Seit dem 31. August 2023 gibt es den Film-Noir-Krimi Marlowe auf DVD und Blu-ray zu kaufen. Darin erleben wir Liam Neeson als den gealterten Detektiv Philip Marlowe und Diane Kruger als Femme Fatale. Bereits im letzten Herbst wurde das neueste Werk von Neil Jordan am 18. Zurich Film Festival als Galapremiere präsentiert. Doch wie sehenswert ist Marlowe und kann er mit vergleichbaren Filmen mithalten?
Im Rahmen der Premiere am Zurich Film Festival durften wir ein kurzes Interview mit Diane Kruger, Neil Jordan und Liam Neeson am Green Carpet führen. Was sie uns über die Dreharbeiten erzählt haben und warum Neeson Philip Marlowe spielen wollte, findet ihr im Video heraus.
Verborgene Geheimnisse und Gefahren…
1938, Los Angeles: Philip Marlowe ist ein ehemaliger Polizist und nun als Privatdetektiv in der Stadt der Engel tätig. Eines Tages erscheint die attraktive Clare Cavendish in seinem Büro. Die Tochter einer Filmdiva ist mit dem reichen Schnösel Richard verheiratet und benötigt seine Hilfe. Ihr Liebhaber, der Filmrequisiteur Nico Peterson, ist spurlos verschwunden und Marlowe soll ihn finden. Klar, dass der alte Charmeur nicht abgeneigt ist und den üppigen Vorschuss gerne annimmt. Bald findet Marlowe heraus, dass Nico tot vor den Toren des Nobelclubs «The Cabana» aufgefunden wurde.
Da die Leiche bis zur Unkenntlichkeit in Mitleidenschaft gezogen wurde, hat man sie verbrannt. Die Polizei geht von einem Unfall mit Fahrerflucht aus und verfolgt den Fall nicht weiter. Aber Clare ist weiterhin überzeugt, dass Nico noch lebt. So macht sich Marlowe weiterhin auf die Suche und stösst dabei auf allerlei Ungereimtheiten. Dabei funken ihm immer wieder Clares neugierige Mutter Dorothy oder der suspekte Club-Leiter Floyd Hanson in die Ermittlungen. Bald entdeckt Marlowe, dass in der Sache viele Leute verstrickt sind, die offenbar vor nichts zurückschrecken…
Ein Revival einer legendären Figur
Marlowe basiert auf dem Roman Die Blonde mit den schwarzen Augen von John Banville. Die ursprüngliche Detektivfigur hingegen stammt von Raymond Chandler, der zahlreiche Werke in den 40er-Jahren veröffentlicht hat. Im Laufe des Jahrhunderts wurden diese dann auch gelegentlich verfilmt. Dabei schlüpften Legenden wie Humphrey Bogart, Robert Montgomery, James Garner, Elliott Gould oder Robert Mitchum in die Rolle des raubeinigen Detektivs. Diese Schauspieler haben jeweils ihre eigene Interpretation des Charakters Philip Marlowe präsentiert, wobei die Darstellungen je nach Film und Ära variieren. Humphrey Bogart und Elliott Gould gelten oft als besonders ikonische Marlowe-Darsteller aufgrund ihrer einprägsamen Leistungen.
Doch wie schlägt sich Liam Neeson in seinem mittlerweile 100. Film? Seine Version der Figur ist durchaus charismatisch und man kauft ihm den mürrischen Detektiven zum Teil ab. Allerdings schafft er es meiner Meinung nach nicht, die innere Zerrissenheit glaubhaft darzustellen, er bleibt dabei zu glatt. Womöglich liegt es an einer fehlenden Backstory dieses Charakters innerhalb des Films. Anders sieht es bei Diane Kruger aus. Ihr Charakter Clare versucht noch so jeden Trick, um Marlowe zu verführen und ist mit allen Wassern gewaschen – bleibt dabei stets elegant. Die «Femme fatale» spielt Kruger somit sehr passabel und sieht aus, als wäre sie aus dieser Epoche entsprungen.
Tolle Bilder machen die fehlende Spannung von Marlowe wett
Auf visueller Ebene weist Neil Jordans Krimi alle Merkmale eines Film-Noirs auf: Silhouetten hinter Milchglas-Türen, Blicke durch Jalousien sowie Spiegelungen von Leuchtreklamen in einer Regenpfütze. Das widerspiegelt die damalige verbrecherische Stimmung. Gemäss unseren Recherchen war Kalifornien während dieser Zeit geprägt von Korruptionen. Abgespielt haben sich diese in den Reihen der Polizei und der Stadtverwaltung. Durchgeführte Razzien führten dazu, dass diesem Treiben Einhalt geboten wurde und die Gangster nach Mexiko und Las Vegas flohen. Optisch gesehen, ist Marlowe jedenfalls ein Highlight. Auch die edlen Kostüme, insbesondere Clares modische Hüte, widerspiegeln das Genre wieder. Zudem sehen die Filmsets toll aus. Gedreht wurde aber nicht in Los Angeles, sondern im ebenfalls sonnigen Barcelona. Der Grund ist simpel, wie Regisseur Neil Jordan uns im Interview am Green Carpet verriet. In L.A. gab es schlichtweg keine passenden Gebäude mehr, die an die Stadt der Engel von 1938 erinnern.
Eine Abkehr von typischen Action-Klischees
Was jedoch auffällt ist, dass Neil Jordan, der für Regiearbeiten wie Interview mit einem Vampir sowie Greta bekannt ist, eine sehr brave Geschichte gedreht hat. Wendungen, wie man sie von vielen Krimifilmen à la Knives Out kennt, findet man hier nicht. Es gibt teils Action- und Kampf-Sequenzen, die zwar schön inszeniert, jedoch nicht wirklich spannend oder bildgewaltig sind. Das ist erstaunlich, zumal Liam Neeson mitspielt, der gerade mit Taken, Non Stop, The Commuter oder zuletzt The Marksman ein paar spannende Action-Produktionen abgeliefert hat. Ob dies von Jordan so beabsichtigt ist? Schliesslich waren die Film-Noir-Streifen auch nicht gerade für grossartige Kampf-Choreographien bekannt. Oder ist das auf Neesons Alter (70 Jahre) zurückzuführen? Jedoch kann man Marlowe auch als gute Abwechslung zu den lauten und schnellen Streifen sehen, die mit rasanten Kameraführungen und ohrenbetäubenden Lärm fast keine Zeit zum Verschnaufen bieten.
Mein Fazit zu Marlowe
Liam Neeson verleiht seinem Charakter Marlowe Charisma, doch seine Obsession kommt zu wenig zur Geltung. Die Handlung von Marlowe ist klar strukturiert, ohne erzwungene Liebesgeschichte mit Clare. Die Chemie zwischen Neeson und Kruger wirkt authentisch. Neil Jordan zeigt visuelles Können mit exquisiten Bildern, Kostümen und Kulissen. Das Filmstudio-Setting wird geschickt genutzt, aber auch reaktionäre Elemente schwächen moderne Perspektiven. Marlowe ist atmosphärisch, mit guten Ansätzen, aber ohne überzeugende Wandlungen.
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