Letzten Dezember erschien mit Mank die Entstehungsgeschichte des Klassikers Citizen Kane. Dieser erschien 1941 und gilt als Meilenstein der Filmgeschichte und als bekanntestes Werk von und mit Orson Welles. Bei Mank liegt der Hauptfokus aber nicht auf der Produktion von Citizen Kane selber, sondern auf dessen Drehbuchautor Herman J. Mankewitz. Wir haben uns den Oscar-Anwärter von Netflix angeschaut und sind nicht gerade begeistert.
Die Geschichte von Welles‘ Meisterwerk
Los Angeles im Jahre 1940: Herman «Mank» Mankewitz wird von Regisseur Orson Welles beauftragt, innerhalb von 60 Tagen ein Drehbuch für seinen neuen Film zu schreiben. Er gewährt ihm, hinsichtlich dessen Handlung, freien Spielraum und lässt Mank auf einer Ranch in der Mojave-Wüste einquartieren. Dies bietet diesem die Gelegenheit, sich von einem schlimmen Autounfall zu erholen – und um seinen enormen Alkoholkonsum zu reduzieren.
Obwohl er glücklich verheiratet ist und zwei Kinder hat, ist er vom Leben gezeichnet und greift zum Schnaps. Denn Mank hat die goldene Ära von Hollywood hautnah erlebt, als Journalist darüber berichtet und Drehbücher für das renommierte Studio MGM verfasst. Seine sozialkritische Art und Unverblümtheit wurde von vielen geschätzt, haben ihn aber auch in Ungnade der Studiobosse fallen lassen. Mank rappelt sich daher noch einmal auf und setzt seine letzten Kräfte ein, um das Drehbuch pünktlich fertigzustellen. Schliesslich bietet sich ihm eine gute Gelegenheit, mit der Traumfabrik und ihren verlogenen Akteuren abzurechnen. Nimmt er sie wahr?
Schauspiel und Kameraführung überzeugen
Regie führte David Fincher, der bereits Gone Girl, Fight Club oder The Social Network inszenierte. Der titelgebende Mank wird von Gary Oldman mit viel Körpereinsatz und einer hohen Glaubwürdigkeit verkörpert. Ob lallender Betrunkener oder eloquenter Gesellschaftskritiker, Oldman porträtiert den legendären und zynischen Drehbuchautor perfekt und spielt sogar seinen Co-Star Amanda Seyfried locker an die Wand. Sie mimt Marion Davis, die Geliebte eines Geschäftsmanns, mit dem Mank verkehrte und sich später verkrachte. Seyfried sieht zwar toll aus und fügt sich gut ins Gesamtbild ein, aber ihre Auftritte kommen ein bisschen zu kurz. Dies führt dazu, dass die Figur teilweise leicht «überflüssig» wirkt.
Ein Highlight des Films ist die Kameraarbeit: Der Streifen ist komplett in Schwarz-Weiss gehalten. Dies verleiht ihm einen zeitgenössischen Look. Um diesen zu erzielen, wurde er nicht einfach nur mit einfachen Farbfiltern bearbeitet. Das Produktionsteam hat Mank mit hochauflösenden RED-Kameras aufgenommen und später in der Postproduktion weiter farbkorrigiert, um diesen speziellen und weichen Look zu erhalten. So gingen gemäss Aussagen des Regisseurs rund zwei Drittel der Bildqualität verloren. Zudem hat man noch Kratzer und Überblendungszeichen eingefügt. Allerdings wirken die Aufnahmen dennoch modern und auch die Kameraführung entspricht nicht so ganz der Art und Weise, wie sie zu der damaligen Zeit in Filmen zu sehen war. So gibt es beispielsweise lange Kamerafahrten und schnelle Schwenks zu sehen. Dies lässt das ganze ein wenig unglaubwürdig erscheinen.
Rückblenden und Hintergrundwissen lenken ab
Nur machen gute Schauspieler und schöne Aufnahmen in meinen Augen noch keinen super Film aus. Die Film-Gegenwart betreffen die Szenen, die Mank beim Schreiben von Citizen Kane zeigen. Die restliche Handlung des Films wird in mehreren Rückblenden erzählt. Anders als beim Biopic Judy, lenken diese den Zuschauer stark vom Hauptthema ab. Das liegt daran, dass meiner Meinung nach viel zu viel Stoff darin verarbeitet wurde, der die Haupthandlung quasi als Beigemüse dastehen lässt.
Auch wird der legendäre Orson Welles eher zu kurz gezeigt, obwohl er hauptsächlich mit Citizen Kane in Verbindung gebracht wird. Zudem werden auch Themen, wie beispielsweise Gouverneurswahlen angesprochen, die Mank zwar aufmerksam und zynisch kommentiert, aber stark von der Haupthandlung wegführen. Mich hat dies eher gestört und gelangweilt. Zudem wirken die Dialoge in Mank auch sehr hochgestochen und zeitweise ein bisschen verwirrend. Auch ist es schwierig, die Bedeutung der einzelnen Figuren, wie zum Beispiel die von Studioboss Louis B. Mayer zu verstehen, wenn man nicht mit der Geschichte von Hollywood vertraut ist. Ein Glück, hatte ich diese bereits lange zuvor aus persönlichem Interesse recherchiert.
Klar, der Film heisst Mank und soll daher auch dessen Leben beleuchten. Allerdings ist Citizen Kane für die Filmgeschichte ein enorm wichtiges Werk und wurde damals kontrovers begleitet – und zwar vor, während und nach den Dreharbeiten. Demzufolge hatte ich eher einen Film im Stil von Hitchcock erwartet. Darin wird der gesamte Entstehungsprozess von Psycho aufgezeigt und nicht nur die Arbeit eines Einzelnen. Ich denke, Mankewitz’ Leben allein hätte genug Stoff geboten, um daraus einen eigenen Film zu realisieren. Daher hätte man den Fokus auch nicht auf den Drehbuch-Prozess von Welles’ Meisterwerk legen müssen.
Mein Fazit zu Mank
Mank ist ein, visuell betrachtet, schönes Werk, welches mit gutem Schauspiel von Gary Oldman trumpfen kann. Demzufolge könnte es 2021 einen zweiten Oscar für Oldman geben; wie auch für die Kameraarbeit. Für Fans von Citizen Kane und eingefleischten Cineasten ist es sicherlich ein Highlight, da man ein bisschen in dessen Entstehungsgeschichte eintauchen kann. Wer allerdings weder Orson Welles Meisterwerk kennt, noch mit der Geschichte Hollywoods und all ihren, für die damalige Zeit wichtigen, Akteuren etwas anfangen kann, lässt besser die Finger von Mank.
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