinem Netzwerk mit tausenden Anhängern vor und was bedeutet das alles für Maxi?
Je suis Karl thematisiert die Vergangenheit – und ist trotzdem aktuell
Immer mal wieder wird die Deutsche Geschichte und die rechtsextreme Vergangenheit des Landes in Filmen aufgegriffen. Je suis Karl reiht sich somit hinter grossartigen Streifen wie Die Welle ein. Doch das deutsche Drama mit Luna Wedler und Jannis Niewöhner ist viel mehr als nur eine Geschichte einer rechtsextremen Gruppierung. Regisseur Christian Schwochow hat es geschafft, ein gefährliches und tödliches Gedankengut in einen scheinbar normalen Alltag zu verpacken. Maxi Baier ist ein ganz normales Mädchen. Und doch gelingt es einem charismatischen Anführer, sie von seinen Ideen und Vorstellungen zu überzeugen; nicht zuletzt durch den Einsatz einflussreicher Influencer und neuen Medien. Der Film erhielt seinen Namen als Anspielung auf die Solidaritätsbekundungen nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Jahr 2015. Nicht grundlos wird Je suis Karl daher von einigen Online-Portalen als Schulstoff empfohlen. Geschichte, Politik und Ethik bekommen mit Je suis Karl einen spannenden, wenn auch düsteren Beigeschmack.
Doch Je suis Karl bietet nicht nur eine packende Geschichte mit düsterem Hintergrund. Auch der Cast kann sich durchaus sehen lassen. Die 1999 in Zürich geborene Schauspielerin Luna Wedler ist wohl vielen dank ihrer Hauptrolle in der Netflix-Serie Biohackers bekannt. Sie spielt das Mädchen Maxi unglaublich gut, verleiht ihrer Figur viele glaubwürdig dargestellte Emotionen und somit fiebert der Zuschauer sogleich mit ihr mit. Milan Peschel ist als ihr Vater Alex an ihrer Seite zu sehen. Mit ihm hat man direkt viel Mitleid und der Zuschauer wird Zeuge von Alex’ Niedergang in seine Trauer; eine wahrhaft dramatische Darbietung. Jannis Niewöhner hingegen spielt den jungen, motivierten, charismatischen Karl und scheint in seiner Rolle aufzublühen. Sein Schauspiel hat mich in Je suis Karl tatsächlich am meisten gefesselt. Zuletzt aufgefallen ist der Schauspieler im Thriller Cortex an der Seite von Moritz Bleibtreu.
Landesweiter Erfolg und womöglich ein Oscar für Je suis Karl?
Je suis Karl konnte bereits viele Erfolge verzeichnen, auch wenn das Drama erst seit kurzer Zeit in den Kinos läuft. Am Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern wurde Luna Wedler für die beste, darstellerische Leistung ausgezeichnet. Ausserdem errang Je suis Karl den Preis für die beste Musik und Vertonung. Beim Deutschen Filmpreis 2021 reichte es nicht ganz für eine Auszeichnung, doch immerhin wurden Luna Wedler, Jannis Niewöhner und Milan Peschel jeweils für die beste Haupt- und Nebenrolle nominiert. Zudem wird Je suis Karl für die Auswahl des deutschen Beitrags für die Oscarverleihung 2022 eingereicht und ist dank all den spannenden Aspekten der Geschichte eine absolute Empfehlung meinerseits.
Kommentar schreiben