Seit 16. Januar ist das britische Biopic Die Fotografin auf Blu-ray und DVD erhältlich! Regisseurin Ellen Kuras verfilmt damit den Roman Immer lieber woandershin von Antony Penrose über seine Mutter Lee Miller. Diese erlangte als Kriegsfotografin Bekanntheit und lieferte eine Reihe von heute historisch bedeutenden Fotografien ab, welche u.a. die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau dokumentierten! Ob es dem Film gelingt, der aussergewöhnlichen Biografie von Lee Miller gerecht zu werden oder ob das Biopic dem Standard des Genres verfällt, möchte ich euch in meiner Kritik verraten.
Mit der Kamera vom Modeatelier in den Kriegsalltag
Inhaltlich beginnt das Kriegsdrama mit einem Interview, dass Lee Miller dem Journalisten Tony gibt. Aus dem angespannten Verhältnis zwischen den Beiden entflammt, aufgereiht mit ihrem Lebenswerk aus eindrücklichen Fotografien ihrer Tätigkeit als Kriegsfotografin schon bald ihre Lebensgeschichte. Miller möchte in jungen Jahren mehr als nur ein ehemaliges Model und Muse eines Avantgarde-Fotografen bleiben. Mit der Liebe ihres Lebens, dem Kunsthändler Roland Penrose, zieht sie in seine Heimatstadt London. Zur gleichen Zeit besetzten die Nazis halb Europa. Lee beginnt einen Job als Modefotografin, wird aber schon bald müde vom männerdiktierten Umfeld ihrer Arbeit. Mit dem Wunsch, diesem System zu entfliehen, möchte sie bestückt mit ihrer Rolleiflex-Kamera als Kriegsfotografin an die Front. Der Antrag, den ihre Chefredakteurin Audrey Winters stellt, wird allerdings abgewiesen. Doch die Amerikaner sind bereit, sie in Empfang zu nehmen. Ob Lee als Frau unter all den Männern bestehen kann?
Würdigendes Biopic dank weiblicher Perspektive
Ellen Kuras findet jedenfalls bedrückende Bilder, um den Kriegsalltag und dessen Ende einzufangen. Inmitten dieses Grauens steht Kriegsfotografin Lee Miller, die das hautnah miterlebt. Dabei ist die weibliche Perspektive in jener Zeit und jenen Orten eine Rarität, die das Biopic zu würdigen weiss. So sind es immer wieder eindrückliche Szenen, die zeigen, wie sich Lee Miller mit mutiger Entschlossenheit gegen das männlich dominierte Kriegsgeschehen auflehnt und ihren Platz einfordert, um einen ungeschönten Blick zu dokumentieren, dessen historische Relevanz sich schliesslich posthum zu entfalten begann. Dabei geht der Film vor allem auch dank Kate Winslet schonungslos demonstrierter Darstellung auf, da es ihr durchgehend gelingt ihre Gefühls- und Seelenwelt, aber auch Willensstärke im Fokus zu behalten und daraus angetrieben auch ihr motiviertes Bestreben, die Wahrheit hinter den schlimmen Kriegsverbrechen in ihren Fotografien abzubilden.
Kate Winslet brilliert in Die Fotografin
Die weitgehend konventionelle Erzählweise ist dabei teils förderlich, um diese historisch bedeutende Geschichte für ein breites Publikum zugänglich zu machen. Hierbei werden zwei Erzählebenen eingesetzt, um sich an Lee Millers Schlüsselerlebnisse während ihrer Arbeit als Kriegsfotografin rückwirkend zu erinnern. In jenen Momenten, in denen die Erzählung in vereinzelten Teilen etwas langatmiger wird, ist es vor allem die mitreissende Darstellung von Kate Winslet, die dem Film zu einer anhaltenden darstellerischen Stärke verhilft. Ebenso können die in Nebenrollen besetzten Schauspieler Andy Samberg und Marion Cotillard berührende Akzente setzen. Erst zum Ende hin bricht das Biopic dann aufgrund eines inszenatorischen Kniffs aus der klassischen Erzählweise heraus und führt den Zuschauer hinter die durchstrukturierte und säuberlich fokussierte Linse seiner Inszenierung, um schliesslich eine weitere Wahrheit zu offenbaren.
Starke Bilder dank visuellen Kontrasten
Visuell setzt der Film in der unbeschwerten Zeit von Millers Leben noch auf eine sommerliche Farbpalette, während u.a. die Szenen, die den Kriegsschauplatz bebildern, auf weitgehend entsättigten und unterkühlten Farben treffen. Der Look der digitalen Arri Alexa 35-Kamera unter Einsatz der Leitz Summilux-C und Angenieux Optimo Linsen ist hierbei mit einem mittelstarken Filmkorn versehen worden, dass die raue Umgebung stimmig umsetzt, aber das Biopic aufgrund dieser stilistischen Entscheidung zu keinem Vorzeigefilm auf dem Blu-ray Medium macht.
Das eigentliche Grauen wird in all seiner Drastik oftmals im Hintergrund behandelt und erst auf den echten Bildern von Lee Miller gegenübergestellt. Damit wird vor allem die Wirkung des Schauspiels der Darsteller mehr in den Vordergrund gebracht und die traumatischen Bilder in eine historisch-aufarbeitende Distanz gesetzt, die sich wiederum gut in die eingenommene Perspektive des Filmendes einfügt. Dennoch dringt das Biopic auch immer wieder in das zwischenmenschliche Leid hinein, das Lee Miller zwischen all der Verwüstung entdeckt und fotografisch festhält.
Mein Fazit zu Die Fotografin
Die Fotografin ist ein Film, der in weiten Strecken, dem klassischen Standard des Biopics in Hollywood Manier folgt und entgegen des mutigen Geistes seiner Hauptfigur in geordneten Bahnen und durchinszenierten Bildern auf sein Ende hinzielt. Hervorzuheben ist vor allem die Darstellung von Kate Winslet, die Miller mit authentisch-entschlossener Stärke für heutige Generationen greifbar macht und sich damit in eine sehenswerte Reihe ihrer kraftvollen Frauenfiguren im 21. Jahrhundert einreiht. Damit also wieder eine ihrer Rollen entgegen der Hollywood Konventionen, aus der die Inszenierung selbst allerdings erst zum Schluss, etwas auszubrechen vermag. Wer dem Kriegsdrama und Kate Winslet aufgeschlossen gegenüber steht, darf dem Film also ruhig eine Chance gewähren.
Über unseren Gast-Autor
Sandro Biener veröffentlicht unter dem Namen Sany 3000 Film-Rezensionen auf Amazon und auf Wattpad. Er beantwortet auch gerne Fragen über Filme und Serien auf Gutefrage.net. Zudem produziert er Megamixes von bekannten Sängern sowie weitere diverse Videos. Diese findet ihr auf seinem YouTube-Kanal. Hier findet ihr seine Profile.
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