Emma Stone Cruella

Ist Cruella der beste Disney-Realfilm aller Zeiten?

Sie ist eine der verrücktesten und bösesten Schurkinnen der Disneyfilme – Cruella de Vil. Seit 1961 ist sie als Welpen tötende Modeschöpferin bekannt. Nachdem 2013 verkündet worden ist, dass nach Maleficent nun auch Cruella eine «Origin Story» bekommt, waren die Meinungen gespalten. Nun kam der Film am 26. Mai in die Kinos und am 27. Mai mit dem Premium Account auch auf Disney+. Mit den Oscar-Preisträgerinnen Emma Stone und Emma Thompson war ein vielversprechender Film zu erwarten.

Meine Erwartungen an Cruella

Meine Erwartungen an den Film waren gross. Zumal Glenn Close die Modeschöpferin in den Jahren 1996 und 2000 so verkörperte, wie man sich Cruella als realen Mensch vorgstellt. Die beiden Filme 101 Dalmatiner und 102 Dalmatiner geniessen daher immer noch Kultstatus. Glenn Close war für mich die Cruella in Person und die perfekte Wahl. Ihre böse und perfide Art als Welpen-Mörderin brachte sie furchterregend und glaubhaft rüber; sie war die perfekte Antagonistin. Dieses Mal ist es aber anders. Cruella ist nicht die Antagonistin; sie ist der Hauptcharakter, eine Heldin beziehungsweise Antiheldin. Die Frage, ob das gut geht, war berechtigt. Warum stellt Disney erneut einen Bösewicht so dar, dass man ihn mag und gar nicht mehr als böse empfindet?

25 Jahre nach der allerersten Realverfilmung eines Disney-Klassikers kam jetzt die Vorgeschichte dazu heraus. Ich wusste nicht, ob ich ihn als Vorgeschichte zum Disney-Klassiker 101 Dalmatiner beziehungsweise den Realfilm sehen muss oder ob es eine neue, unabhängige Story sein wird. Darum hatte ich ein wenig Angst, dass Handlungsstränge unlogisch werden könnten.

Emma Stone Cruella
Horace, Jasper und Estella | Bild: 2021 Disney Enterprises Inc. All Rights Reserved

Zwei Haarfarben und zwei Persönlichkeiten

Der Film beginnt mit der Geburt eines Mädchens mit zwei Haarfarben und dem Namen Estella. Ihre Schulzeit war ziemlich stressig. Geplagt von Schulverweisen und Beschimpfungen, kämpfte sie sich durch die Kindheit und nur ihre liebevolle Mutter stand ihr in jeder Sekunde bei. In London entwickelt sich das unruhige und wilde Mädchen in eine mehr oder weniger selbstbewusste junge Dame, die genau weiss, was sie will – Mode designen. In der Metropole lernt sie auch ihre besten Freunde Horace und Jasper kennen, ohne die die spätere Cruella nicht dort wäre, wo sie jetzt ist. Estella kriegt ihren heiss ersehnten Job bei der berühmten und gleichermassen berüchtigten Modegigantin ihrer Zeit, die Baroness. Die strenge und geizige Baroness bemerkt, dass Estella etwas an sich hat, etwas das sie braucht, um im Trend zu bleiben und so wird Estella zu ihrer persönlichen Assistentin. Doch mit der Zeit merken beide, dass sie mehr verbindet, als nur der Geschmack für Mode.

Tolle Darstellung der Modewelt Londons

Der Film handelt von einem Generationenkonflikt, der mit Rache, Intrigen und Hinterlistigkeit gespickt ist. Emma Thompson und Emma Stone blühen in diesem Konflikt richtig auf, obwohl ich sagen muss, dass Thompson von der jungen Stone überschattet wird. Der Film überrascht immer wieder und auf jeden Plot-Twist folgt noch einer. Der Film endet mit einem Showdown der anderen Klasse und am Schluss hat man die böse Cruella doch ein wenig liebgewonnen. Mich erinnert der Film sehr an Der Teufel trägt Prada aus dem Jahr 2006. Jung und Alt treffen aufeinander und die erfahrene Modeschöpferin sieht, dass der Neuling Talent hat. Der Film ähnelt aber auch anderen, teils neueren, Filmen wie beispielsweise Joker. Denn auch in Cruella erhalten wir einen Einblick in die Entstehungsgeschichte und den Charakter eines Schurken. Zudem hat der Film einige «Easter Eggs» der Modewelt auf Lager, denn einige Protagonisten ähneln stark realen Persönlichkeiten.

Emma Stone Cruella
Cruella bei einem atemberaubenden Auftritt | Bild: 2021 Disney Enterprises Inc. All Rights Reserved

Technisch gesehen ist der Film spitze. Der Streifen wird von genialem Sound mit bekannten Songs begleitet, die die dramatische Szenerie verstärkt und der Soundtrack von Nicholas Britell ist ein grosser Gänsehaut-Faktor. Obwohl er sehr mystisch und dramatisch daherkommt, bemerkt man manchmal den Disney-Touch, was aber natürlich alles andere als schlecht ist. So kommt trotz der dramatischen und actionreichen Geschichte immer wieder das Märchenhafte durch. Auch die Kostüme, die vorkommen, sind erstklassig und genial umgesetzt worden.

Emma Stone und Emma Thompson in Höchstform

Der Kampf der zwei Divas hat Höhen und Tiefen. Jeder kommt mal zum Fall und steht dann wieder auf. Emma Stone setzt die von zwei Persönlichkeiten geplagte Estella, oder eben Cruella, perfekt in Szene. Ihre schrille Lache ist unverkennbar und ihr «Darling» einfach nur ein Genuss. Ihr kauft man alles ab, hängt gebannt an ihren Lippen und an ihrer Show. Der Zuschauer merkt nur anhand der Stimme und Blicken, wann sie die unschuldige Estella ist und ab wann die aufgedrehte und skrupellose Cruella übernimmt. Auch Emma Thompson begeistert erneut. Diesmal als eine herzlose Dame, die nur das Geschäft im Kopf hat und jedem klarmacht, dass man mit Gefühlen nicht weit kommt. Man fühlt mit den Figuren mit und versteht jede Handlung, die sie tun, auch wenn sie noch so schlecht sind. Einige Charaktere verblassen leider ein wenig in Anwesenheit der Hauptfiguren. So zum Beispiel der Butler der Baroness, gespielt von Mark Strong.

Emma Stone Cruella
Cruella mit ihren beiden Freunden Horace und Jasper | Bild: 2021 Disney Enterprises Inc. All Rights Reserved

Cruella ist ein Meisterwerk und meiner Meinung nach eine der besseren, wenn nicht sogar die beste Realverfilmung eines Disney-Klassikers. Einige Anspielungen auf die Originalfilme 101 Dalmatiner und 102 Dalmatiner oder auf reale Mode-Ikonen wirken zu erzwungen, dennoch genoss ich jeden Fan-Support, den es gab. So wurden einige Szenen und Figuren eigens für eingefleischte Fans von 101 Dalmatiner und anderen Disney-Produktionen eingebaut. Cruella hat mich in den Bann gezogen und mich definitiv positiv überrascht. Die Dynamik der Schauspieler untereinander und die Einbindung der Tiere sind sehr gelungen. Der Film zeigt zudem auf, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind. In vielen Filmen hat man das Gefühl, dass people of color und LGBTQ-Angehörige nur vorkommen, damit sie vorkommen. Der Regisseur von Cruella hat diese Thematik aber sehr gut und nicht übertrieben in Szene gesetzt. 

Cruella ist ein toller Film, nicht nur für Disney-Fans

Cruella punktet beim Cast, der Musik und den Kostümen. Kamerafahrten und die visuelle Darstellung der siebziger Jahren nehmen uns mit in eine Reise in die Vergangenheit. Der Film begeistert und hat nur wenige Schwachstellen, wie das Auftreten von etwas unnötigen Charakteren. Der Film dauert gut zwei Stunden – und das merkt man im Kinosaal, dennoch ist Cruella nie langweilig. Schlussendlich ist das Ende dann sehr überzeugend. Auch wenn man kein Fan von den Disney-Remakes ist, sollte man sich Cruella trotzdem anschauen. Es nicht nur die Kopie eines Films, sondern die Entstehungsgeschichte einer verrückten Diva.

Ein kleiner Tipp: Nach dem Abspann sollte man sitzen bleiben. Denn dann sieht man, dass ein zweiter Teil durchaus möglich ist und dass Cruella definitiv nicht die Vorgeschichte von 101 Dalmatiner mit Glenn Close ist.