Die wandernde Erde

Filmkritik: Die wandernde Erde – Netflix-Blockbuster made in China

Seit Mitte April 2019 läuft der Film Die wandernde Erde auf Netflix. Die chinesische Produktion gilt in ihrem Herkunftsland als Anwärter auf den Titel des erfolgreichsten Film des Jahres. Unter anderem deshalb konnte er bereits den Preis «Best Film» am renommierten International Film Festival in Beijing gewinnen. Kann sich der Film auch hierzulande zum Hit entwickeln?

Auf der Suche nach einer neuen Heimat

In ferner Zukunft beginnt unsere Sonne langsam zu erlöschen und droht die Erde mit ihrem Leben dadurch für immer zu vernichten. Die Menschheit beschliesst, mittels tausenden Triebwerken, die auf der gesamten Erdoberfläche verteilt sind, den Planeten an einen bewohnbaren Platz im Universum zu verschieben.

Erzählt wird die Geschichte des jungen Liu Qi. Zusammen mit seiner Schwester lebt er in einer der unterirdischen Städte unterhalb der Triebwerke. Aufgewachsen sind sie ohne Eltern: Während ihre Mutter bereits verstorben ist, arbeitet ihr Vater als Astronaut auf einer Raumstation. Einzig ihr Grossvater lebt mit ihnen zusammen – er arbeitet als Transportfahrer an der Oberfläche. Als das chinesische Neujahr beginnt, beschliesst Liu sich einen Thermoanzug zu besorgen und die Oberfläche zu erkunden. Seine Schwester ist mit dabei.

Gemeinsam betreten sie die Erdoberfläche und sehen zum ersten Mal den Jupiter. Um diesen soll die Erde herummanövriert werden, um durch dessen Gravitation Geschwindigkeit für die nächste Etappe ihrer Reise zu gewinnen. Doch die Menschen haben Jupiters Gravitation und seine Anziehungskraft unterschätzt und so droht die Erde nun, mit Jupiter zu kollidieren. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Teilweise lückenhaft, trotzdem meist spannend

Obwohl sich die Ausgangslage von Die wandernde Erde spannend anhört, ist die Geschichte leider trotzdem sehr weit hergeholt. Besonders die finalen Szenen sind teilweise geradezu absurd. Dieses Manko versucht man hier mit den überragenden Visual Effects zu kaschieren, die den ganzen Film tatsächlich stark aufwerten. Da wir uns in der heutigen Zeit allerdings solche guten Effekte gewöhnt sind, ist das nur ein schwacher Trost. Denn auch innerhalb der eigentlichen Story gibt es einige Lücken. Es scheint teilweise, als hätten die Macher die einzelne Szenen ohne einen sorgfältig geplanten Ablauf zusammengebaut. Daher wirkt der ganze Film die meiste Zeit etwas wirr.

Die wandernde Erde bietet den einen oder anderen Höhepunkt, auch neben den Visual Effects. Besonders gegen Ende hin ist der Streifen sehr spannend, was bei der langen Laufzeit wichtig ist. Zudem ist Lius Vater Liu Peiqiang, gespielt von Jing Wu, ein stark inszenierter Charakter, der die emotionale Zerrissenheit und den Schmerz aufgrund der Trennung von seiner Familie überzeugend darstellt.

Insgesamt profitiert der Film vor allem von der allgegenwärtigen Bedrohung durch das Weltall und der Ungewissheit, ob die Erde überleben kann. Diese Ungewissheit und angespannte Situation wird von den Charakteren und dem Zuschauer gleichermassen geteilt, wodurch eine schöne Bindung entsteht. Die Science-Fiction-Elemente, wie die Raumstation, die Steuerungscomputer oder auch die futuristischen Fahrzeuge und Anzüge, vermitteln eine durchdachte Idee der Zukunft, was mir ebenfalls gut gefallen hat.

In China ein Hit, bei uns ein Geheimtipp

Es ist schade, dass der Film hierzulande bisher nicht auf der grossen Kinoleinwand zu sehen war. Einen solchen Blockbuster hätte man am besten in 3D oder sogar 4D geniessen können. Die wandernde Erde erzählt eine meist spannende postapokalyptische Geschichte, die an Filme wie 2012 oder The Day After Tomorrow erinnert. Die Story selber weist aber leider einige markante Lücken auf. Für jeden Science-Fiction-Fan ist der Film aber sicherlich ein Blick wert und auch viele andere werden besonders an den schönen Visual Effects und der spannenden Idee des Films Freude haben. Trotzdem denke ich aber nicht, dass sich der Film hier zu einem unerwarteten Hit entwickeln wird; es wird wohl ein einigermassen guter Film für Kenner bleiben.